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Anti-Terror-Kommando verhindert Giftanschlag: FBI soll Hinweis gegeben haben


SEK nimmt Terrorverdächtigen fest
Bio-Anschlag: Diese Behörde gab entscheidenden Hinweis

Von dpa, tht

Aktualisiert am 08.01.2023Lesedauer: 5 Min.
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Großaufgebot der Polizei: Ein Video zeigt, wie der Verdächtige leicht bekleidet abgeführt wird.
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Mit Gasmaske und Schutzkleidung stürmten Beamte die Wohnung des terrorverdächtigen 32-Jährigen. Er soll einen Anschlag mit Giftstoff in Deutschland geplant haben.

Zwei Brüdern wird nach einem nächtlichen Anti-Terror-Einsatz im Ruhrgebiet die Verabredung zum Mord zur Last gelegt: Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat Haftbefehle gegen den 32-Jährigen und seinen 25 Jahre alten Bruder beantragt. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, dass sie sich Giftstoffe für einen islamistisch motivierten Anschlag besorgen wollten. Doch der Tipp kam offenbar aus dem Ausland.

Die deutschen Ermittler waren wegen eines Tipps von Kollegen aus den USA aktiv geworden: Es habe einen Hinweis von einer US-amerikanischen Sicherheitsbehörde gegeben, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf. Man habe den Hinweis auf den 32-Jährigen am Samstag bekommen und sei zu dem Schluss gekommen, dass unmittelbar ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt und vollstreckt werden müsse.

Laut Informationen der "Bild"-Zeitung informierte das FBI die deutschen Behörden darüber, dass sich der Festgenommene im Internet für Rizin und Cyanid – die Substanzen für eine Biowaffe – interessiert habe. Der Tipp soll "Spiegel"-Informationen zufolge bereits an Weihnachten eingegangen sein, nachdem die Behörde Telegram-Gruppen infiltriert haben soll.

Der Verdächtige habe demnach angeblich bereits Silvester einen Anschlag begehen wollen, doch fehlten ihm offenbar die Substanzen dafür. Das habe sich laut FBI nun geändert, berichtet die "Bild".

Kein Gift in der Wohnung gefunden

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), sagte am Sonntag: "Wir hatten einen ernst zu nehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen."

Zumindest bei der Durchsuchung der Wohnung des 32-Jährigen in Castrop-Rauxel in der Nacht zu Sonntag wurden aber die entsprechenden Giftstoffe Cyanid und Rizin nicht gefunden, wie ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf mitteilte.

Ob er tatsächlich an Gift gekommen war und dieses etwa anderswo lagerte, beantworteten die Ermittler zunächst nicht. Auch wie konkret die möglichen Anschlagspläne fortgeschritten waren und was ein mögliches Ziel gewesen wäre, blieb zunächst unklar. Das sei noch Gegenstand der Ermittlungen, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Der 32-jährige Iraner wird der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verdächtigt.

Sicherheitskreise: Vermutlich Anhänger einer islamistischen Terrorgruppe

Wie die dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr, wird vermutet, dass er Anhänger einer sunnitischen islamistischen Terrorgruppe ist. Er soll demnach nicht im Auftrag staatlicher iranischer Behörden gehandelt haben. Letzteres bestätigte auch der Sprecher der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft. Er sagte weiter, es gebe Hinweise auf ein islamistisch geprägtes Weltbild, aus denen eine Anschlagsplanung resultiere.

Ein Sondereinsatzkommando der Polizei führte den Mann zusammen mit seinem Bruder in der Nacht auf Sonntag aus der angemieteten Wohnung in Castrop-Rauxel. "Es waren Szenen wie im Film", schildert ein Reporter. SEK-Beamte mit Lkw vermutlich aus Wiesbaden, die analytische Taskforce und viele weitere Beamte in Vollschutzanzügen hätten sich bereits vor dem Zugriff an einer eher dörflichen Feuerwehrwache in Castrop-Rauxel, wenige Meter von der Wohnung des 32-Jährigen entfernt, versammelt und hier auf den Einsatz gewartet.

Währenddessen sei die Zielperson in der Wohnung in der Langen Straße observiert worden. "Man hat wohl gewartet, bis die Lichter ausgingen und die beiden Männer eingeschlafen waren", berichtet der Reporter. Dann rollte eine Einsatzhundertschaft des Anti-Terror-Kommandos vor. "Sie waren vermummt bis oben hin und trugen Gasmasken – wie bei einer Bombenentschärfung."

Wegen der biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte waren laut einem Bericht der "Bild" auch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) als Berater vor Ort. Als die Beiden eingeschlafen waren, sei der Zugriff erfolgt und die zwei Männer, darunter der Verdächtige, von den Beamten aus der Wohnung geführt worden. "Er hatte fast gar nichts an und schaute richtig böse, nicht überrascht, sondern diabolisch", schildert der Reporter.

Bruder war polizeibekannt

Sein Bruder, der sich zufällig in der Wohnung aufhielt, war der Polizei laut Nachrichtenagentur dpa zwar zuvor bekannt, allerdings aus Gründen, die nicht mit islamistischem Terror zusammenhängen. Ob er in die mutmaßlichen Anschlagspläne eingeweiht war, steht noch nicht fest. Die Männer sollen sich beide seit 2015 in Deutschland aufhalten.

Die Einsatzstelle im eher ärmlichen Stadtteil von Castrop-Rauxel wurde während des Einsatzes großräumig abgesperrt. Einsatzkräfte kümmerten sich um sichergestellte Gegenstände, die in blauen Fässern zur Feuerwehrstelle gebracht wurden. Weitere Beamte hatten hier bereits die Dekontaminationsstelle eingerichtet. Die Ermittler stellten Beweismittel wie elektronische Speichermedien sicher. Diese müssten nun ausgewertet werden, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Waffen seien nicht gefunden worden. Neben der Wohnung des Mannes wurden auch Nebengelasse wie Kellerräume durchsucht.

Faeser: "Sicherheitsbehörden rechnen jederzeit mit Vorbereitungen für Anschlag"

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht vor dem Hintergrund des Einsatzes die Gefahr islamistischer Anschläge hierzulande nicht gebannt. Deutschland stehe weiterhin im unmittelbaren Zielspektrum islamistischer Terrororganisationen, sagte sie am Sonntag laut einer Mitteilung ihres Ministeriums.

Islamistisch motivierte Einzeltäter seien eine weitere erhebliche Gefahr. "Unsere Sicherheitsbehörden rechnen deshalb jederzeit mit Vorbereitungen für einen Anschlag." Seit dem Jahr 2000 hätten die Behörden in Deutschland 21 islamistische Anschläge verhindert.

Der Terrorismusexperte Peter Neumann sagte am Rande der CSU-Landesgruppenklausur: "Diese Bedrohung ist geringer als vor sechs oder sieben Jahren, aber sie existiert nach wie vor. Das darf man nicht vergessen." Er wies darauf hin, dass bei fast jedem aufgedeckten Terrorplan der vergangenen Jahre der entscheidende Hinweis von US-Geheimdiensten gekommen sei. Deutschland sei auch bei der Terrorismusbekämpfung im Inneren nach wie vor sehr abhängig von Amerikas Geheimdiensten.

Anti-Terror-Einsatz in Herten im Oktober

Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Noch einmal wird deutlich, dass wir bei allen aktuellen, sehr ernstzunehmenden Bedrohungen aus dem Bereich des militanten, gut vernetzten Rechtsextremismus, keineswegs von islamistischen Täterinnen und Tätern ausgehende Gefahren aus dem Blick verlieren und unterschätzen dürfen."

Erst vor wenigen Monaten hat es im nur gerade einmal 20 Kilometer entfernten Herten einen ähnlichen Einsatz wegen akuten Terror-Verdachts gegeben. Auch hier durchsuchten Einsatzkräfte mit Schutzanzügen und Atemmasken die Wohnung eines Mannes. Auch hier hatte es Hinweise auf möglicherweise dort gelagerte gefährliche Stoffe, wie Rizin, gegeben. Gefunden wurde dort allerdings nichts.

Ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden Anti-Terror-Einsätzen gibt, ist unklar. "Mir liegen keine Informationen hierüber vor, ausschließen kann ich es nicht", sagte leitender Oberstaatsanwalt Holger Heming t-online am Sonntag.

Rizin fällt unter das Kriegswaffenkontrollgesetz

Cyanid ist auch als Blausäure bekannt und hochgiftig. Es kommt natürlicherweise in Bittermandeln vor. Cyanidverbindungen werden aber auch im Bergbau benutzt, um Metalle aus Erzen herauszulösen. Rizin ist ein giftiges Protein, das aus den Samen des Rizinusbaums gewonnen werden kann.

Die allgemeine Verfügbarkeit der Pflanze Ricinus communis, die das Toxin produziert, macht Rizin nach Angaben des Robert Koch-Instituts trotz seiner im Vergleich zu Botulinum- oder Shiga-Toxin geringeren Toxizität zu einem potenziellen biologischen Kampfstoff. Es steht auf der Kriegswaffenkontrollliste. Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: In einem 15-stöckigen Gebäude in der Hochhaussiedlung Chorweiler hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst.

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