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Dortmund: Wie die Corona-Pandemie Gewalt gegen Obdachlose befeuert hat


Gewalt gegen Obdachlose
Kippt die Stimmung in Dortmund?

InterviewVon Thomas Terhorst

10.04.2024Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Polizeibeamte sichern die Trauerkundgebung für einen verstorbenen Obdachlosen am vergangenen Freitag in der Innenstadt.Vergrößern des Bildes
Polizeibeamte sichern die Trauerkundgebung für einen verstorbenen Obdachlosen am vergangenen Freitag in der Innenstadt. (Quelle: Fernandez / news4 Video-Line TV)

Die Gewalttaten gegen Obdachlose in Dortmund häufen sich. Der Leiter der Redaktion des Straßenmagazins "bodo", Bastian Pütter, ist besorgt über die Situation.

In Dortmund ist es innerhalb weniger Tage vermehrt zu Gewalttaten gegen Obdachlose gekommen. Am vergangenen Donnerstag wurde ein 31-jähriger Obdachloser mutmaßlich von einem Kind mit mehreren Messerstichen getötet, zudem wurde das Lager einer 72-jährigen Frau in Dortmund sowie mutmaßlich das Lager eines 55-jährigen Mannes in Castrop-Rauxel angezündet. Auch wurde bei einem Polizeieinsatz in der Dortmunder Innenstadt ein 52-jähriger Obdachloser erschossen, er soll mit einer Eisenstange aus dem Gerüstbau bewaffnet gewesen sein.

Bastian Pütter gilt in der Wohnungslosenszene als gut vernetzt. Im Gespräch mit t-online spricht er über die zunehmende Verunsicherung und den Versuch vieler Obdachloser, sich zum Schutz vor Gewalt der Öffentlichkeit zu entziehen.

t-online: Herr Pütter, kippt die gesellschaftliche Stimmung gegenüber wohnungslosen Menschen in Dortmund?

Bastian Pütter: Wir haben wegen der Pandemie eine veränderte Situation in Dortmund. Das heißt, wir haben deutlich mehr sichtbare Obdachlosigkeit in der Stadt. Bei Ausbruch der Pandemie sind wir brav nach Hause gegangen. Seit dem ersten Lockdown saßen quasi nur noch Obdachlose in der Stadt – und die haben sich neue Orte gesucht – und sind zum Teil geblieben. Viele sind auch in einem deutlich schlechteren Zustand als in dieser Zeit. Viele von ihnen sind auch nicht mehr unterwegs, sondern liegen jetzt einfach nur noch in der Stadt. Das hatten wir in dem Maße noch nicht. Dazu kommt das akute Problem des Crackkonsums, der den Druck auf die Abhängigen erhöht, schnell Geld heranzuschaffen. All das sorgt dafür, dass viele Bürgerinnen und Bürger sowie Gewerbetreibende genervt sind. Eventuell auch, weil sie den Eindruck haben, dass es bergab geht.

Wie tief sitzt der Schock nach dem mutmaßlichen Mord eines Obdachlosen durch einen 13-Jährigen am Hafen?

Wir kennen das Opfer nicht persönlich. Das Areal am Hafen wird von vielen Leuten als Schlafplatz genutzt, um sich der Öffentlichkeit zu entziehen, unsichtbar zu sein. Wie sein Weg dahin geführt hatte, wissen wir noch nicht. Was mir aber wichtig ist: Viele Obdachlose wählen diese Gegend am Dortmund-Ems-Kanal aus, um eben nicht Opfer von Gewalt zu werden. Dass es in dem Fall nun den 31-Jährigen getroffen hat, ist um so tragischer. Dieser Fall, aber auch der Fall des von einer Polizeikugel getöteten Obdachlosen an der Reinoldikirche am vergangenen Mittwoch, hat bei uns für enorme Verunsicherung gesorgt.

Wir hatten in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen mit psychischen Auffälligkeiten. Sie zeigen nun Ängste vor ähnlichen Situationen wie die an der Reinoldikirche. Sie sagen: "Dass ich mal herumschreie und dass ich nicht mehr kann, das habe ich ja auch. Aber ich möchte nicht erschossen werden dafür."

Seit Herbst 2023 agieren Stadt und Polizei mit einem Sonderstab. Der "Kontrolldruck" soll für einen Rückgang des Drogenkonsums in der City sorgen. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation in der Innenstadt?

Es ist eine überschaubare Zahl von Menschen, die durch ihren Suchtdruck dafür sorgen, dass sehr viele Leute sehr genervt sind. Wir haben Verständnis für die Gewerbetreibenden, für die sich die Bedingungen zum Schlechteren verschoben haben. Man muss auch mal sagen, dass die Stadt einiges tut, um für Besserung zu sorgen. Etwa wurden die Öffnungszeiten der Drogeneinrichtungen, die sich genau um diese Leute kümmern, massiv erweitert. Das sorgt jetzt auch schon für Entlastung. Auf der anderen Seite hat sich das Verhältnis zwischen vielen Wohnungslosen und Ordnungskräften seit der Pandemie deutlich verschlechtert. Der hohe Repressionsdruck in den Lockdowns und danach hat für Frust gesorgt, der heute kooperativen Lösungen und Rücksichtnahmen oft im Weg steht.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Bastian Pütter, Redaktionsleiter "Bodo e.v."
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