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Heimliche Corona-Impfung: "Ich bin ein einem Doppelleben unterwegs"


Impfung unter Verschwörungsgläubigen
"Ich bin in einem Doppelleben unterwegs"

  • Nils Heidemann
Von Nils Heidemann

16.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Eine Frau kurz nach der Impfung: Manche Angehörige von Verschwörungsanhängern haben Probleme damit, ihrer Familie von der Impfung zu erzählen.Vergrößern des Bildes
Eine Frau kurz nach der Impfung: Manche Angehörige von Verschwörungsanhängern haben Probleme damit, ihrer Familie von der Impfung zu erzählen. (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)

Wie geht eine geimpfte Person damit um, dass die eigene Familie Corona-Impfungen strikt ablehnt und an Verschwörungserzählungen glaubt? t-online hat mit einem Betroffenen gesprochen.

Fabian* ist Mitte zwanzig und seit dem Sommer doppelt gegen das Coronavirus geimpft. Trotzdem kann er sich nicht über die zurückgewonnenen Freiheiten freuen. Das liegt an seiner Familie, die nicht nur strikt gegen das Impfen ist, sondern auch an Verschwörungstheorien glaubt. Er traut sich nicht, ihnen von der Impfung zu erzählen – auch, weil er sich um sie sorgt.

Denn seine Eltern denken, dass die Impfungen eine Art Vernichtungsmittel seien und die Menschheit dezimiert werden soll. Unter Verschwörungsgläubigen ist das eine weit verbreitete Annahme. "Stell dir vor, du sagst deinen Eltern, du willst dir selbst eine Spritze geben und dadurch bist du dann in drei Jahren tot. Und das machst du mit voller Absicht", sagt er im Gespräch mit t-online im Hinblick auf die Überzeugungen seiner Familie.

Eltern glauben an "Bill Gates"-Theorie

Fabian habe hin und wieder versucht, seine Eltern mit Blick auf die 3G-Regeln auf eine mögliche Impfung anzusprechen. "Doch dann kam direkt die Gegenwelle mit Erklärungen zu Verschwörungstheorien rund um Bill Gates und Co.", sagt er. Diese basieren auf der Behauptung, dass der Microsoft-Gründer durch die Corona-Impfungen sogenannte Mikrochips in den Körper injiziert. Dadurch solle er die "totale Kontrolle" über die Menschen erhalten, so die Theorie, an die auch Fabians Familie glaubt.

Generell sei sein Verhältnis zu seiner Verwandtschaft sehr gut. "Ich liebe meine Familie", sagt Fabian, "doch in dieser Sache mit der Pandemie und den Verschwörungstheorien sind die wie ausgewechselt." Zu Beginn der Pandemie sei es zunächst kein größeres Problem gewesen. Doch seitdem er die Impfung bekommen hat, mache er sich viele Gedanken.

"Schlaflose Nächte"

"Sag ich es der Familie? Und wenn ja, wann und wie? Man muss da schon drüber nachdenken und sehr feinfühlig vorgehen – um das mal gelinde auszudrücken." Dass seine Eltern Todesangst um ihn haben, möchte er vermeiden.

Ein Problem, mit dem sich viele Menschen an Mirko Bode wenden. Er engagiert sich bei der gemeinnützigen Organisation "Der goldene Aluhut" und berät Angehörige von Verschwörungstheoretikern. Laut seiner Aussage leiden viele Familien unter der Pandemie, da die Theorien durch Corona erstarken und Verschwörungsgläubige ihre Ideologie über den Menschen stellen. Das verhindere jede vernünftige Diskussionsgrundlage, sagt er.

Es gebe kein Patentrezept, wie ein Betroffener auf die jeweiligen Personen zugehen sollte. Offen reden helfe in manchen Fällen. So könne man sagen: "Ich mache mir Sorgen um dich. Es tut mir weh, wenn ich sehe, wie emotionalisiert du bist." Gleichzeitig fügt er auch hinzu: "Falls jemand schon tief in dem Kaninchenbau drin ist und eine soziale Gruppe hat, mit der er sich über Verschwörungen austauscht, dann wird es sehr schwer konstruktiv mit den Leuten umzugehen."

Impf-Verheimlicher über Familie: "Die glauben da ja wirklich dran"

Nach eigenen Aussagen ist das bei Fabian der Fall. "Es gibt schon schlaflose Nächte teilweise. So krass ist es nicht immer, aber es gibt eben diese Situationen, in denen ich nicht weiß, welche Vorgehensweise richtig oder falsch ist." Bislang hat er noch niemandem von seinem Problem erzählt. Lediglich in einem Internetforum tauscht er sich mit anderen Betroffenen aus. Das helfe sehr, sagt er.

Im realen Leben wägt er ganz genau ab, wem er erzählen kann, dass er geimpft ist. Trifft er eine Person, die auch seine Familie kennt, ist er der "Ungeimpfte". Dass er sich in solchen Situationen hin und wieder erklären muss, stresst ihn zusätzlich. Denn eigentlich hält er die Impfung für wichtig und richtig. "Ich will von den Personen ja nicht als Querdenker wahrgenommen werden."

Gespräche über Medienkompetenz helfen

So führe er derzeit ein "Doppelleben, in dem ich zeitweise undercover unterwegs bin", fasst er zusammen. "Und das nur wegen etwas, das eigentlich total banal ist und über das man sich nicht den Kopf zerbrechen sollte. Aber die glauben da wirklich dran." Seine Hoffnungen legt er auf weitreichende Lockerungen der Corona-Regeln nach dem Winter und darauf, dass dadurch die Pandemie in die Ferne rückt.

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Ein Weg, den laut Berater Bode viele Menschen wählen, bei denen die Angehörigen schon tief in den Verschwörungstheorien stecken. "So gibt man wenige Informationen in das Netzwerk und kann dadurch Konflikten ausweichen."

Ob die Corona-Verschwörungstheorien durch eine mögliche Herdenimmunität und gelockerte Regeln komplett verschwinden, kann er nicht voraussagen. Dafür vergleicht er Verschwörungstheoretiker mit Alkoholkranken. "Das Problem ist immer, dass die Gefahr eines Rückfalls besteht.“

Denn das Geschäft mit Verschwörungserzählungen sei ein sehr ertragreiches. "Wenn sich ein Thema erledigt, kann sich schnell ein neues eröffnen." Youtube, Telegram und Co. böten dafür perfekte Möglichkeiten. Doch er zeigt sich auch optimistisch: "Es gibt auch Leute, die realisieren, dass die Theorie falsch war."

Impfskeptiker ließen sich wegen Corona-Einschränkungen impfen

Diesbezüglich gibt er Betroffenen zu Beginn den Tipp, sich gemeinsam mit den Verschwörungsgläubigen über das Thema Medienkompetenz zu unterhalten: Was sind Fake News und welchen Quellen kann ich trauen? Ein Vorschlag, der für Menschen wie Fabian sicherlich hilfreich ist.

Auch dieser gibt sich zuversichtlich, denn es sei ein minimaler, positiver Trend zu erkennen. Bekannte seiner Eltern aus der Querdenker-Szene hätten sich wegen der Einschränkungen durch die 3G- und 2G-Regeln impfen lassen. Das sei für sie zwar zunächst ein großer Schock gewesen, allerdings hätten sie nicht so hysterisch reagiert, wie Fabian anfangs annahm. "Sie waren erst mal entsetzt, aber haben den Kontakt zu den Bekannten nicht abgebrochen. Sie können es wegen der geltenden Regeln anscheinend trotz dieser ganzen komischen Theorien verstehen."

*Name von der Redaktion geändert

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräch mit Fabian
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