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Justizskandal in Hamburg: Mutter ohne Grund weggesperrt – Baby muss in Heim


Mutter grundlos weggesperrt
Dieser Justizskandal erschüttert Hamburg

Von t-online, bum

Aktualisiert am 25.08.2023Lesedauer: 3 Min.
Spielplatz der JVA Billwerder: Hier hätten Mutter und Baby die Zeit bis zum Prozess verbringen können.Vergrößern des BildesSpielplatz der JVA Billwerder: In der JVA hätten Mutter und Baby die Zeit bis zum Prozess verbringen können. (Quelle: Christian Charisius)
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217 Tage war eine junge Frau im Gefängnis. Unschuldig, wie sich herausgestellt hat. Die Staatsanwaltschaft hatte alle Entlastungszeugen ignoriert.

Das Baby irgendwo bei Fremden in der Betreuung. Die Mutter im Gefängnis. Unschuldig. Sie weiß nicht, wie es ihrem Kind geht. Ein Justizskandal erschüttert Hamburg.

Die Opfer: Julia B. und ihr kleiner Sohn Miguel*. Monatelang war sie inhaftiert. Der Vorwurf: Mord aus Habgier. Sie soll mit einem noch unbekannten Mittäter einen ehemaligen Restaurantbesitzer in seiner Wohnung ermordet haben.** Der Beweis: Die Staatsanwaltschaft hatte ihre DNA an mehreren Körperstellen der Leiche, an der Kleidung und in der Wohnung gefunden.**

Baby wurde in sieben verschiedenen Einrichtungen untergebracht

Das genügte der Staatsanwaltschaft Hamburg, um sie in Untersuchungshaft zu nehmen. Das Alibi von Julia B. ließ sie nicht gelten. Sie hatte zum fraglichen Zeitpunkt ein Hotelzimmer geputzt, fünf Stunden lang, gemeinsam mit einer Kollegin.

Im Vorfeld der Hauptverhandlung hatte es zwei Vernehmungen dieser Kollegin gegeben, um die Belastbarkeit des Alibis zu überprüfen. Doch erst im Prozess hatte sie das Alibi der Frau bestätigt, woraufhin die Angeklagte sofort aus der Untersuchungshaft entlassen wurde.**

Das sechs Monate alte Baby wurde Julia B. weggenommen, verbrachte die folgenden Monate in sieben verschiedenen Betreuungseinrichtungen. Zuerst hatten die "taz" und die "Hamburger Morgenpost" darüber berichtet.

Mutter und Sohn durften sich die ersten Monate gar nicht sehen, später nur sporadisch. Alle Anträge auf eine gemeinsame Unterbringung der beiden wurden abgelehnt. Dabei wäre das möglich gewesen: In Hamburg-Billwerder gibt es eine Abteilung für genau solche Fälle.


Quotation Mark

Was wäre geschehen, wenn die Verteidigung nicht auf eigene Faust ermittelt hätte?


Verteidigerin Fenna Busman in ihrem Pädoyer 


Vermutlich wäre die Frau heute noch dringend tatverdächtig und das Baby immer noch in Obhut des Jugendamtes. Das wollten die Verteidigerinnen von Julia B. nicht akzeptieren und ließen auf eigene Faust und Rechnung ein forensisches Gutachten erstellen. Das brachte die Wende.

Die beauftragten Forensikerinnen legten dar, dass die am Tatort gefundene DNA sehr wohl fünf Tage vor der Tat dorthin gelangt sein könnte. Es wurden mehrere gutachterliche Stellungnahmen einer Sachverständigen zur Interpretation der Spurenlage eingeholt, teilt das Hanseatische Oberlandesgericht mit. "Im Rahmen einer Haftbeschwerde wurde durch eine andere Kammer des Landgerichts noch am 30. März 2023 ausführlich begründet, warum angesichts der Intensität und Lage der DNA-Spuren ein unmittelbarer Kontakt am Tattag als hochwahrscheinlich und die Hypothese einer alternativen Spurenverursachung als fernliegend eingestuft wurde", heißt es.**

Im Prozess brach der Vorwurf zusammen

"Was wäre geschehen, wenn die Verteidigung nicht auf eigene Faust und eigene Kosten dieses Gutachten in Auftrag gegeben hätte?", fragte Verteidigerin Fenna Busmann daraufhin in ihrem Plädoyer. So zitiert sie die "taz".

Im Laufe des Prozesses brach die Anklage wegen Mordes mehr und mehr in sich zusammen. Auch weil der Ermordete an seinem letzten Tag Streit mit einer anderen Person hatte, die von der Staatsanwaltschaft nicht vernommen wurde.

16.000 Euro bekommt Julia B. als Entschädigung

Das reichte: In ihrem Plädoyer forderte die Verteidigung auf Freispruch, die Nebenklage schloss sich an, auch die Staatsanwaltschaft ruderte nun zurück, hält die Frau nun ebenfalls für unschuldig. Ihre Begründung, laut "Hamburger Morgenpost" : Die Bewertung des Tatverdachts habe sich geändert.

Insgesamt 217 Tage saß Julia B. im Gefängnis. Sollte sie freigesprochen werden, bekommt sie gut 16.000 Euro Entschädigung. 75 Euro pro Tag. Die wichtige Zeit mit ihrem kleinen Baby ist unbezahlbar und verloren.

Am Montag soll vor dem Landgericht Hamburg das Urteil verkündet werden. Bis dahin will sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern, teilt Sprecherin Liddy Oechtering t-online mit. Danach werde die Staatsanwaltschaft den Fall neu bewerten.

Verwendete Quellen
  • * Alle Namen sind geändert.
  • ** In einer früheren Version des Artikels waren bedauerlicherweise mehrere inhaltliche Fehler zu lesen, die sich teilweise auf den Artikel der "taz" mit dem Titel "Alle fordern Freispruch für Mutter" bezogen. Wir bitten, diese Fehler zu entschuldigen. Die entsprechend korrigierten Passagen sind mit ** gekennzeichnet .
  • mopo.de: "Frau sitzt sieben Monate in U-Haft-ohne ihr Baby"
  • taz.de: "Alle fordern Freispruch für Mutter"
  • Telefonat mit der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Hamburg
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