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Hamburg: Gefangener will Jugendliche vor krimineller Laufbahn abhalten


Ex-Waffenhändler im Gespräch
"Ich bin im Gefängnis fast zerbrochen"

  • Nina Hoffmann
Von Nina Hoffmann

Aktualisiert am 06.01.2024Lesedauer: 3 Min.
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Patrick Miles im Büro des Vereins "Gefangene helfen Jugendlichen": Der 50-Jährige befindet sich derzeit im offenen Vollzug.Vergrößern des Bildes
Patrick Miles im Büro des Vereins "Gefangene helfen Jugendlichen": Der 50-Jährige befindet sich derzeit im offenen Vollzug. (Quelle: Nina Hoffmann)

Patrick Miles befindet sich im offenen Vollzug. Doch schon jetzt macht er sich dafür stark, dass junge Menschen nicht den gleichen Weg gehen wie er. Das ist seine Geschichte.

Lange Zeit beherrschten Ruhelosigkeit und Gewalt das Leben von Patrick Miles. Heute will er vor allem eins: Frieden finden. "Früher dachte ich, ich führe einen Krieg gegen die Welt", sagt der 50-Jährige. "Dabei habe ich ihn mit mir selbst geführt." Heute, so sagt er, habe er mit sich Frieden geschlossen.

Inzwischen befindet sich Miles im offenen Vollzug, hat einen Freigängerstatus und muss nur abends zurückkehren. Bald ist das Kapitel Gefängnis für ihn abgeschlossen. Damit manche Jugendliche dieses Kapitel in ihrem Leben gar nicht erst beginnen müssen, engagiert sich Miles unter anderem an Schulen als Referent gegen Jugendkriminalität.

Ein wichtiger Beitrag, wirft man einen Blick auf die Statistiken. Rund 853 Strafverfahren gegen junge Menschen im Alter von 14 und 21 Jahren wurden allein im ersten Quartal 2023 in Hamburg eingeleitet. Tendenz steigend. Einst war Patrick Miles einer dieser Jugendlichen, die schon früh straffällig wurden.

Jugendliche kommen mit Ex-Häftlingen ins Gespräch

Wenn Miles auf sein Smartphone blickt, setzt er sich eine schmale Lesebrille mit breiten, schwarzen Rändern auf die Nase. Sie wirkt wie ein Fremdkörper in seinem Gesicht. Denn optisch entspricht Miles dem Stereotyp des harten Mannes: stechend blaue Augen, akkurat gestutzter Bart, Falten, die sich wie tiefe Furchen durch sein Gesicht ziehen. Er ist groß, sein Kreuz breit, die Arme sind tätowiert. Dass er vor allem bei jungen Männern Eindruck macht, steht außer Frage. Aber darum allein geht es nicht.

Er will zu Jugendlichen durchdringen und zeigen: Das Leben hat mehr zu bieten als Gewalt, Schmerz und Ausweglosigkeit. Deshalb arbeitet er für den gemeinnützigen Verein "Gefangene helfen Jugendlichen". Ziel des Vereins mit Sitz in Hamburg ist die Kriminal- und Gewaltprävention bei Jugendlichen, indem sie mit Gefangenen oder Ex-Häftlingen ins Gespräch kommen.

Zahlreiche Verurteilungen noch vor dem 18. Lebensjahr

Gemeinsam mit jungen Menschen spricht Miles darüber, was Aggressionen und Gewalt anrichten können – und wohin sie führen. Etwa am Beispiel seiner eigenen Geschichte.

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"Mit 14 ging es bei mir so richtig los", resümiert Miles und streicht sich mit der Hand über seinen Bart. "Dann hab ich Vollgas gegeben." Mit Vollgas meint er: Er fing an gegen jegliche Gesetze zu verstoßen, schlug zu, wurde zu Sozialstunden und Jugendarrest verdonnert. "Wie oft ich vor meinem 18. Lebensjahr verurteilt wurde, kann ich gar nicht genau sagen." Schließlich wurde er mit Anfang 40 wegen Drogen- und Waffenhandels zu rund zehn Jahren Haft verurteilt. Das Aus für seine Karriere als Berufsverbrecher.

Doch wie kam es zu all dem? Miles Vater war britischer Elitesoldat, seine Erziehungsmethoden brutal. "Er war kein Feinmotoriker", sagt Miles vorsichtig und grinst. "Er wollte, dass ich hart im Nehmen bin. Und das ist ihm gelungen." Aber selbst harten Männern kämen in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, umgangssprachlich Santa Fu, die Tränen, sagt Miles. "Im Gefängnis bin ich fast zerbrochen."

"Ich muss etwas zurückgeben"

Während seiner Haft habe es einen schlimmen Vorfall in seiner Familie gegeben. Hinzu kam, dass seine Tochter den Kontakt verweigerte. Schließlich fasste er den Entschluss, etwas zu ändern. Er bildete sich weiter, begann eine Therapie, tat alles dafür, später einmal einen "guten Job" annehmen zu können und stieß auf den Verein "Gefangene helfen Jugendlichen".

"Nach meiner Vergangenheit war mir klar, dass ich etwas zurückgeben muss", sagt er. Heute referiert er an Schulen, lädt Jugendliche zum Boxtraining ein und kommt mit jungen Menschen ins Gespräch, die dabei sind, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, wie er es einst tat. Und das scheint zu fruchten.

Patrick Miles schmiedet Zukunftspläne

"Viele melden sich im Nachhinein und bedanken sich", erzählt er und wirkt sichtlich stolz. Doch nicht jeder könne vor der Kriminalität bewahrt werden. "Viele von denen haben zu viel erlebt", sagt er. "Dann kommen Kriege und Corona hinzu. Manche sagen mir: 'Die Welt geht doch eh unter, da kann ich machen, was ich will.'" Doch Miles ist überzeugt: "Ich habe so oft gedacht, die Welt geht unter – aber das ist sie nie." Das sage er auch den Jugendlichen.

Blickt Miles in die eigene Zukunft, sieht er ein Leben in der Natur. "Ich will mit meiner Partnerin aufs Land ziehen", sagt er. "Dorthin, wo man Fotovoltaikanlagen auf dem Dach hat – und ganz viel Ruhe." Und während er das sagt, wirkt die schmale Brille in seinem Gesicht fast gar nicht mehr deplatziert.

Verwendete Quellen
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