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Hamburg: "Boutique Bizarre" ist Europas größter Sex-Shop – ein Besuch


Europas größter Sexshop
Die Suche nach dem Glück – mit Latex und Tentakel-Dildos

  • Nina Hoffmann
Von Nina Hoffmann

Aktualisiert am 15.02.2024Lesedauer: 3 Min.
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Der Eingangsbereich der Boutique Bizarre.Vergrößern des Bildes
Der Eingangsbereich der Boutique Bizarre. (Quelle: Nina Hoffmann)

Die Boutique Bizarre ist der größte Sexshop Europas. Hier verkaufen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit mehr als 30 Jahren die Sehnsucht nach Lust und Liebe.

An der Wand hängt eine Schweinemaske. Die Ohren aus dickem Leder stehen zur Seite ab, an den Stellen, wo sich Augen und Mund befinden, sind Löcher. Vielen mag der Anblick befremdlich erscheinen. Bei anderen löst er Lust aus. In der "Boutique Bizarre" reihen sich die Fetischmasken neben Instrumenten, die denen von Gynäkologen ähneln – nur dass sie im Gegensatz zu den medizinischen Arbeitsmitteln vibrieren können.

"Beim Verkauf von Sexspielzeug gibt es kein Schema F", sagt Sexshop-Mitarbeiter Luke Owald, zuständig für die Organisationsentwicklung. Es gebe nicht den einen Allrounder, der jeden oder jede befriedige. Seit rund 30 Jahren bemüht sich die "Boutique" jedoch auf rund 1.400 Quadratmetern Ladenfläche um ein Angebot, das unterschiedlichsten sexuellen Bedürfnissen gerecht wird. Auch – oder besonders – denen, die von der Norm abweichen.

Schmuddel-Image ade?

Schmutzig, verstörend, bizarr: Sexshops hatten lange Zeit ein Schmuddel-Image. Die Besucher galten als lüstern, männlich und irgendwie merkwürdig. In der "Boutique Bizarre" gehen hingegen unterschiedlichste Menschen ein und aus. "Hamburg ist eine Touristenstadt", sagt Owald. Entsprechend vielfältig sei die Kundschaft.

Während der 50-Jährige durch die zahlreichen Gänge des Sexshops führt, läuft er an jungen Frauen vorbei, die bei den Vibratoren stöbern. Eine Etage tiefer beäugt ein Mann die Latexkleidung in der BDSM-Sektion. Rund die Hälfte der Kundschaft sei weiblich, heißt es auf der Webseite des Shops. "Das macht uns stolz und freut uns enorm."

1962 war es eine Frau, die den ersten Sexshop der Welt in Flensburg eröffnete. Beate Dorothea Rotermund-Uhse, kurz: Beate Uhse. Sie erlangte als "Schlummermutter der Republik" ("Spiegel") und "Grande Dame der Erotik" ("Welt") über die deutschen Grenzen hinaus Bekanntheit.

Die Ladeneröffnung gilt als Meilenstein der sexuellen Offenheit. In den Jahren danach folgten zahlreiche Geschäftsleute ihrem Beispiel. 1990 eröffnete die "Boutique Bizarre".

Das Erotikkaufhaus auf der Reeperbahn halten mittlerweile etwa 40 Angestellte an 365 Tage im Jahr am Laufen. Auch eine kleine Galerie befindet sich im Untergeschoss – dort zeigen Bilder nackte und leicht bekleidete Körper.

"Du kannst hier als Mensch arbeiten, so wie du bist"

Owald arbeitet mit Unterbrechung seit elf Jahren in dem Shop. Zwischenzeitlich wechselte der 50-Jährige den Arbeitgeber, befasste sich unter anderem mit Personalarbeit in einem größeren Konzern, kehrte später zurück. Auf die Frage nach dem Warum, antwortet er: "Du kannst hier als Mensch arbeiten, so wie du bist." Niemand müsse sich verbiegen.

Mit dem Septum-Piercing, das unter seiner Nase baumelt, dem dichten Bart und der Aufschrift auf seinem Pullover "True Rebel" würde er vielerorts als Angestellter negativ auffallen. Hier tut er es nicht. Weder zwischen seinen Kolleginnen und Kollegen noch zwischen den Kundinnen und Kunden. Hier herrscht Vielfalt. Überraschend unauffällig wirkt dagegen ein Paar, das mit lilafarbenem "Boutique"-Tütchen den Shop verlässt.

"Wir wollten mal gucken, was es hier so gibt", sagt die 43-Jährige und grinst. Ihr 45-jähriger Partner blickt verlegen durch seine Brillengläser. Die beiden sind Kölner, dem Karneval entflohen, um ein Wochenende in Hamburg zu verbringen. "Hier gibt es einiges an Inspiration", sagt sie vielsagend und schaut ihren Mann an. Er lächelt sie an, die Verlegenheit ist verschwunden.

Die "unschönen Fetische"

Die "Boutique Bizarre" befriedigt für die einen die Neugier darauf, sich sexuell neu zu erfinden. Anderen befriedigt sie die grundsätzliche Schaulust – das war auch vor rund 15 Jahren schon so, wie ältere Artikel beweisen.

In einer Glosse – einer satirischen Textform – der "Süddeutschen Zeitung" aus dem Jahr 2008 heißt es etwa: "Bei einem Recherche-Besuch im Sex-Shop "Boutique Bizarre" in Hamburg, der klären sollte, welche unschönen Fetische es noch so gibt, wurde mir klar, was ich wirklich nie in meinem Bett finden will." Danach listet die Autorin fünf Dinge auf, darunter ein Buch zum Thema "Fisting", Brustklammern, Kopfgitterkäfige. Für Owald sind diese Dinge keinesfalls "unschön". Im Gegenteil.

Auch heute, rund 15 Jahre nach Erscheinen des Zeitungsartikels, sind Brustklammern und Kopfgitter zu finden. Ebenso wie tentakelähnliche Dildos, Knebel mit daran befestigten Klopapierrollen und Fetischmasken wie der Schweinsfratze.

"Für mich ist all das etwas durchweg Positives", sagt Owald. Erotikshops wie die "Boutique Bizarre" seien Orte, an denen sich selbst Langzeit-Paare neu kennenlernen würden. Orte des Wünsche-Erfüllens. Hier würden sich Menschen auf die Suche nach ihrem individuellen Glück begeben. Nur, dass dieses Glück eben bei jedem anders aussieht.

Verwendete Quellen
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