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Amazon "unmenschlich": Kölner Lieferfahrer attackiert Konzern


Schwere Vorwürfe
"Unmenschlich": Angeblicher Lieferfahrer attackiert Amazon

Von Florian Eßer

20.12.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ein Zustellfahrzeug von Amazon: Ein ehemaliger Paketlieferant übt im Netz scharfe Kritik an dem Unternehmen. (Quelle: FrankHoermann/SVEN SIMON via www.imago-images.de)

Im Netz gibt ein Mann vor, für Amazon gearbeitet zu haben, und greift das Unternehmen scharf an. Der Konzern hingegen widerspricht den Vorwürfen deutlich.

Während die Adventszeit für viele von Besinnlichkeit geprägt ist, bedeutet sie für Lieferfahrer puren Stress. Schließlich bestellen viele Menschen ihre Weihnachtsgeschenke online. Aber wie erleben die Fahrer ihre tägliche Arbeit?

Auf der Website "Reddit" berichtet ein Nutzer von seinen angeblichen Erfahrungen. Er nennt sich "Wood_6" und schreibt, er habe einen Monat lang für Amazon Pakete in Köln ausgeliefert. Ob der Mann tatsächlich für den Online-Riesen im Einsatz war, lässt sich nicht abschließend bewerten. Auf eine Anfrage von t-online reagierte der Nutzer zunächst nicht – seine Schilderungen decken sich jedoch auffällig mit den Berichten anderer Fahrer, und auch Medienberichten.

In dieser Zeit habe er 20 Lieferfahrten für Amazon absolviert. Er sei jedoch nicht direkt bei Amazon angestellt gewesen, sondern bei einem Subunternehmen. Während der Fahrten würden die Kuriere zwei Apps auf ihrem Arbeitshandy nutzen. Die Amazon-Flex-App, die dem Fahrer die Route anzeigt und zum Scannen der Pakete genutzt wird, und die Mentor-App. Diese überwache das Fahrverhalten.

Kommen die Fahrer vormittags im Amazon-Depot an, hätten sie 15 Minuten Zeit, um alle Pakete in ihren Wagen zu laden. "Ist man beim Laden zu langsam, wird man von einem sogenannten 'Yard Marshall' zurechtgewiesen", erklärt der Reddit-Nutzer. "Das Ganze hat schon einen sehr militärischen Drill." Die Fahrer müssten viele Pakete ausliefern. So viele, schreibt der Kölner, dass es in den acht Stunden Arbeitszeit nicht zu bewältigen sei.

Keine Zeit zum Essen oder für den Toilettengang

Deswegen verzichteten viele Kuriere auf ihre vorgeschriebene Pause. Die Amazon-Flex-App zwinge die Fahrer zwar, eine Pause zu machen, allerdings ließe sich das sehr leicht umgehen. "Man muss sich eine halbe Stunde Pause nehmen, dafür klickt man in der Amazon-Flex-App auf Pause und dann geht in der App eigentlich gar nichts mehr", schreibt der Mann auf Reddit. Das lasse sich jedoch mit einem einfachen Trick umgehen - indem man während der Pause das Privathandy zum Ansteuern der vorher gespeicherten Adressen nutzt.

So sei es zwar möglich, sich mehr Zeit zu erschleichen, andere Dinge aber blieben auf der Strecke, berichtet der angebliche ehemalige Lieferfahrer. "Ich habe auf all meinen Touren, die ich gemacht habe, nichts gegessen, nichts getrunken, ich bin nicht einmal auf Toilette gegangen. Warum nicht? Weil Amazon einem komplett unrealistische und unmenschliche Touren vorgibt, auf denen für Pausen einfach keine Zeit ist."

Fahrer: "Noch nie psychisch so platt" gewesen

Doch auch wenn die Fahrer auf ihre Pause verzichteten, müssten sie trotzdem Überstunden leisten, um die Touren zu schaffen. Und diese würden nicht bezahlt oder anerkannt, schreibt der Reddit-Nutzer in seinem Post, der angibt, jeden Tag etwa 11 Stunden gefahren zu sein. Bezahlt worden seien aber nur acht. "Der Stundenlohn beträgt 13,5 € und man bekommt so 108 € pro Tag. Bei 11 Stunden und einem Mindestlohn von 12 € müssten es aber 132 € sein. Ich war auch noch nie psychisch so platt wie in diesem Monat."

Solche Vorwürfe gegen Amazon sind nicht neu. Schon lange steht das Unternehmen in der Kritik. So hat sich das Recherchezentrum "Correctiv" eingehend mit den Strukturen des Konzerns auseinandergesetzt. Und das Fazit deckt sich mit den geschilderten Eindrücken des Reddit-Nutzers "Wood_6". "Amazon ist der mit Abstand größte Akteur in einer Branche, in der Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen offenbar zum Geschäftsmodell gehören", heißt es im Beitrag von "Correctiv."

Amazon: Schilderungen "entsprechen keinesfalls der Realität"

Auf Anfrage von t-online zu dem Reddit-Beitrag widerspricht Amazon den Vorwürfen vehement. "Die erwähnten Zustände entsprechen keinesfalls der Realität für die Tausenden Menschen, die bei Lieferpartnern beschäftigt sind", erklärt ein Sprecher des Unternehmens. Stattdessen würde Amazon hohe Anforderungen an die Paketdienstleiter stellen, mit denen der Konzern zusammenarbeitet. Die "überwiegende Mehrheit" seien "großartige, zuverlässige Partner".

"Unsere Lieferpartner verpflichten sich vertraglich, die geltenden Gesetze insbesondere im Hinblick auf Löhne, Sozialabgaben und Arbeitszeiten einzuhalten", so der Amazon-Sprecher gegenüber t-online. "Wir überprüfen sie regelmäßig, um sicherzustellen, dass sie die geltenden Gesetze und unsere Richtlinien einhalten, und ergreifen Maßnahmen, wenn dies nicht der Fall ist." Auch zur Bezahlung von Überstunden seien die Partner verpflichtet.

Ein Algorithmus helfe bei der Routen-Erstellung

Sollten die Partner die geschlossenen Verträge verletzten oder dem Unternehmen Hinweise auf illegale Handlungen vorliegen, dann würde die Zusammenarbeit beendet, versichert der Sprecher. "Wir haben in Deutschland außerdem eine Fahrer-Hotline eingerichtet, die allen Fahrern in verschiedenen Sprachen zur Verfügung steht. Dort können die Zusteller auch anonym ihr Feedback abgeben."

Weiterhin verwende das Unternehmen einen lernenden Algorithmus, der die Routen der Fahrer so plane, dass sie innerhalb einer bestimmten Zeit abzuschließen seien. Dabei berücksichtige die Technologie Faktoren wie Paketvolumen, Pausenzeiten und die Verkehrssituation. Das sorge dafür, dass 90 Prozent der Fahrer ihre Routen sogar früher beenden würden als vom Algorithmus vorgesehen.

Verwendete Quellen
  • reddit.com: "Ein Monat als Amazon Fahrer oder warum ich Amazon hasse"
  • correctiv.org: "Die Maschine Amazon"
  • Anfrage bei Amazon
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