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Eine Kneipe im Klohäuschen und fünf weitere ausgefallene Gastro-Tipps in München


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Eine Kneipe im Klohäuschen und fünf weitere ausgefallene Gastro-Tipps


01.07.2023Lesedauer: 5 Min.
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Inhaber Yilmaz Demir (links), Sohn Silvan Demir und Schwiegertochter Lea.Vergrößern des Bildes
Inhaber Yilmaz Demir (links), Sohn Silvan Demir und Schwiegertochter Lea. (Quelle: Patrik Stäbler)

2015 erhielt Yilmaz Demir den Zuschlag, eine Kneipe an einem skurrilen Ort an der Ludwigsbrücke einzurichten. Nun kann er seine "Boazn" endlich eröffnen.

Yilmaz Demir sitzt an diesem Nachmittag auf der Holzterrasse vor seiner Bar – von oben dröhnt der Baustellenlärm der Ludwigsbrücke hinab, von unten hört man das Rauschen der Isar. Auf dem Fuß- und Radweg kommen zahlreiche Passanten vorbei, von denen etliche stehen bleiben, das Schild mit der Aufschrift "Boazn – Öffentliche Bedürfnisanstalt" studieren und dann jene Frage stellen, die Yilmaz Demir in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren unzählige Male gehört hat.

Nämlich: "Und, wann macht ihr auf?" Denn aktuell ist die "Boazn" noch geschlossen. Dabei hat Yilmaz Demir bereits vor acht Jahren den Zuschlag von der Stadt erhalten, eine Kneipe in der 1901 erbauten "öffentlichen Bedürfnisanstalt" einzurichten – jenem denkmalgeschützten Klohäuschen im Pfeiler der Ludwigsbrücke. Mit ihrem Konzept für die "Boazn", wie die Bar schon damals heißen sollte, setzten sich Yilmaz Demir und seine Mitstreiter Selcuk Durmaz und Michi Kern 2015 gegen mehr als 100 Bewerbungen durch.

"Und ich habe gedacht", sagt der 47-Jährige heute, "dass wir in eineinhalb Jahren aufmachen können. Wenn alles gut läuft." Doch gut lief in der Folge kaum etwas. Vielmehr entwickelte sich der Umbau der WC-Anlage zu einer Art zweiten Stammstrecke: Ein ums andere Mal musste Yilmaz Demir den Zeitplan nach hinten verschieben; parallel dazu kletterten die Kosten in die Höhe. Konkrete Zahlen wolle er keine nennen, sagt der Gastronom, der das Projekt seit Längerem alleine vorantreibt, zusammen mit Sohn Silvan Demir und seiner Schwiegertochter Lea Seemüller.

"Von der Summe könnte ich eine kleine Wohnung kaufen"

Nur so viel: "Von der Summe, die ich in den Umbau gesteckt habe, könnte ich eine kleine Wohnung in Schwabing kaufen." Kurzum, die "Boazn" hat den 47-Jährigen viel Zeit, viel Geld und viele Nerven gekostet. Doch nun ist es so weit: Am Dienstag soll die zuständige Bezirksinspektion zur Abnahme vorbeikommen. Und wenn dann keine größeren Mängel festgestellt werden, könne er seine Kneipe in den folgenden Tagen aufsperren, sagt Yilmaz Demir – acht Jahre, nachdem er den Zuschlag erhalten hat. "Ich war mehrere Male kurz davor aufzugeben", räumt er an diesem Nachmittag auf der Holzterrasse ein.

In der linken Hand hält Demir eine Zigarette, in der rechten ein "Boazn"-Bier, das er von einer niederbayerischen Brauerei eigens für seine Kneipe herstellen lässt. Wieso sich das Projekt derart verzögert hat? "Es gab vielfältige Gründe", sagt Yilmaz Demir, der hörbar darum bemüht ist, nicht allzu vorwurfsvoll zu klingen. Doch dann kommt er doch auf die Auflagen zu sprechen. "Mal waren sich die Behörden nicht einig, ob eine Tür nach innen oder außen aufgehen soll", sagt er. "Dann habe ich keinen Stellplatz für meine Mülltonnen bekommen."

Umbau der WC-Anlage weit aufwendiger als gedacht

Überdies gestaltete sich der Umbau der 60 Quadratmeter großen WC-Anlage weit aufwendiger als gedacht. Das Ergebnis kann sich aber sehen lassen: In der "Boazn" dominieren Holz und Kupfer die Optik; düster ist es – und doch gemütlich. "Hier ist alles handgemacht", sagt Yilmaz Demir, "sogar die Heizkörper". Wobei diese bereits zur zweiten Heizungsanlage gehören, die er hat einbauen lassen. Die erste musste wieder rausgerissen werden – wegen Standschäden.

Nun aber sei man bereit für Gäste, sagt Yilmaz Demir, der nur einen Steinwurf entfernt am anderen Isarufer aufgewachsen ist – mit Blick auf die Ludwigsbrücke. An sieben Tagen die Woche werde seine Kneipe öffnen, sagt er, schon vormittags zum Frühschoppen und bis spät in die Nacht. Zum Trinken gibt's das hauseigene "Boazn"-Bier zum Preis von "fünf Euro plus", zum Essen stehen Vorspeisen- und Brotzeitplatten auf der Karte. Geht es nach Demir, dann soll seine Kneipe ein "Ort der Geselligkeit" werden, "wo es keine Etikettenpflicht gibt, aber einen respektvollen Umgang". Wie es sich anfühlen werde, wenn er die "Boazn" nach all den Jahren des Wartens erstmals fürs Publikum aufsperre? Auf diese Frage antwortet Yilmaz Demir mit nur einem Wort: "Befreiend!"

Fünf weitere ausgefallene Gastro-Tipps für München

  • Partyschiff "Alte Utting": Seit 2017 steht der ausrangierte Ausflugsdampfer vom Ammersee auf einer Brücke zur Großmarkthalle in Sendling. Der Transport des 36 Meter langen Schiffs, das man in zwei Teile zersägt hatte, war eine logistische Meisterleistung. Aufgrund der aufwendigen Anforderungen verzögerte sich die Eröffnung bis Sommer 2018. Seither finden sich in, auf und rund um den Dampfer ein Restaurant, eine Bar, eine Kleinkunstbühne, Veranstaltungsräume und ein Biergarten. Das Partyschiff, das von Daniel Hahn und seinem Team betrieben wird, ist weit über München hinaus bekannt. Aktuell läuft der Mietvertrag bis 2027; wie es danach mit der "Alten Utting" weitergeht? Ist noch offen.
  • "Container Collective": Am Eingang des Werksviertels stehen 27 ausrangierte Schiffscontainer und bilden ein Erlebnisviertel aus Gastronomie, Kunst und Kultur. Neben einem Café und einer Bar – inklusive herrlich bunter Dachterrasse – haben hier Künstlerinnen und Künstler, ein Radiosender, eine Grillschule und weitere Start-ups und Kreativschaffende eine Heimat gefunden. Auf dem Gelände in der Atelierstraße finden regelmäßig Partys, Festivals, Flohmärkte und andere Open-Air-Events statt.
  • Café "Crönlein": In einem früheren Klohäuschen im Kronepark am Nockherberg ist 2018 das "Crönlein" eingezogen – eine Mischung aus Café und Bar mit einem einzigartigen Ambiente. Im Innenraum, also der 1904 erbauten einstigen WC-Anlage, dominiert ein wuchtiger Betontresen; an der Decke hängen teils mehr als 100 Jahre alte Grubenlampen. Sitzplätze gibt es drinnen keine. Dafür wartet draußen eine der charmantesten Terrassen der Stadt. Zum Essen bietet das "Crönlein" unter anderem Pizza und Waffeln an. Gelegentlich finden dort Konzerte und DJ-Abende statt.
  • "Minna Thiel": Der alte Schienenbus aus den 1950er-Jahren steht vor der Hochschule für Fernsehen und Film in der Maxvorstadt – als Gastrotreff, Veranstaltungsort und Club. Benannt ist die Location nach einer Figur in Gerhart Hauptmanns Novelle "Bahnwärter Thiel". Der Schienenbus war bei der Hohenzollerischen Landesbahn und später bei der Schwäbischen Albbahn im Einsatz. 2015 entdeckte das Team des Kulturprojekts "Bahnwärter Thiel" den Waggon in einer Lagerhalle in Berlin und holte ihn per Schwertransport nach München, wo er einst gefertigt wurde. Nachdem der Schienenbus zunächst Teil des "Bahnwärter Thiel" auf dem Viehhof-Gelände war, zog er 2017 ins Kunstareal um. Heute finden dort Partys, Lesungen und Konzerte statt, aber auch Kindergeburtstage.
  • "Gans Woanders": Das kunterbunte Hexenhäuschen "Gans Woanders" steht unter einer Eisenbahnbrücke in Giesing und direkt an der stark befahrenen Pilgersheimer Straße. Wer dieses liebevoll und mit viel Holz gebaute Reich betritt, der fühlt sich in ein Grimmsches Märchen versetzt. Das "Gans Woanders" ist eine Mischung aus überdimensionalem Baumhaus und Abenteuerspielplatz. Und natürlich: ein Kulturcafé, wo es nicht nur Essen und Trinken gibt, sondern auf einer Kleinkunstbühne auch Konzerte, Lesungen und Poetry Slams stattfinden. Weitere Infos: www.ganswoanders.de.
Verwendete Quellen
  • Eindrücke vor Ort
  • Gespräch mit Yilmaz Demir
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