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Streitpunkt Fußball-EM: Wieso München vor einem Riesendilemma steht


Vor der Entscheidung
Streitpunkt Fußball-EM – Wieso München vor einem Riesendilemma steht


22.04.2021Lesedauer: 4 Min.
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Die Allianz Arena mit Sonderbeleuchtung (Archivbild): Noch immer wird heftig über Zuschauer bei den Münchner EM-Spielen diskutiert.Vergrößern des Bildes
Die Allianz Arena mit Sonderbeleuchtung (Archivbild): Noch immer wird heftig über Zuschauer bei den Münchner EM-Spielen diskutiert. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Tausende Zuschauer trotz Corona? Die Uefa setzt München wegen der Fußball-EM 2021 unter Druck. Oberbürgermeister Dieter Reiter und das bayerische Innenministerium antworten darauf völlig unterschiedlich. Doch die Zeit für eine Lösung läuft davon. Nur in einem sind sich fast alle einig.

München und der "König" Fußball. Es ist eine oft ruhmvolle und stets anekdotenreiche Verbindung. „Kaiser“ Franz Beckenbauer und Philipp Lahm. WM-Finale 1974 und WM-Eröffnungsspiel 2006. Der Champions-League-Sieg von Borussia Dortmund 1997 im Olympiastadion. Heimat des extrem erfolgreichen FC Bayern und des sehnsüchtig melancholischen TSV 1860.

München wäre eine von zwölf Gastgeberstädten

Wie selbstverständlich bewarb sich die bayerische Landeshauptstadt um das Privileg, eine von zwölf Gastgeberstädten der paneuropäischen Fußball-EM 2020 zu sein. Das Finale sollte schon her. Immerhin wurden es drei Vorrundenspiele und ein EM-Viertelfinale. Doch dann kam die Corona-Pandemie, und machte alle Planspiele zunichte. Fast. Ein Jahr später soll die Europameisterschaft (11. Juni und 11. Juli) doch noch über die Bühne gehen. Vor möglichst vielen Zuschauern. Trotz Pandemie.

So lauten zumindest die Vorstellungen des Europäischen Fußballverbandes Uefa. Doch diese decken sich so gar nicht mit denen in München. "Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob es das Infektionsgeschehen der Corona-Pandemie zulässt, im Juni Zuschauer zuzulassen oder nicht", erklärt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) t-online: "Klar ist aber, dass Veranstaltungen mit Zuschauern nach den aktuellen Vorschriften der bayerischen Infektionsschutzverordnung nicht erlaubt sind."

München steht wegen Corona vor einem Dilemma

München steht Ende April so vor einem Dilemma. Denn: Die Uefa macht Druck, verweist auf andere EM-Gastgeber. Die Arena im russischen St. Petersburg, die 61.000 Zuschauer fasst, soll etwa bis zur Hälfte gefüllt werden. Im niederländischen Amsterdam (Kapazität: 55.000 Zuschauer) hoffen die Organisatoren auf ein bis zu drei Vierteln gefülltes Stadion. Und das dänische Kopenhagen will pro Partie zumindest 12.000 Fans reinlassen. Und München?

Aus dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration am Odeonsplatz sind gänzlich andere Töne zu hören als aus dem Rathaus auf dem Marienplatz. "Wir sind insgesamt zuversichtlich, dass sich die Infektionslage bis Mitte Juni soweit entspannt, dass für das gesamte öffentliche Leben zahlreiche Lockerungen stattfinden können, sodass auch Zuschauer wieder zugelassen werden könnten", erklärt das Ministerium auf Anfrage von t-online.

Eine verbindliche Zusage könne derzeit niemand treffen. Aber: "Angesichts der zunehmenden Verfügbarkeit von Tests sowie dem fortschreitendem Impftempo ist es nicht mehr unvorstellbar, Fans zuzulassen, die negativ getestet oder geimpft worden sind", heißt es weiter.

Stadt hat mit hoher 7-Tage-Inzidenz zu kämpfen

Bei einer Inzidenz von 156,5 (21. April) sind Fußballspiele mit Fans derweil die geringste Sorge der Corona-müden Bürger. Sie sehnen sich zum Beispiel nach ihrer Wirtshauskultur. Zuschauer bei der EM, aber die Biergärten bleiben zu? Für viele unvorstellbar. Auch für Gregor Lemke.

"Es kann nur gemeinsam funktionieren. Wir würden mit großem Unverständnis reagieren, würde man die Leute in die Arena lassen, aber die Gastronomie bleibt zu", sagt der Vorsitzende der Münchner Innenstadtwirte t-online: "Bei denen, deren Existenz bedroht ist, wäre Unverständnis gar kein Ausdruck mehr." Stadionbesuche und ein Helles in einem Münchner Wirtshaus gehören für ihn sowieso unzertrennlich zusammen. "Das ist eine Symbiose", sagt Lemke und vertraut auf die Stadt, dass Zuschauer nur dann zugelassen werden, "wenn auch die anderen Dinge wieder möglich sind". Es sei für ihn und seine Kollegen ohnehin schon schwer begreiflich, wenn "bei schönem Wetter tausende von Menschen an der Isar" sind, aber sie dürfen nicht ausschenken.

Spiele vor 27.000 Zuschauern – trotz Corona?

Es ist eine verfahrene Situation. OB Reiter berichtet von einem "Host City Agreement zwischen Uefa und der Landeshauptstadt München", wobei es sich um "einen Vertrag mit gegenseitigen Rechten und Pflichten" handele. Näheres will oder darf der Rathauschef nicht verraten. Die Konzepte für die "Fußball Arena München", wie das Stadion des FC Bayern aus Vermarktungsgründen genannt würde, liegen indes schlüsselfertig in den Schubladen.

"Szenario eins, das Lead-Szenario, würde 14.500 Zuschauern einen Besuch ermöglichen, basierend auf einer Kombination aus Einhaltung von Abstandsregeln und den Limitierungen des Uefa-Ticketing-Systems. Dabei wäre jeder vierte Sitz einer Stadionreihe besetzt", erklärt das zuständige Referat für Bildung und Sport auf Anfrage. Das zweite Szenario (Upscale) mit knapp 27.000 Zuschauern werde dagegen "von Tag zu Tag unwahrscheinlicher". Schließlich gebe es noch ein "kurzfristig umsetzbares" Backup-Szenario mit 0 bis 7.000 Zuschauern. Statt 70.000 Fans bei internationalen Spielen wie vor der Coronavirus-Krise. Das Tragen von FFP2-Masken und ein Alkoholverbot wären Bedingungen.

Geplante Spiele der Europameisterschaft in München

  • Dienstag, 15. Juni, 21 Uhr: Frankreich - Deutschland
  • Samstag, 19. Juni, 18 Uhr: Portugal - Deutschland
  • Mittwoch, 23. Juni, 21 Uhr: Deutschland - Ungarn
  • Freitag, 2. Juli, 21 Uhr: 2. EM-Viertelfinale

Wenn es überhaupt soweit kommt. "Es darf keine Privilegien für den Fußball geben, sondern es muss gleichzeitig mit passenden Konzepten das öffentliche Leben in anderen Bereichen des Sports und der Kultur zurückkehren – Stück für Stück", erklärt Anna Hanusch t-online. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen in München fordert: "Ich appelliere an die Uefa, sich der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung des Fußballs zu erinnern – und dazu gehört eine EM-Planung, die dieser gefährlichen Pandemie gerecht wird."

Dass der Fußball nicht bevorzugt werden soll, darin sind sich alle Protagonisten einig – bis auf die Uefa. "Einseitige Privilegien, für wen auch immer, stehen nicht zur Debatte", erklärt das bayerische Innenministerium. Gelöst ist das Münchner Dilemma damit nicht.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Oberbürgermeister Dieter Reiter
  • Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration
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