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Höhlentauchen: Andreas Kücha im Interview


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Höhlentauchen - keine Luft nach oben...

Max Brodbeck

Aktualisiert am 02.10.2013Lesedauer: 6 Min.
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Höhlentauchen: Faszination mit Risiko.Vergrößern des Bildes
Die Faszination beim Höhlentauchen ist immer mit einem gewissen Risiko gepaart. (Quelle: Andreas Kücha)

Faszinierende Gesteins- formationen, umspült von glasklarem, azurblauen Wasser sind die Welt von Andreas Kücha. Dafür unternimmt er Tauchgänge in Kilometer langen, von Wasser gefluteten Höhlensystemen. Er zählt zu Deutschlands besten und erfahrensten Höhlentauchern. Unweit seines Wohnortes taucht er im Blautopf auf der Schwäbischen Alb und erforscht die surrealen Welten im Unterwasser des Karstgesteins. Bei aller Faszination, Höhlentauchen birgt enorme Risiken: Im europäischen Blautopf genauso wie in den berühmten Tauchhöhlen Mexikos. Kücha erklärt sein gefährlich-faszinierendes Hobby. Sehen Sie mehr in unserer Foto-Show: Faszination Höhlentauchen.

Du bist Höhlentaucher. Was muss man sich darunter vorstellen?

Ich bin passionierter Entdecker und liebe es, unbekannte, neue Räume zu betreten, in denen vor mir noch kein Mensch war. Das ist es, was mich zum Höhlentauchen getrieben hat: Ich erforsche unterirdische, mit Wasser gefüllte Höhlensysteme und schaue, was hinter der nächsten Biegung auf mich wartet. Das fing an, als ich ungefähr 15 Jahre alt war. Ich hatte vom Mordloch, einer wasserführenden Höhle bei Geislingen (auf der Schwäbischen Alb, Anm. d. Red.), gelesen. Aus den Büchern wusste ich, dass unter der Wasseroberfläche ein Siphon, ein vollständig mit Wasser gefüllter Höhlenteil, wartete, durch den man tauchen konnte. Das reizte mich. Ich wollte sehen, wie es dahinter ausschaut.

Das klingt nicht gerade ungefährlich. Worin liegt die Hauptgefahr beim Höhlentauchen?

Als ich mich zum ersten Mal ins Mordloch wagte, war das Risiko überschaubar: Das war schon damals eine sehr bekannte Höhle. Es gab Literatur und ich wusste, was mich erwartet. Neben den Risiken, die auch beim Sporttauchen auftreten, birgt Höhlentaucherei besondere Gefahren. Die vielleicht am meisten unterschätzte ist die Orientierung: Beim Eintauchen in ein Siphon taucht man immer im klaren Wasser und hat in der Regel sehr gute Sicht. Aber am Höhlenboden lagert sich enorm viel Sediment, also Schlamm, ab. Der nimmt einem sofort die Sicht, wenn man ihn aufwirbelt. Das passiert schnell. Ein Flossenschlag, einmal mit dem Knie über den Boden gestreift – schon ist die Sicht und damit die Orientierung weg.

Wie sichert man sich gegen Orientierungsverlust ab?

Beim Höhlentauchen hat man immer eine Führungsleine dabei. Die wird draußen, außerhalb des Wassers oder im Flachen, an einem sicheren Fixpunkt angebracht. Beim Vordringen in die Höhle spult man Meter für Meter ab und kann sich entlang der Leine zurück bewegen. Das ist deshalb so wichtig, weil man natürlich auch Ruhe bewahren muss. Man kann schließlich nicht jederzeit auftauchen. Und Orientierungsverlust ist für ein ruhiges Verhalten nicht gerade hilfreich. Darum ist mein Grundsatz ganz klar: Man muss ins Höhlentauchen hineinwachsen. Das geht Schritt für Schritt und nicht von Heute auf Morgen.

Gibt es einen Merksatz, der für das Höhlentauchen ganz allgemein gilt? Wie lautet der?

Höhlentauchen erfordert immer Redundanz bei den technischen Geräten: Zwei getrennte Atemsysteme sind absolute Grundvoraussetzung. Wenn der Tauchgang länger dauert, benötigt man unter Umständen sogar drei autonome Systeme. Falls ein Gerät ausfällt, greift man kurzerhand zum nächsten Lungenautomat und kann für den Moment wieder beruhigt weiteratmen. Da Auftauchen in der Höhle als Option ausfällt, gilt in einem solchen Fall ganz eindeutig: Umkehren. Sofort!

Klingt so, als berge die Ausrüstung, besonders die Geräte für die Sauerstoffversorgung unter Wasser, das größte Risiko beim Höhlentauchen?

Nein, keineswegs. Angenommen, ich plane einen Tauchgang von etwa zehn Stunden. Dann habe ich bis zu acht Flaschen mit Atemluft dabei. Die Wahrscheinlichkeit, dass da etwas schief geht und alle Systeme versagen, ist sehr gering. Die Luftversorgung ist also nicht das Problem. Dank moderner Trockentauchanzüge ist auch die Kälte keines und Licht hat man in der Regel in dreifacher Ausführung dabei. Das Hauptproblem ist der Mensch!

Das heißt wiederum, dass Höhlentauchen viel Erfahrung voraussetzt. Welche?

Das Wichtigste ist freilich Erfahrung mit dem Medium Wasser und beim Sporttauchen. Dadurch kennt man die Tauchgrundregeln und weiß seine Ausrüstung zu bedienen. Dann braucht man eine gewisse körperliche Fitness, da oftmals allein der Weg bis zum Tauchgang schon beschwerlich ausfällt. Und als nasser, müder Sack macht man sich in einer Höhle nicht besonders gut, sondern womöglich nur folgenschwere Fehler. Ganz essentiell ist auch, dass man keine Platzangst hat. Man muss sich in Höhlen wohlfühlen. Wer weiß, dass er da zur Panik neigt, begibt sich unnötig in Gefahr.

Kann man Höhlentauchen unter Anleitung lernen?

Zwar habe ich mir die Höhlentaucherei selbst angeeignet, aber als ich anfing, gab es so gut wie keine Möglichkeit, den Einstieg unter Anleitung zu wagen. Heute kann man Höhlentauchen glücklicherweise erlernen. Es gibt Anbieter und Kurse mit einem Höhlentauchschein-Abschluss. In Frankreich und Italien gibt es klassische Lern-Reviere. Da ist auch das Wasser ein wenig wärmer als hierzulande. Auch in Mexiko und Florida gibt es tolle Reviere. Man darf als Höhlentaucher jedoch nie denken: Kennst uu eine, kennst uu alle! Die Bedingungen unterscheiden sich mitunter sehr. In Mexiko sind die Höhlen sehr verzweigt und durch die Geologie labyrinthisch angeordnet. In Floridas Tauchhöhlen dagegen treten sehr starke Strömungen auf.

Für Einsteiger: Was für Ausrüstung muss man auf einen Höhlentauchgang mitnehmen?

Wie schon einmal erwähnt: Redundanz hat oberste Priorität. Absolutes Minimum sind deshalb zwei Atemgeräte, besser sogar drei. Genauso gehören drei Lichtquellen zur absoluten Basisausrüstung. Abhängig vom Revier benötigt man außerdem einen Trockentauchanzug. In Florida und Mexiko tut es auch ein Neoprenanzug, wenn man keine allzu langen Tauchgänge unternimmt. In den letzten zehn, fünfzehn Jahren ist technisches Tauchen sehr populär geworden: Sogenannte Kreislaufgeräte recyceln die Ausatemluft und ermöglichen sehr lange Tauchgänge. Allerdings gilt für diese Ausrüstung wie für alles bei der Höhlentaucherei: Man muss sich langsam daran gewöhnen und reinwachsen...

Stichwort Hineinwachsen: Wie lange tauchst du schon und seit wann tauchst du in Höhlensystemen?

1985 begann meine Karriere. Ich bin ja direkt in die Höhlentaucherei eingestiegen, habe aber natürlich auch immer wieder in Sporttauch-Revieren trainiert. Nach und nach bin ich sprichwörtlich immer weiter abgetaucht, bis ich irgendwann auch die Erlaubnis bekam, im bekanntesten deutschen Höhlentauch-Spot, dem Blautopf auf der Schwäbischen Alb zu tauchen.

Der Blautopf ist eine große Quelle, das heißt dort gibt es Strömungen. Wie geht man damit um, wenn die Ausweichmöglichkeiten in der Höhle beschränkt sind?

Der Blautopf ist die Stelle, an der ein unterirdischer Fluss zu Tage tritt und als oberirdischer Fluss ‚Blau’ weiterfließt. Das Einzugsgebiet des unterirdischen Flusslaufes umfasst rund 165 Quadratkilometer. Wenn es in diesem Gebiet viel regnet, strömt entsprechend viel Wasser aus. Ausweichen geht an bestimmten Stellen natürlich relativ gut, an anderer Stelle wiederum gar nicht: Im Blautopf gibt es gleich zu Beginn eine circa ein auf zwei Meter große Öffnung, durch die man durchtaucht. Das geht bis zu einer Durchflussmenge von 4000 Liter Wasser pro Sekunde ohne größere Probleme. Kommt aber noch mehr Wasser, ist der Düseneffekt der ‚Tür’ zu groß und Durchtauchen unmöglich.

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Was war dein bisher längster Höhlentauchgang? Wie viele Stunden oder Kilometer warst Du unterwegs?

Meinen längsten Höhlentauchgang, bei dem ich permanent unter Wasser war, erlebte ich in der Grotte Utopia auf Sardinien. Acht Stunden war ich unterwegs, ohne einmal die Wasseroberfläche zu durchbrechen. Streckenmäßig hatte ich meinen längsten Tauchgang in der Blauhöhle. Dort kommt es immer wieder vor, dass man eineinhalb Kilometer taucht und dann zum Höhlengeher wird, weil Teilstücke zu Fuß zu bewältigen sind. An die zehn Kilometer legt man in drei bis vier Tagen zurück und biwakiert unter Tage.

Man ist also völlig auf sich allein gestellt. Wie geht man da mit konkreten Gefahrensituationen um?

Wenn ein System ausfällt, dann bedeutet das den sofortigen Rückzug. Mangelnde Disziplin kann sich hier furchtbar rächen. Man muss immer im Hinterkopf behalten, das noch ein technischer Defekt auftreten kann. Von Reinhold Messner habe ich gelernt, dass der wichtigste Zeitpunkt der ist, an dem du erkennen MUSST, wann du umzukehren hast. Grundsätzlich gilt: Wer sich eisern an die Drittel-Regelung hält – ein Drittel Sauerstoff für den Hinweg, ein Drittel für den Rückweg und ein Drittel als Reserve – ist jedenfalls schon mal ganz gut unterwegs. Und ganz wichtig, wenn auch leichter gesagt als getan: Ruhe bewahren! In Stresssituationen verbraucht man unglaublich viel Sauerstoff.

Wie verabschieden sich Höhlentaucher untereinander? Gibt es eine Grußformel wie bei, sagen wir, Bergsteigern?

Da gibt es eigentlich nichts. Vielleicht: Gut Luft!

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