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Bergsteiger Stephan Siegrist im Interview: "Ich bin kein kein Held"


Aktiv- & Skiurlaub
Alpinist Stephan Siegrist ist "kein Held"

Ein Porträt von Johanna Stöckl

14.03.2013Lesedauer: 4 Min.
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Bergsteiger und Allrounder Stephan Sigrist.Vergrößern des Bildes
Ein Allrounder am Berg: Stephan Sigrist klettert nicht nur im Fels, am Eis oder Mixed, nein, er wagt sich auch auf Highlines in tausenden Metern Höhe. (Quelle: visualimpact.ch/Thomas Senf (Porträt), Thomas Ulrich (Highline))

Auf allen sieben Kontinenten hat er Berge erstbestiegen. Seine spektakulären Expeditionen führten ihn nach Nordindien, Nepal, Nordamerika, in die Antarktis, nach Südafrika und Patagonien. Aber auch in den großen Wänden der Alpen hat er seine Spuren hinterlassen. Alleine durch die Nordwand seines Hausberges, dem 3970 Meter hohen Eiger, ist er in unterschiedlichsten Routen 29 Mal geklettert. Der Schweizer Allrounder gehört zur Weltspitze im Alpinismus. Ob Bigwall-, Fels-, Eis- oder Mixedklettern – Stephan Siegrist verbindet alle Disziplinen. Jetzt hat er ein neues Buch herausgebracht, in dem er über seine Erlebnisse in den Bergen erzählt. Sehen Sie in der Foto-Show Ausschnitte aus dem Buch „Stephan Siegrist - Unterwegs zwischen Himmel und Erde".

Stephan Siegrist und die hohen Berge

Obwohl Stephan Siegrist von Kindesbeinen an sportelt, steht er verhältnismäßig spät auf seinem ersten Gipfel. Seine Eltern, mit denen er heute in der Nähe von Interlaken in einem schmucken Häuschen unter einem Dach lebt, liebten zwar Spaziergänge und leichte Wanderungen, mieden aber die hohen Berge. Erst mit 14 Jahren steht Siegrist nach einer Skitour mit Freunden im Berner Oberland auf seinem ersten Gipfel, der großen Scheidegg. Er bleibt skeptisch: „Was für ein Aufwand für eine kurze Abfahrt!“ Kurze Zeit später entfacht der Besuch eines Alpinkurses seine Leidenschaft fürs Klettern.

Dass er zwölf Jahre später vom Bergsteigen leben würde, war nicht absehbar. Am allerwenigsten für Vater Siegrist. Nach dem Abschluss einer Zimmermannslehre sollte Stephan im elterlichen Betrieb arbeiten und ihn im Idealfall auch übernehmen. Heute ist der Vater stolz auf seinen Sohn: „Trotz seiner Erfolge ist er immer bescheiden geblieben.“

Bergsteiger oder Unterwäschemodel?

Angesprochen auf Siegrist scherzt ein Schweizer Bergführer in einem Interview: „Super Typ, der Steph, sehr sympathisch. Nach einer harten Bergtour und durchzechten Nacht sieht der immer noch aus wie ein Unterwäschemodel beim Shooting. Wie macht er das bloß?“ Steht man Siegrist zum ersten Mal leibhaftig gegenüber, muss man dem Kollegen beipflichten. Fesch ist er. Dass Siegrist 40 Jahre alt ist, sieht man ihm nicht an. Er wirkt deutlich jünger. Seine blonden Haare trägt er in einem frechen Kurzhaarschnitt, lässig sieht er aus in seinen sportlichen Klamotten. Die Freundlichkeit, die er einem entgegenbringt, wirkt nicht gespielt, sondern echt. Gute Manieren hat er auch. Zur Begrüßung steht er immer auf. Sein fester Händedruck verrät, dass mehr in ihm steckt.

Von Kletteranfängen und Erstbesteigungen

Kaum waren Schule und Lehre abgeschlossen, hielt es den 19-jährigen Siegrist weder in der Werkstatt noch zu Hause. Per Bahn und mit geborgtem Equipment ging es 1993 erstmalig auf „Expedition“ nach Chamonix. Erste schwierige Routen gelingen. Im gleichen Jahr auch die Winterbegehung der Eigernordwand. Wenn Siegrist an damals denkt, schüttelt er den Kopf: „Wir waren unheimlich leistungsstark und motiviert. Regeneration war ein Fremdwort. Wir kletterten ohne Unterlass, einfach pausenlos.“

25 Jahre ist er alt und seinem Vater eine Entscheidung schuldig, die 1997 endgültig pro Berge ausfällt, indem Siegrist die Bergführerprüfung absolviert und seine Leidenschaft zum Beruf macht. Als Siegrist 1999 vor laufender Kamera durch die Eiger Nordwand steigt und dies im deutschsprachigen Raum live im Fernsehen übertragen wird, zieht dies ein enormes Medienecho nach sich. Noch im selben Jahr gelingt Siegrist die erste Winterbegehung der Ferrari Route am Cerro Torre in Patagonien, was in der Bergsportszene große Aufmerksamkeit erzeugt und seinen endgültigen Durchbruch bedeutet.

Auf allen vier Spitzen des Cerro Torre Massiv

Die bizarren Felsformationen des Cerro Torre Massivs üben auf Siegrist eine dauerhafte Faszination aus. Immer wieder zieht es ihn nach Patagonien. Heute gehört der Schweizer zur erlesenen Auswahl jener Kletterer, die bereits auf allen vier Spitzen des Cerro Torre Massivs, dem Punta Herron, Cerro Standhardt, Torre Egger und Cerro Torre selbst, standen. Nicht nur im Sommer. Als Siegrist im Winter 2012 den Gipfel des Cerro Standarth besteigt, verbucht er einen weiteren Superlativ für sich: Er ist der erste Bergsteiger, dem die drei Hauptgipfel des Cerro Torre Massivs auch im Winter gelungen sind.

Bergsteiger mit einer Schwäche

Siegrist, dessen alternativer Traumjob der eines Helikopterpiloten wäre, beschreibt in seinem ersten Buch „Balance zwischen Berg und Alltag“ wie schwer es phasenweise ist, alles unter einen Hut zu bekommen: die vielen Termine, Vorträge, Training, Pressearbeit, Sponsorentermine, Interviews, Shootings, Planung der Expeditionen et cetera. Private Ziele kämen da gelegentlich zu kurz. Über sich selbst sagt er: „Nein zu sagen fällt mir schwer. Ich versuche es immer allen Recht zu machen.“ Das sei seine Schwäche. Urlaub im klassischen Sinne macht er erst, seit er mit seiner Partnerin aus Kanada liiert ist. Mit Niki, die Sohn Reef mit in die Ehe brachte, ist Siegrist seit 2011 verheiratet. Der gemeinsame Sohn Xavier kam ebenfalls 2011 zur Welt.

Ob er sich schon einmal in die Rolle eines anderen Spitzensportlers geträumt hätte, wie etwa Landsmann Roger Federer, der - an der Weltspitze angekommen - finanziell ausgesorgt hat? Auch hier ist Siegrist ehrlich: „Je älter ich werde, umso häufiger plagen mich auch Existenzängste. Mein Beruf ist kurzlebig und obendrein gefährlich. Meine Zukunft ist nicht wirklich gesichert. Dieses Problem hat Federer nicht.“ Mehr als um das Geld beneide er Sportler anderer Disziplinen aber um deren Manager und Betreuer. „Wenn einem alles abgenommen wird, man sich auf den Sport konzentrieren kann, das ist wahrer Luxus.“

„Ich bin kein Held. Ich bin einer unter vielen“

Spricht man mit Siegrist über sein Leben als Profialpinist, spürt man schnell, welcher Ausnahmesportler einem gegenübersitzt. Nicht nur der beeindruckenden Erfolge wegen. Auch menschlich ist der Schweizer eine Rarität. Er ist angenehm bescheiden und sieht sich nicht als Star: „Ich bin kein Held. Es gibt so viele gute Bergsteiger. Ich bin einer unter vielen.“

Das ist natürlich untertrieben. Neben alpinen Erfolgen beeindruckt Siegrist auch regelmäßig durch spektakuläre Projekte auf der Highline oder als Basejumper. Am 15. Juni 2009 steht Siegrist auf dem „Pilz“, einem Felsvorsprung im westlichen Teil der Eigernordwand. Als erster Bergsteiger ist Siegrist in freier Kletterei durch die Route „Magic Mushroom“ geklettert. Es folgt ein Basejump – 1000 Meter in die Tiefe.

In Kürze bricht Stephan Siegrist gemeinsam mit David Göttler, Michi Wärthl, Daniel Bartsch und Hansi Mitterer zum 8475 Meter hohen Makalu auf. Auf den Gipfel des fünfthöchsten Berges der Welt wollen die Männer über den Westpfeiler im Alpinstil klettern.

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Weitere Informationen zu Stephan Siegrist: www.stephan-siegrist.ch

„Unterwegs zwischen Himmel und Erde“, Stephan Siegrist und Christian Ewers, Delius Klasing, ISBN 978-3-7688-3586-2, 39,90 Euro, erhältlich unter: www.delius-klasing.de

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