"The Book of Unwritten Tales" im Spieletest: Grübeln unter Gnomen

Jedes Jahr wird es aufs Neue totgesagt: Das klassische Point & Click-Adventure, in dem es nicht um hektische Action, sondern um Knobeleien und Kopfnüsse geht, hat einen schweren Stand. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger - und das vor allem in Deutschland. Nach Adventure-Hits “Made in Germany“ wie Jack Keane, Ankh oder jüngst Ceville hat nun das Bremer Entwicklerstudio King Art mit dem augenzwinkernden Rätsel-Märchen The Book of Unwritten Tales für PC ein heißes Eisen im Spielspaß-Feuer.

Helden wider Willen

Um hinter das Geheimnis eines mächtigen Artefakts zu kommen, das den Krieg gegen die Schatten-Armee beenden könnte, wechselt der Spieler zwischen mehreren Charakteren hin und her. Bald besteht die illustre Helden-Truppe aus vier grundverschiedenen Typen, von denen einer seltsamer ist als der andere: Diplom-Magier Wilbur Wetterquarz interessiert sich - ganz untypisch für seine Gattung - nicht für Technik und Maschinen, sondern für das Abenteuer. Ivodora Eleonora Clarissa, kurz Ivo, gibt die heißblütige Elfen-Sexbombe der Gruppe - natürlich stilecht in knappes Leder gehüllt. Die Rolle des klassischen Schwertkämpfers übernimmt der Freibeuter Nathaniel Bonnet. Ihm zur Seite steht das “Vieh“ - ein namen- und beinloses Fellbüschel in lieblichem Rosa, das mit seinen Glubschaugen die anderen Teamkameraden immer ganz genau im Blick behält. Je nach Spielsituation entscheiden sich Fantasy-Fans für den passenden Spielcharakter, um die rund 150 Kopfnüsse zu knacken. Während sich das "Vieh" etwa problemlos durch enge Ritzen zwängen kann, lassen sich andere Rätsel nur im Verbund lösen. Der Wechsel zwischen den Helden geschieht bequem mit nur einem Mausklick. Um die bunte Fantasy-Welt komplett zu erforschen, muss man also die Fähigkeiten seiner Schützlinge optimal kombinieren und oftmals um die sprichwörtliche Ecke denken.

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Klischee olé!

Besonders auffällig an The Book of Unwritten Tales ist der erfrischende Humor, mit dem gängige Fantasy-Klischees durch den Kakao gezogen werden. So moniert der frustrierte Tod höchstpersönlich, dass man sich als Spieler ja eigentlich keine großen Sorgen machen müsse - immerhin könne man in einem Adventure doch ohnehin nicht sterben. Und damit es gleich von Anfang an klar ist: "In einem guten Spiel hat man 100 Ratten erschlagen, bevor man Level zwei erreicht!" - ein verschmitzter Seitenhieb gegen Rollenspiel-Monster wie Oblivion, in denen man gleich am Anfang wahre Rattenhorden erledigen muss. Das Spiel mit den Konventionen bedeutet aber nicht, dass die Entwickler ihr Baby nicht ernst nehmen. Im Gegenteil: Grafisch beeindrucken die detaillierten Charaktere mit lebhafter Mimik und realistischer Echtzeitbeleuchtung. Auch die Ohren des Spielers werden verwöhnt: Ein orchestraler Soundtrack versteht sich fast schon von selbst, die hochkarätige Sprecherriege verdient allerdings besondere Erwähnung. Die deutschen Stimmen von Angelina Jolie, Whoopie Goldberg, John Cleese oder Wolfgang “Captain Blaubär“ Völz verleihen den vielen abgedrehten Charakteren den letzten Akustik-Pfiff. Schließlich lebt ein Spiel wie Unwritten Tales vor allem von der Inszenierung und der Atmosphäre.

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Fazit

Abenteuerspaß aus deutschen Landen: Die ambitionierte Fantasy-Parodie avanciert dank sauberer Technik und skurrilem Humor zu einem echten Knobel-Geheimtipp. Vor allem die vielen durchgeknallten Protagonisten und das “Spielfigur wechsel dich“-Feature sorgen für viel Spaß am heimischen Monitor und bieten Unterhaltung auf die schräg-humorvolle Tour. Wo sonst kann man einer senilen Mumie begegnen, die noch immer denkt, sie würde mit einem Gremlin in einer WG leben?