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"Der HSV wird in jedem Spiel gejagt werden"


Ex-Trainer Zinnbauer
"Der HSV wird in jedem Spiel gejagt werden"

  • David Digili
InterviewVon David Digili

01.07.2018Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Kritischer Beobachter: Joe Zinnbauer (r.) verfolgt seinen Ex-Klub HSV weiter.Vergrößern des Bildes
Kritischer Beobachter: Joe Zinnbauer (r.) verfolgt seinen Ex-Klub HSV weiter. (Quelle: imago-images-bilder)

Hamburgs Ex-Trainer Joe Zinnbauer spricht über den Abstieg des HSV, die schlimmsten Fehler des Klubs in den letzten Jahren – und erklärt, wie hart die 2. Liga werden kann.

Joe Zinnbauer kennt den Hamburger SV in- und auswendig. Knapp zwei Jahre war der 48-Jährige auf unterschiedlichen Ebenen Trainer bei den Hansestädtern, betreute 2014/15 für 24 Bundesligaspiele auch die Profis. Auch in die Jugendarbeit der Hanseaten war Zinnbauer eingebunden – und verfolgt den Verein auch nach dem dramatischen Abstieg mit Leidenschaft.

Im Interview bei t-online.de spricht Zinnbauer über die Herausforderungen des HSV in der 2. Liga, den sportlichen Absturz der letzten Jahre – und erklärt, was ihn optimistisch stimmt.

t-online.de: Herr Zinnbauer, wie haben Sie den Abstieg Ihres Ex-Klubs erlebt?

Joe Zinnbauer (48): Man hat es ja die letzten Jahre schon kommen sehen, und jetzt ist es leider passiert. Da ich auch in Hamburg lebe und dadurch nah am Verein bin, ist es natürlich umso trauriger. Denn erstens gibt es so keine Bundesliga mehr in Hamburg, und zweitens habe ich für den Klub gearbeitet. Man kennt noch viele Leute, der Co-Trainer war ja früher auch mein Co-Trainer. Das tut mir für alle einfach wahnsinnig leid.

Dabei blieb der Relegationsplatz ja noch lange möglich…

Es hat mich unheimlich gefreut, dass bis zum Ende doch noch die kleine Möglichkeit da war, es doch noch zu schaffen, auch wenn es dann nicht geklappt hat. Obwohl man abgestiegen ist, hatte man doch das Gefühl, dass auch der Verein noch mal aufgewacht ist, dass jetzt auch eine gewisse Aufbruchstimmung da ist.

Die Stimmung hatte sich am Ende ja auch noch mal zugunsten der Mannschaft gedreht…

Ja, und ich glaube, wenn man weitergemacht hätte wie die ganze Saison und schon ein paar Wochen vor Ende abgestiegen wäre, dann hätte man auch im ganzen Verein noch Schwierigkeiten bekommen.

Was meinen Sie genau?

Vielleicht Vereinsaustritte oder Sponsoren, die aussteigen. Aber so hat man das Gefühl: Da kommt wieder was! Denn auch die Mannschaft hat noch mal mitgezogen, hat gezeigt, dass sie will.

Ein Verdienst, der besonders Trainer Christian Titz zugesprochen wird…

Man hat es gesehen. Er hatte auch nicht den großen Druck, im Grunde konnte er nur gewinnen. Er hat aber die Mannschaft auch dahin bekommen, dass sie noch mal wollte, und das war sicher nicht einfach.

Was waren für Sie die maßgeblichen Veränderungen?

Er hat viele erfahrene Spieler rausgenommen, teilweise auch auf die Tribüne gesetzt, und hat noch mal in den anderen ein Feuer entfachen können. Jetzt muss man aber schauen, ob die Spieler ihm auch weiterhin folgen und seine Handschrift bleibt. Jedes Spiel wird genau untersucht werden. Denn wenn es jetzt mal zwei, drei Spiele nicht so funktionieren sollte, ist gleich wieder Unruhe da.

Die gewohnt schwierige Situation...

Ich bin mir sicher, dass der Verein und die sportliche Leitung um Bernhard Peters wissen, was auf sie zukommt und eine schlagkräftige Mannschaft aufstellen müssen. Der Aufstieg ist Pflicht.

Die sofortige Bundesliga-Rückkehr wurde ja auch als Ziel ausgegeben.

Gerade das ist nun ja das Problem: Jetzt ist der Druck wieder da. Natürlich hatte Christian Titz auch Druck, allerdings mehr im Sinne von „Wir haben vielleicht noch mal die Möglichkeit“, nicht „Der reißt das jetzt herum“. Jetzt muss aber aufgestiegen werden, denn auch finanziell sind die meisten Vereine, die absteigen, nicht so aufgestellt, dass sie drei Jahre auf Rosen gebettet sind. Die Finanzkonzepte reichen meist maximal zwei Jahre. Und das muss der Verein wissen, dass es schwierig werden kann.

Sind die aktuellen HSV-Spieler denn die richtigen für den Aufstieg?

Auch das ist ein zweischneidiges Schwert. Man weiß noch nicht, wie die jungen Spieler in so einer Situation reagieren. Jetzt wird man sehen, wie es das Trainerteam hinkriegt, die Spieler auch im mentalen Bereich so zu unterstützen, dass sie diesen Druck bewältigen können. Aber vom Prinzip hat der HSV auch zu unserer Zeit damals den Weg eingeschlagen, mit jungen Leuten zu arbeiten.

Wo lag das Problem?

Der HSV hat damals schon den Ansatz gehabt, mit jungen Spielern zu arbeiten. Aber man muss die Jungs auch entsprechend fördern. Wenn sie irgendwann mal vor verschlossenen Türen stehen, dann werden sie abwandern. Da hatte man beim HSV schon einige Fälle, dass Talente gegangen sind und bei anderen Vereinen richtig gut aufspielten oder sogar europaweit auftauchten. Hamburg hat ein fantastisches Jugendzentrum aufgebaut und in vielen Altersklassen um den Titel mitgespielt. Jetzt muss man diesen Spielern auch die Chance geben, sich oben zeigen zu können.

Schwierig bei einem Klub wie Hamburg…

Ich habe es damals miterlebt: Wir hatten gute Spieler in den zweiten Reihen, auch in der A-Jugend schon und haben versucht, mit ihnen zu arbeiten – aber man hat uns einfach nicht die Zeit gegeben, obwohl das Konzept so da war. Man hat dann wieder alles umgeschmissen, was man für die Zukunft aufgebaut hatte. Wenn man das damals anders gemacht hätte, wäre es vielleicht eher zum Tragen gekommen, als erst jetzt durch den Abstieg. Deswegen sollte man diesen Weg jetzt einschlagen und dann auch konsequent durchziehen.

Oft hat man den Eindruck, dass Spieler nach einem Wechsel zum HSV nicht mehr an ihre alten Leistungen anknüpfen können…

Wir hatten damals einen aufgeblähten Kader mit 34 Leuten. Da haben viele Spieler auch mental nicht so funktioniert, wie sie es bei anderen Vereinen getan hätten. In Freiburg, Mainz ist der Druck ganz anders als in Hamburg. Da reisen die Gegner auch schon mit einer ganz anderen Einstellung ein. Deswegen muss die Einkaufspolitik auch dahin gehen, dass man „mentale Spieler“ holt.

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Also eine durchdachtere Transferpolitik?

Genau. Man sollte nicht mehr darauf schauen: „Was hat der mal erreicht? Aha, den nehmen wir mal mit rein.“ Es müssen Spieler sein, die eine junge Mannschaft führen können. Das ist die Kunst: Um die jungen Spieler herum eine Führungscrew zu bauen. Das ist dann doch auch der Weg, dass diese Mentalität weitergegeben werden kann. Ein Gideon Jung zum Beispiel…

…der mit 19 Jahren zum Verein kam…

Der ist auf einem sehr, sehr guten Weg dahin. Der kann so eine Rolle annehmen. Aber um seine Entwicklung voranzutreiben, braucht er einen Spieler, der ihn an die Hand nimmt. Und das hat der HSV nie so auf den wichtigen Positionen gehabt, finde ich.

Es hat der klare Plan gefehlt…

Das ist ja aber auch kein großes Wunder. Wenn man sich die Trainer anschaut, die Manager anschaut, auch die Vorstandsvorsitzenden: Wo ist da ein Weg, der mal über längere Zeit mit einem Verantwortlichen geführt hat?

Stattdessen gab es ständig Wechsel in den Führungspositionen.

Der eine Trainer kommt und will gleich neue Spieler haben, der nächste Trainer will drei von den alten nicht, aber dafür vier neue. Dann sagt ein Manager wieder: „Ich hätte da auch noch einen Spieler“, und ein Vorstandschef sagt „Ich möchte den und den“ – der Verein war immer unrund. Da war nie eine klar ausgerichtete Linie zu sehen, die es bei so einem Verein eigentlich geben müsste.

Jetzt schaut es ja besser aus…

Wir werden sehen, was passiert. Denn eins ist auch klar: Wenn es nicht so läuft und der HSV drei, vier fünf Spiele in Folge nicht gewinnt, dann bin ich gespannt.

Für junge Spieler kann es auch eine durchaus undankbare Situation sein, bei der Erwartungshaltung…

So, wie ich es mitbekommen habe, wurde es von den Fans begrüßt, dass jetzt junge Spieler ihre Chance bekommen. Zu meiner Zeit hatten wir 16, 17 Nationalspieler, aber auch die haben es nicht hinbekommen, wie man sich das vorgestellt hat. Ich glaube, dass die Fans nun denken: „Wenn wir es mit denen nicht geschafft haben, dann versuchen wir es jetzt mit jungen Spielern.“ Aber…

Ja?

…natürlich kann es dann auch sein, dass man ein paar Spiele verliert. Wir haben damals damit angefangen, nach langer Zeit wieder jüngere Spieler zu den Profis zu holen. Da wurde am Anfang applaudiert, aber als es dann mal nicht so lief, wurde gesagt „Na, mit so vielen jungen Spielern kann es ja nicht klappen.“ Das ist ein ganz schmaler Grat. Man muss einfach die Ergebnisse bringen.

Was erwartet Hamburg in der 2. Liga?

Die 2. Liga ist von Härte und Physis her nicht mit der Bundesliga zu vergleichen. Das soll aber kein Qualitätsurteil sein, der Fußball ist einfach anders, körperbetonter, die Gegner stehen tiefer. Daher kommt es darauf an: Wenn Hamburg wieder aufsteigen will, müssen sie einen erstligatauglichen Kader aufbieten.

Das wird nicht einfach...

Es wird kein Spaziergang. Neben Hamburg ist nun auch Köln wieder in der 2. Liga, dazu gibt es immer ein Überraschungsteam, so wie Kiel in der abgelaufenen Saison. Und auch noch andere Mannschaften, die aufrüsten werden. Der HSV und auch Köln werden in jedem Spiel gejagt werden.

Schafft der HSV trotzdem den direkten Wiederaufstieg?

Ja. Der Verein gehört in die erste Liga. Und außerdem hat man nun offenbar endlich erkannt, dass man andere Wege gehen muss, um langfristig erstklassig zu bleiben. Stuttgart hat es letzten Endes auch gut getan.

Welche jungen Spieler könnten den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung machen?

Ito zum Beispiel, den ich noch selbst aus der HSV-Jugend kenne. Der hat wahnsinnig viele Qualitäten. Ich war überrascht, mit welchem Selbstvertrauen er gespielt hat. Besonders gefreut habe ich mich auch über Jung, der Verantwortung übernommen hat. Vor allem wegen einer Szene…

Das müssen Sie erklären.

Als Stuttgarts Ginczek im Spiel gegen den HSV jubelte wie damals Nicolai Müller, der sich dabei schwer verletzte, da hat man gesehen, wie Gideon ihn zur Rede stellte. Ginczek hat danach erklärt, dass er das so nicht wollte. Aber man hat bei Gideon gemerkt, dass er in seine Rolle hineinwächst.

Sie haben mal in einem Interview gesagt: „Wenn du den HSV trainiert hast, kannst du vieles mitnehmen.“ Was haben Sie mitgenommen?

Zu meiner Zeit hieß es noch: „Der HSV ist untrainierbar“ – und so ist der Eindruck heute noch. Meine Auffassung war: Das, was man bei einem Verein normalerweise in drei Jahren erfährt, erlebt man in Hamburg in einem Jahr – positiv wie negativ.

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