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Champions League: FC Bayern ist raus – jetzt stehen die Bosse im Fokus


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City offenbart große Probleme
Jetzt stehen die Bayern-Bosse im Fokus

MeinungVon Julian Buhl

Aktualisiert am 20.04.2023Lesedauer: 7 Min.
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Oliver Kahn: Der Vorstandsboss will jetzt "vieles überdenken" beim FC Bayern.Vergrößern des Bildes
Oliver Kahn: Der Vorstandsboss will jetzt "vieles überdenken" beim FC Bayern. (Quelle: IMAGO/Gladys Chai von der Laage)

Das Aus im Viertelfinale der Champions League gegen Manchester City hat die Probleme beim FC Bayern schonungslos offengelegt. t-online erklärt, welche das genau sind.

Vom FC Bayern berichtet Julian Buhl aus München

Das Wunder von Fröttmaning ist ausgeblieben. Mit dem 0:3 im Hinspiel bei Manchester City war die Hypothek für den FC Bayern am Ende zu groß, um sie im Rückspiel, das 1:1 endete, noch aufzuholen. Damit ist die Champions-League-Saison für die Münchner zum dritten Mal in Folge vorzeitig im Viertelfinale beendet.

Nach dem überraschenden Pokal-Aus gegen Freiburg (1:2) haben sie damit bereits den zweiten Titel dieser Saison verspielt – es bleibt nur noch die Meisterschaft. Für die hohen Ansprüche der Münchner ist das zu wenig, insbesondere nach der Solomeisterschaft im vergangenen Jahr.

Für die Verantwortlichen des Klubs ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, Bilanz zu ziehen. Denn insbesondere das Viertelfinalduell mit City hat zahlreiche Probleme der Bayern schonungslos offengelegt. t-online erklärt, welche das genau sind.

Der Trainerwechsel ist verpufft

Weil sie die Saisonziele als gefährdet erachteten, sahen sich die Bosse vor knapp vier Wochen dazu veranlasst, Julian Nagelsmann rauszuwerfen und Thomas Tuchel als neuen Chefcoach zu verpflichten. In der Kommunikation des Trainerwechsels machten sie keine gute Figur. Und der erhoffte positive Effekt blieb ebenfalls aus.

Im Gegenteil: Unter Tuchel ist genau das eingetreten, was sie unter Nagelsmann befürchtet hatten. Innerhalb von zwei Wochen haben sie zwei Titel verspielt. Mit nur zwei Siegen in seinen ersten sechs Spielen erlebte er den schlechtesten Start eines Bayern-Trainers seit Sören Lerby 1991. "Tuchel kann auch nicht Hand auflegen und dann ist alles besser", sagte Präsident Herbert Hainer. Auch Vorstandsboss Oliver Kahn verteidigte die Entscheidung.

Die vergangenen Spiele hätten gezeigt, "dass es einige größere Stellschrauben gibt, an denen Thomas drehen muss", so Kahn. "Wir sind total überzeugt, dass wir mit Thomas Tuchel früher oder später wieder dort sind, wo wir alle hinwollen, nämlich ganz nach oben – auch in Europa."

Tuchel geht nun aber nicht mehr unvorbelastet, sondern mit einem Makel in diese Mission. In der aktuellen Saison muss er retten, was noch zu retten ist. "Jetzt gilt die volle Konzentration dem Titel, den wir noch gewinnen können in dieser Saison", betonte Kahn, "das ist die deutsche Meisterschaft." Und Kahn schickte auch gleich noch eine Kampfansage hinterher: "Wir werden in der nächsten Saison wieder angreifen."

Video | Expertin offenbart: Deshalb hat Tuchel gute Chancen
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Quelle: t-online

Der Kader ist überschätzt

"Wir haben über 20 Nationalspieler in unserem Kader, an der sportlichen Qualität liegt es sicher nicht", behauptete Kahn. t-online-Kolumnist Stefan Effenberg hält dagegen. Der Marktwert des Kaders des FC Bayern liegt laut transfermarkt.de bei rund 980 Millionen Euro. "Man muss den Kader des FC Bayern, der fast eine Milliarde Euro wert ist, durchleuchten und hinterfragen, ob die hochgesteckten Ziele damit überhaupt erreicht werden können", sagte Effenberg zuletzt. Innerhalb des Luxuskaders sind in den Duellen mit City gleich mehrere Baustellen offensichtlich geworden.

Bayern hat den Lewandowski-Abschied nicht verkraftet

Eine Haupterkenntnis, zu der nach den Duellen mit City auch die Klubbosse gekommen sind, ist, dass Bayern den Abschied von Robert Lewandowski im Sommer nicht verkraftet hat. Über weite Strecken der Saison funktionierte die Offensive gut, unter Nagelsmann durchbrachen die Münchner als erstes Team in Europa die Marke von 100 Pflichtspieltreffern.

In der entscheidenden Saisonphase holte die Bayern der Verlust ihres Topstürmers dann aber umso mehr ein. Weil der 34 Jahre alte Eric Maxim Choupo-Moting mal wieder verletzt fehlte, stand Tuchel im Hinspiel in Manchester kein einziger Mittelstürmer zur Verfügung. Im Rückspiel konnte Choupo-Moting genau wie die gesamte Offensive nicht überzeugen. Bayern wartet nun seit über knapp 500 Minuten auf ein Tor eines Angreifers.

"Wir haben im Vorfeld dieser Saison alles versucht, die Neun nachzubesetzen. Auch mit einer Neun, die wir heute gesehen haben – nur leider nicht bei uns", sagte Kahn und spielte damit auf den geplatzten Transfer von Erling Haaland an. "Wir beschäftigen uns jeden Tag mit dieser Position", so der 50-Jährige weiter, "nur ist diese Position nicht so einfach nachzubesetzen. Eine Nummer neun wie Robert Lewandowski kann man nicht irgendwo finden. Das ist eine Preisfrage."

Auch Hainer stellte fest: "Uns fehlt im Moment der Torjäger, der vorne die Dinger reinmacht." Das sei das, was die Bayern in Zukunft bräuchten. "Gehen Sie davon aus, dass wir den Kader so verstärken, dass wir um die Meisterschaft und Champions League mitspielen können." Das könnte ziemlich teuer werden.

Diese Bayern-Abwehr gewinnt keine Titel

Vor dem Viertelfinale war Bayern in acht Champions-League-Spielen siebenmal ohne Gegentor geblieben, hatte lediglich zwei Gegentore zugelassen. Gegen City fiel die Abwehr dennoch auseinander. Hauptverantwortlich war dafür Dayot Upamecano. Schon im Hinspiel leistete er sich mehrere Patzer, von denen einer zum zweiten Gegentor führte.

Am Mittwochabend hatte er zunächst noch Glück, dass Haaland vor seiner Notbremse leicht im Abseits stand und der Schiedsrichter die Rote Karte deshalb wieder zurücknahm. Anschließend verursachte er aber den Handelfmeter und machte Haaland mit seinem Ausrutscher vor dem 0:1 die Bahn frei. "Er hat gut gespielt und dann passieren ihm so zwei Dinger. Er ist wirklich der Pechvogel im Moment", sagte Hainer. "Aber keine Sorge, wir bauen ihn schon wieder auf."

Upamecano spielte bis zum Viertelfinale gegen City eigentlich eine starke Saison. In den alles entscheidenden Spielen war er allerdings kein Stabilisator, sondern ein Sicherheitsrisiko für die eigene Mannschaft. Fraglich, ob sich die Münchner das zukünftig weiter leisten können. Mit dieser Abwehr gewinnt Bayern jedenfalls keine Titel.

Sommer ist kein Neuer

Auch der im Winter für acht Millionen Euro als Ersatz für den verletzten Manuel Neuer verpflichtete Yann Sommer konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Schon gegen Paris Saint-Germain leistete er sich im Rückspiel einen folgenschweren Ballverlust im eigenen Strafraum – nur die sensationelle Rettungsgrätsche von Matthijs de Ligt verhinderte noch den Rückstand.

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Beim 0:3 in Manchester machte der Schweizer erneut nicht den sichersten Eindruck. Beim Gegentor zum 0:1 wurde besonders viel über den nur 1,83 Meter großen Torhüter (Neuer ist 1,93 Meter groß) und seine vermeintlich zu geringe Reichweite diskutiert. Sommer mag ein guter Torwart sein, aber er ist kein zweiter Neuer.

Es fehlen Führungsspieler

Was gegen PSG noch klappte, funktionierte gegen City überhaupt nicht. Joshua Kimmich und Leon Goretzka bekamen das Mittelfeld nicht unter Kontrolle. Nach Kingsley Coman (42) hatte Goretzka im Hinspiel die wenigsten Ballkontakte (46) aller Feldspieler. Kimmich kam auf 94 Ballaktionen und versuchte, auch im Rückspiel als Anführer der Mannschaft voranzugehen. Er übernahm auch beim Elfmeter, den er zum Ausgleich verwandelte, Verantwortung.

Ihm scheint ein defensivstarker, ballsicherer Sechser an seiner Seite zu fehlen, der das Spiel und dessen Tempo bestimmen kann. Einer, wie der zum FC Liverpool gewechselte Thiago es jahrelang und auch beim Champions-League-Sieg 2020 noch war. Bei dem Finalturnier in Lissabon rückte Kimmich damals allerdings auf die von ihm ungeliebte Rechtsverteidigerposition und überließ Thiago und Goretzka die Mittelfeldzentrale.

Coman stemmte sich im Rückspiel ebenfalls mit großem Einsatzwillen gegen das drohende Aus. Ansonsten scheint es der Mannschaft aber an weiteren Anführern zu fehlen. Kapitän Neuer wird vermisst, dessen Stellvertreter Thomas Müller saß in beiden City-Spielen nur auf der Bank.

Mentalitätsfrage und Problemfälle

"Zu wenig Wille, zu wenig Bereitschaft", monierte Kahn zuletzt in der "Sport Bild": "Jeder muss wissen, um was es in der entscheidenden Phase der Saison geht: zu zeigen, wer der FC Bayern ist." Bei diesem Versuch versagten die Münchner allerdings auf ganzer Linie. Auch Kimmich hatte dem Team zuletzt bereits die Charakterfrage gestellt.

Beim Rückspiel gegen Manchester hat Kahn immerhin erkannt, "wozu die Mannschaft fähig ist". Das kommende Ligaspiel am Samstag bei seinem ehemaligen Verein FSV Mainz 05 (Sa., 15.30 Uhr) werde laut Tuchel nun "auf jeden Fall eine Charakterprobe, ein Charaktertest".

Bei dem fiel Sadio Mané bereits in Manchester, wo er seinen Teamkollegen Leroy Sané in der Kabine mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben soll, gnadenlos durch. Findet er nicht schnell zurück zu seiner Form, die ihn beim FC Liverpool zum Weltstar gemacht hat, hat er im Sommer wohl keine Zukunft mehr in München. Mit einem Jahresgehalt von über 20 Millionen Euro gehört er dort zu den Spitzenverdienern – seine Leistung entspricht dem allerdings bei Weitem nicht.

Ähnliches gilt für Serge Gnabry, der zu Beginn des Jahres mit seinem Paris-Trip zur Fashion Week für Schlagzeilen gesorgt hatte und seitdem komplett außer Form ist. Seine Vertragsverlängerung im Sommer, mit der er bei Bayern in die oberste Gehaltskategorie aufstieg, muss rückblickend kritisch hinterfragt werden. Auch Sanés Leistungsschwankungen stellen die Verantwortlichen vor ein Rätsel, das Tuchel nun endlich lösen soll.

Die Kritik an den Bayern-Bosse wird lauter

Mit dem Trainerwechsel haben sich die Klubverantwortlichen selbst in den Fokus gerückt. Der Druck nimmt nach den verpassten Titelchancen nun weiter zu. Salihamidzic ist gemeinsam mit dem Technischen Direktor Marco Neppe hauptverantwortlich für die Zusammenstellung des Kaders. Im Sommer wurde er dafür noch gefeiert. Ehrenpräsident Uli Hoeneß sah im Mané-Deal, der 32 Millionen Euro plus neun Millionen möglicher Boni kostete, gar Salihamidzics "Meisterstück".

Rückblickend ist allerdings lediglich de Ligts Verpflichtung, dessen Ablöse mit Bonuszahlungen bis zu 77 Millionen beträgt, als gelungener Transfer zu werten. Ansonsten erfüllten viele Neuzugänge die hohen Erwartungen nicht. Ryan Gravenberch (18,5 Millionen Ablöse plus 5,5 Mio. möglicher Boni) ist bislang ein komplettes Missverständnis.

Auch Kahn agierte in seiner Rolle als Vorstandsboss bisweilen unglücklich. Nach dem Mané-Skandal äußerte er sich zum Beispiel lediglich via Twitter und überließ, wie in der Vergangenheit bereits häufiger, dem Trainer die alleinige öffentliche Kommunikation.

Auch Kahn hatte das wahrgenommen. "Ich weiß, wie das hier ist, wenn Ziele nicht erreicht werden. Ich bin ein sehr reflektierender Mensch", sagte er. "Nur im Moment habe ich wenig Zeit, darüber nachzudenken." In der Liga steht schließlich das letzte verbliebene Saisonziel schon am Samstag in Mainz auf dem Spiel. Das eigentlich Undenkbare ist auf einmal ein realistisches Szenario, es droht tatsächlich der bayerische Super-GAU: eine titellose Saison.

"Wir müssen schauen, dass wir diese Meisterchance jetzt nutzen", sagte Kahn abschließend, "und dann werden wir in aller Ruhe mal vieles, vieles überdenken, nachdenken und in uns gehen."

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Ex-Profi Jan Aage Fjörtoft, der mittlerweile als TV-Experte arbeitet, will bereits von möglichen Folgen erfahren haben. "Mir wurde gesagt, dass es 'ein laufendes Verfahren' und eine 'Frage der Zeit' gebe, bis Oliver Kahn, von seinem Amt entfernt werde", schrieb er auf seinem Twitter-Kanal. Laut Fjörtoft sei über eine Interimslösung mit Hainer als Vorstandsboss geredet und sogar über ein Comeback von Hoeneß diskutiert worden. Ausgeschlossen scheint beim FC Bayern in diesen Tagen wirklich gar nichts mehr zu sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Reporter vor Ort in der Allianz Arena bei Bayern gegen City
  • Interview mit Oliver Kahn in der Mixed Zone am 19. April
  • Interview mit Herbert Hainer in der Mixed Zone am 19. April
  • twitter.com/@JanAageFjortoft
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