FC Bayern München hat das Momentum nicht auf seiner Seite

Der Grat ist schmal. Das weiß auch Trainer Pep Guardiola. "Jetzt geht es um Leben und Tod", sagte der Spanier nach der 0:1-Pleite in Augsburg mit Blickrichtung auf das Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Manchester United (Mittwoch, ab 20.30 Uhr im Live-Ticker bei T-Online.de). Ausgerechnet in der heißen Saisonphase scheint der Triple-Sieger aus dem Tritt gekommen zu sein. An ein Ausscheiden gegen Rooney und Co. verschwendet allerdings niemand einen Gedanken. Doch wirklich gut stehen die Zeichen auf ein Weiterkommen derzeit nicht. Vorsicht Bayern!

Drei sieglose Pflichtspiele in Folge stehen in der jüngsten Bilanz der Münchner. Dem 3:3 gegen die TSG 1899 Hoffenheim folgte ein 1:1 bei Manchester United. Jetzt gab es gar beim 0:1 in Augsburg die erste Niederlage seit eineinhalb Jahren in der Bundesliga. Drei Spiele in Folge ohne Sieg: Das gab es bei den Münchnern schon lange nicht mehr. Zuletzt vor rund drei Jahren und Trainer Louis van Gaal.

Ein gefährlicher Gedanke im Hinterkopf?

Überhaupt zeigt die Leistungskurve der Bayern schon länger nach unten. Bereits vor den drei Spielen ohne Sieg tat sich der Rekordmeister beim 2:0-Sieg in Mainz schwer und glänzte auch beim Meisterspiel gegen Hertha BSC (3:1) nicht wirklich. Hat sich bei den anschließenden Feierlichkeiten klammheimlich der gefährliche Gedanke verankert, die nächste Triple-Saison sei ein Selbstläufer?

"Jede Mannschaft ist irgendwann Profiteur von einem Momentum oder Opfer“, sagt Jens Lehmann bei Sky. Der langjährige Nationaltorhüter und ehemalige Profi von Schalke 04, Borussia Dortmund und Arsenal London weiß genau, wovon er spricht. "Und das Momentum ist auf einmal weg", führt Lehmann zur aktuellen Situation der Bayern weiter aus. "Weil sie dreimal hintereinander nicht gewonnen haben. Sie haben schon Selbstvertrauen, aber wenn sie spüren, der Gegner ist hart, ist es auf einmal eine ganz andere Situation."

Mit 4:0-Sieg im Rücken nach München

Manchester United wird in der Allianz Arena mit einem Messer zwischen den Zähnen auflaufen. Zumal das Team von Coach David Moyes im Hinspiel gesehen hat, wie man den Bayern entgegentreten muss. Im Gegensatz zu den Gastgebern haben die Briten das Momentum auf ihrer Seite. Sie kommen mit einem 4:0-Erfolg im Rücken nach München. Bereits vor dem 1:1 gegen den FCB zog man Aston Villa mit 4:1 das Fell über die Ohren.

"Der Glaube, dass wir es in München schaffen können ist zurückgekehrt", sagte Verteidiger Phil Jones daher nach den letzten Erfolgserlebnissen mit breiter Brust. An der Säbener Straße dagegen, weiß man plötzlich wieder, wie sich eine Niederlage anfühlt.

ManU kann Saison auf einen Schlag retten

Manchester United dagegen, das im Jahr eins nach Alex Ferguson nur ganz schwer in Tritt gekommen ist, nimmt auf der Zielgeraden der Saison plötzlich Fahrt auf. Der Tabellensiebte der Premier League kann in der heimischen Liga doch noch die Teilnahme am Europapokal erreichen. Aber vor allem können sie die bisher so ernüchternde Saison auf einen Schlag mit einem Erfolg bei den Bayern in eine richtig gute verwandeln.

Während Manchester United gegen den Titelverteidiger nichts zu verlieren hat, steht beim FC Bayern das Wohl und Wehe der ganzen Spielzeit auf dem Spiel. So kompromisslos wie in diesem Jahr haben die Bayern noch nie den Fokus auf die Champions League gelegt. "Es geht nur um Mittwoch – alles andere ist egal", kommentierte Manuel Neuer die Niederlage in Augsburg.

Vier Spieler fehlen den Bayern

Doch ausgerechnet am Mittwoch fehlen eine Reihe wichtige Spieler. Bastian Schweinsteiger und Javi Martinez fallen gelbgesperrt aus, Thiago hat sich ebenso verletzt, wie in Augsburg Edeljoker Xherdan Shaqiri. Ein weiteres Zeichen, dass das von Lehmann angesprochene "Momentum" derzeit nicht bei den Bayern zu finden ist.

Auch wenn die Münchner aufgrund des Hinspiels mit einem hauchdünnen Vorsprung in die Partie gehen, wird es gegen die Ryan Giggs und Co. alles andere als ein Selbstläufer. "Manchester hat eine gewisse Erfahrung gegen Mannschaften von Guardiola, und je häufiger man gegen so ein System spielt, umso mehr lernen Spieler sich auszuruhen, wenn die gegnerische Mannschaft in Ballbesitz ist", mahnt Lehmann zur Vorsicht. "Es ist ja auch nicht so, dass Bayern bei dem ganzen Ballbesitz immer gefährlich ist."

Keine guten Erfahrungen mit Klubs von der Insel

Zumal die Bayern ohnehin keine guten Erfahrungen mit vermeintlich unterlegenen Teams von der Insel haben. Vom verlorenen "Finale dahoam" gegen den FC Chelsea ganz zu schweigen, standen die Münchner auch in der Vorsaison beim 0:2 im Achtelfinale gegen den FC Arsenal kurz vor dem Ausscheiden. Auch in dieser Saison tat man sich, ebenfalls im Achtelfinale, beim 1:1 gegen das Wenger-Team schwer.

Und jetzt kommt also Manchester United. Gerade beim FC Bayern weiß man, dass man es bei diesem Klub gewöhnt ist, bis zur letzten Sekunde um den Sieg zu kämpfen. Allerdings gibt es in jeder Saison auch einen Moment, in dem eine Mannschaft wackelt und ist sie auch noch so gut. Diesen Augenblick gilt es zu überstehen, um am Ende ganz vorne zu landen. Gut möglich, dass dieser Moment am Mittwoch bevorsteht. Für wen sich Glücksgöttin Fortuna wohl entscheiden wird?