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Transfermarkt: Absurde Angst vor der "Spanisierung" der Bundesliga


Transfermarkt
Deutschlands absurde Angst vor der "Spanisierung"

Von t-online
Aktualisiert am 11.09.2014Lesedauer: 5 Min.
Der Spanier Jaun Bernat wechselte vor der Saison vom FC Valencia zum FC Bayern München.Vergrößern des BildesDer Spanier Jaun Bernat wechselte vor der Saison vom FC Valencia zum FC Bayern München. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)
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Aus München berichtet Marc L. Merten

Spanisierung. Was für eine furchtbare Wortschöpfung! Der Begriff wabert durch Fußball-Deutschland wie ein Geist, von dem man noch nicht ganz genau weiß, ob er gut oder böse ist. Besonders in München kommt es manchem Fan des runden Leders spanisch vor, was anno 2014 plötzlich für deutsche Vereine auf dem internationalen Transfermarkt möglich ist. Dabei reicht ein kurzer Blick über die Pyrenäen, um zu erkennen, was Christian Heidel mit den Worten "Der spanische Markt ist am Ende" gemeint hat.

Der Manager des 1. FSV Mainz 05 hatte erklärt, dass "ganz Spanien nach Deutschland will". Jeden Tag würden ihn mehrere spanische Berater anrufen und Spieler anbieten. "Das wäre vor zwei Jahren undenkbar gewesen."

Wie man sich sein eigenes Grab schaufelt

Undenkbar nicht, muss man an dieser Stelle sagen. Vielmehr absehbar. Schließlich war bereits 2012 in ganz Europa bekannt, dass die Klubs der ersten und zweiten Liga im Land des damals noch amtierenden Welt- und Europameisters wahnwitzig verschuldet waren. Alleine die 20 Klubs aus La Liga stehen laut aktuellen Schätzungen mit rund vier Milliarden Euro in der Kreide.

Kombiniert man das mit dem Fakt, dass Spanien als Land – und wir reden jetzt nicht über den Fußball – seit Jahren an der Klippe zur Zahlungsunfähigkeit steht, ahnt man, welches Grab sich die Klubs in den letzten Jahrzehnten geschaufelt haben. Von den vier Milliarden stehen den Finanzämtern des Landes knapp 800 Millionen Euro zu. Kein Wunder also, dass auf den Ehrentribünen der Vereine längst nicht mehr um fragwürdige Immobilienvorhaben und neue Stadien gefeilscht wird, sondern um eine möglichst machbare Rückzahlung der horrenden Steuerschulden.

Gálvez und Rafa: Zwei Transfers, die alles erklären

Derweil beginnt man in Deutschland zu realisieren, welche Chancen sich nun den Klubs hierzulande bieten. Dreizehn Spieler wechselten in diesem Sommer aus Spanien in die Bundesliga und die Zweite Liga. Mehr als die Hälfte davon – drei zum FC Bayern, vier zum TSV 1860 – nach München. Aber zum Tatort München später mehr.

Zwei andere Transfers machen deutlich, wie deutsche Vereine jetzt von der spanischen Misere beginnen zu profitieren. Werder Bremen holte Alejandro Gálvez von Rayo Vallecano, dem Tabellen-Zwölften der vergangenen Saison. Ein normaler Transfer, eigentlich. Für Gálvez bedeutete der Wechsel jedoch den Sprung ins Paradies. Der Defensivspieler hatte bei seinem spanischen Klub einen niedrigen sechsstelligen Betrag eingestrichen. Sein Gehalt hat sich jetzt in Bremen vervielfacht. Mitnichten reden wir hier von Millionensummen, die die finanziell nun auch nicht auf Rosen gebetteten Bremer zahlen. Doch der Gehaltssprung ist dem Vernehmen nach ein großer. Ohne, dass sich Werder finanziell am Limit hätte bewegen müssen, um den Spieler zu überreden. Der Grund ist einfach: Vallecano hat als spanischer Erstligist einen Lizenzspieleretat, der im einstelligen Millionenbereich liegt. Zum Vergleich: Damit läge der Klub in Deutschlands zweiter (!) Liga gerade mal im oberen Mittelfeld. Kurzum: Selbst ein spanischer Mittelklasse-Erstligaverein kann finanziell nur mit den besser betuchten deutschen Zweitligavereinen mithalten. Keine Chance.

Das zweite Beispiel ist der Verteidiger Rafa, den sich jüngst Aufsteiger SC Paderborn angelte. Der Spieler kam vom FC Getafe. Der Klub geriet erst letzte Woche in die Schlagzeilen, weil der nationale Verband seinem besten Spieler, Pedro Léon, die Spielgenehmigung entzog. Grund: Getafe hatte mit dessen Gehalt das Ausgabenlimit überschritten und damit gegen das Financial Fairplay verstoßen. Rafa blieb nicht der einzige Spieler, den der Klub abgab, um das Unheil noch abzuwenden. Vergeblich. Punktsieg Bundesliga. Niederlage La Liga.

Poschner: "Gigantische Kluft zwischen superreich und Existenzminimum"

Nun aber nach München zum FC Bayern und zu den Löwen. In beiden Vereinen sitzen Entscheidungsträger, die beste Beziehungen in das Königreich pflegen. Pep Guardiola auf Seiten des Rekordmeisters, Gerhard Poschner auf Seiten der Löwen. Letzterer profitiert heute als Manager an der Grünwalder Straße von seiner Zeit als aktiver Spieler in La Liga sowie von seiner Zeit als Berater und Generaldirektor des ehemaligen Erstligisten Real Saragossa.

t-online.de traf sich mit dem ehemaligen Bundesliga-Profi, der im Sommer vier Spieler aus Spanien zu Sechzig lockte. Für Poschner ist klar: "Die Mittelschicht, wie sie es in Deutschland gibt, ist in Spanien nicht existent. Die Kluft zwischen superreich und Existenzminimum ist gigantisch." Zu erster Kategorie – mit Abstufungen – gehören trotz schaurig hoher Schulden Real Madrid, der FC Barcelona, Atlético Madrid und der FC Valencia (das allerdings nur dank des neuen Investors Peter Lim). Dennoch hielt das die spanische Nachwuchshoffnung Juan Bernat nicht davon ab, Valencia zu verlassen und sich dem FC Bayern anzuschließen. Bereits in großem Abstand zu den "großen Vier" gelten alleine Real San Sebastian und Athletic Bilbao noch als gesund. Der Rest – und somit reden wir über 14 von 20 Vereinen – gilt als gefährdet.

Ganz oben auf der Gefährdeten-Liste steht der FC Sevilla, von dem der Spieler Jairo zu Mainz 05 wechselte und auf den Heidels Aussagen perfekt passen. Sevilla ist allerdings auch der Klub, der die Absurdität des spanischen Systems offenbart. Finanziell ist der Klub nahezu mausetot. Und trotzdem gewann man 2014 die Europa League. "Man darf den drohenden ökonomischen Kollaps nicht mit der sportlichen Qualität verwechseln", warnt Poschner daher. "Die Qualität ist noch immer da." Noch. Denn Sevilla hat nun schon im zweiten Jahr in Folge einen nahezu beispiellosen Aderlass hinter sich. Davor schützen können sich in Spanien nur noch die genannten sechs Klubs.

Schleichender Exodus trifft auf den Geist des Erfolgs

Der Rest ist dem Verfall preisgegeben. Und Deutschland beginnt zu profitieren. Auch qualitativ. Immerhin reden wir von Spanien, dem Land, das in den letzten Jahren auf Vereins- und Nationalmannschaftsebene die Wettbewerbe dominiert hat, dem man die besten Spieler der Welt zuschrieb, die beste Taktik, die beste Schulung der Spieler. Einzig, weil Real und Barca noch immer Phantasiesummen zahlen können – als Ablöse und als Gehalt – blieben die allermeisten Nationalspieler des Landes in der Heimat. Doch immer mehr, gerade junge Spieler, verlassen das Land, weil sie Angst um ihre Zukunft haben. "In Spanien wird selten pünktlich gezahlt. Das animiert die Spieler nicht gerade zu bleiben", beschreibt Poschner den schleichenden Exodus.

Spaniens Dominanz durchbrochen

Womit wir wieder beim FC Bayern und den Löwen wären. Während der Rekordmeister wie kein zweiter Verein in Deutschland in der Lage ist, finanziell die ganz dicken Fische aus Spanien abzugreifen, stehen die Löwen für die Sorte Verein, die selbst als deutscher Zweitligist spanische Erstligisten auf dem Transfermarkt ausstechen können. Die Bundesliga hat durch seriöses Wirtschaften das Fundament geschaffen, das den spanischen Vereinen fehlt. Wenn man von Barca und Real absieht, die beide schlichtweg zu groß sind, um untergehen zu können, hat Deutschland die Dominanz Spaniens auf dem Transfermarkt durchbrochen.

Die Bundesliga hat sich wirtschaftlich in eine hervorragende Position gebracht, um auch sportlich den Durchbruch auf internationaler Ebene zu schaffen und den besten Spielern der Welt ein attraktives Zuhause zu bieten. Die "Spanisierung" ist also nichts anderes als der Geist des Erfolgs – eine Auszeichnung der seriösen Arbeit der Liga und vieler Vereine in Deutschland.

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