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FC Bayern: So jagt der Rekordmeister die Supertalente von morgen


Nächste Generation im Visier
So jagen die Bayern die Supertalente von morgen

Von t-online
Aktualisiert am 26.12.2014Lesedauer: 5 Min.
Gianluca Gaudino (li.), Lucas Scholl und Javier Martinez (re.) beim TorjubelVergrößern des BildesGianluca Gaudino (li.), Lucas Scholl und Javier Martinez (re.) beim Torjubel (Quelle: Norbert Schmidt/imago-images-bilder)
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Aus München berichtet Marc L. Merten

Sie heißen Scholl, Ribéry und Gaudino. Gemeint sind aber nicht Mehmet, Franck und Maurizio, sondern Lucas, Steven und Gianluca. Große Namen, die für die nächste Generation Supertalente beim FC Bayern stehen. Doch sie sind nur die Spitze eines gigantischen Eisbergs, der an der Säbener Straße heranwächst. Ein Eisberg, an dem die Konkurrenz dauerhaft zerschellen soll.

Jahrelang herrschte Unzufriedenheit beim FCB. Nicht, weil die Erfolge bei den Profis ausblieben. Sondern weil aus dem eigenen Nachwuchs zu wenige Spieler hervorgingen, die den hohen Ansprüchen des Rekordmeisters genügten. Stattdessen waren die Bayern gezwungen, talentierte Jungprofis aus anderen Vereinen zu kaufen, anstatt hochbegabte Eigengewächse in die Profi-Mannschaft integrieren zu können.

Um das zu ändern, tätigte der FC Bayern in den letzten drei Jahren drei Transfers. Keine Spielertransfers, sondern Neuverpflichtungen auf Führungsebene, deren Tragweite sich erst in zwei, drei Jahren voll entfalten wird. Der Erste im Bunde war Jürgen Jung. Er kam als damaliger Nachwuchskoordinator des Lokalrivalen TSV 1860 und wurde Nachwuchs-Chefscout an der Säbener Straße. Der Zweite war Matthias Sammer. Dessen Verpflichtung als Sportvorstand im Juli 2012 schlug in Fußball-Deutschland ein wie eine Bombe. Denn jedem war bewusst: Der FC Bayern hatte sich nicht nur einen neuen "Mahner" geholt, worauf Sammer unlängst reduziert wurde. Sammer kam als DFB-Sportdirektor und damit als Oberaufseher über alle deutschen U-Nationalmannschaften. Kaum jemand kannte zu diesem Zeitpunkt die größten Talente im deutschen Fußball so gut wie Sammer.

FCB verpflichtet Calmunds Schattenmann

Den dritten Transfer machte der Rekordmeister im Sommer 2014 fix und versetzte damit Bayer Leverkusen einen herben Schlag. Die Bayern warben Michael Reschke vom Werksklub ab, den Mann, der über 35 Jahren in Leverkusen der Schattenmann von Lautsprechern wie Calmund und Völler gewesen war und sich für unzählige Top-Verpflichtungen verantwortlich gezeigt hatte.

Jung, Sammer, Reschke – mit diesen drei Transfers, so die Bayern-Strategie, sollen schon in wenigen Jahren einige Spielertransfers unnötig werden. Denn die besten Talente Europas will der FCB bis dahin längst in den eigenen Reihen wissen – in den Junioren-Teams.

Hoeneß übernimmt wichtige Aufgaben im Jugendbereich

"Wir wollen in der Jugendarbeit Vollgas geben", kündigte Karl-Heinz Rummenigge unlängst an und erklärte, dass Uli Hoeneß in diesem Bereich ab Januar 2015 wichtige Aufgaben übernehmen wird. Es sind also nicht nur die Finanzen (Rekordumsatz von über einer halben Milliarde Euro, über 100 Millionen Euro auf dem "Festgeldkonto"), die den FC Bayern auf Jahre hin unangefochten an die Tabellenspitze der Bundesliga zementieren sollen. Bald soll es auch die sportliche Qualität des Nachwuchses sein. Die Welt scheint den Roten längst nicht mehr genug.

Es ist davon auszugehen, dass Sammer und Hoeneß ab 2015 die Gesichter des Umbruchs sein werden. Im Hintergrund werden dafür Reschke und Jung die Strippen ziehen – abgeschirmt von der Außenwelt, kaum zugänglich – weder für Medien noch für allzu eigeninitiativ handelnde Spielerberater. Längst können Berater nicht mehr einfach so ihre Spieler wie warme Semmeln an der Säbener Straße anbieten. Wer ein Talent beim FC Bayern unterbringen möchte, muss schon über verdammt gute Kontakte und Reputation verfügen, um überhaupt angehört zu werden. Der FC Bayern entscheidet mittlerweile selbst, welche Spieler ihm angeboten werden.

"Wunderkind" im Probetraining

So wie Martin Ödegaard. Das gerade erst 16 Jahre alt gewordene "Wunderkind" aus Norwegen brauchte zwar kein Scout des FC Bayern entdecken. Doch dass der Youngster noch vor dem medialen Hype ein Probetraining in der Jugend des FC Bayern absolviert hatte, zeigt: Die Münchner versuchen, der Konkurrenz mehr als nur einen Schritt voraus zu sein. Kein Wunder also, dass sie beim Norweger offenbar in der Pole Position sind und dieser sich einen Wechsel zum FCB gut vorstellen kann.

Eine Erklärung für den radikalen Schnitt im Nachwuchs-System liefert ein Blick in die aktuellen U-Nationalmannschaften des DFB. Im U17-Kader stehen drei Bayern-Spieler, im U15-Kader nur ein einziger. Die U19 des DFB wurde dieses Jahr sogar ohne einen einzigen Bayern-Akteur Europameister. Das soll nicht wieder vorkommen. Entsprechend verwundert es nicht, dass zum letzten Sichtungslehrgang des DFB für die künftige U15 bereits sieben Bayern-Akteure eingeladen wurden.

"Es geht darum Zukunftsentscheidungen vorzubereiten"

Doch welche Aufgaben müssen vor allem Reschke und Jung bewältigen? Reschke als Technischer Direktor und Jung als Nachwuchs-Chefscout sind für die "Kaderbildung" verantwortlich – von den Profis bis in den Juniorenbereich. Sie sichten und wählen mögliche Neuzugänge aus, schauen sich pausenlos Spiele im In- und Ausland an, am Fernseher oder im Stadion. Reschke nimmt zudem an allen Vertragsverhandlungen mit anderen Klubs, Spielern und Beratern teil.

In einem seiner seltenen Interviews erklärte Reschke Anfang Dezember dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Beim FCB geht es für mich darum, Zukunftsentscheidungen vorzubereiten." Zukunftsentscheidungen heißt: den Nachwuchs neu aufzustellen. Zusammen mit Jung koordiniert Reschke die Suche nach neuen Talenten.

Über 20 Scouts im Einsatz

Das Problem: Die Leistungsdichte ist schon bei 15-Jährigen so hoch, dass es nur den besten und erfahrensten Scouts gelingt, einigermaßen sicher vorherzusagen, welche Spieler es schaffen können. Jung verriet dem "Focus", nach welchem Schema die Talente klassifiziert würden. "Wir fragen uns: Hat er ein Bewegungstalent? Ist er motorisch gut? Läuft er auf dem Vorderfuß oder läuft er platt? Wie geht er mit der Kugel um? Ist er zielstrebig Richtung Tor? Hat er ein Gespür, wie Fußball auch nach einem Ballverlust funktioniert?"

Dafür beschäftigt Jung über 20 Scouts, die in ganz Deutschland ständig auf der Suche sind. Spieler unter 15 Jahren werden in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern gescoutet. Ab 15 Jahren fährt ein Bayern-Scout durch ganz Deutschland. Oder wie im Falle Ödegaard durch halb Europa.

Extreme Leistungsdichte

Die Bayern bereiten den großen Sturm auf Europas Supertalente vor. Immer mehr Talente werden dem Ruf des großen FCB erliegen. Wie schnell ein solcher Wechsel aber auch schiefgehen kann, zeigt das Beispiel Mitchell Weiser. Seinen Stellenwert beim Rekordmeister kann man gerade anhand seiner Rückennummer ablesen. Als er 2012 aus Köln nach München wechselte, suchte sich der damals 17-Jährige die "23" aus. Als Pepe Reina im Sommer 2014 nach München kam, musste Weiser die Nummer dem Spanier überlassen. Er wählte die "24". Kurze Zeit später wurde ein Spieler verpflichtet, um dessen Wechsel es ähnlich viel Wirbel gab wie um Weisers: Sinan Kurt kam aus Gladbach – und erhielt Weisers "24", der seitdem die "30" trägt. Mitreden durfte der mittlerweile 19-Jährige bei diesen Entscheidungen nicht. Doch sein Stellenwert im Verein dürfte ihm seitdem kristallklar sein.

War es für Talente schon von jeher schwer, sich beim FC Bayern durchzusetzen, wird es künftig nicht einfacher. Die Leistungsdichte wird zunehmen, und die Verantwortlichen werden ganz genau hinschauen, wer das Zeug hat, an der Säbener Straße zum Profi zu reifen. In diesem Kampf um Aufmerksamkeit, Leistung und Verdrängung kann es durchaus von Vorteil sein, berühmte Nachnamen wie Scholl, Ribéry oder Gaudino zu tragen. Es kann aber auch ganz schnell zur Bürde werden. Denn die Erwartungen sind immens.

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