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Toni Schumacher: "Traditionsvereine darf man nicht besser behandeln"


FC-Vize Schumacher im Interview
"Traditionsvereine darf man nicht besser behandeln"

Von t-online
Aktualisiert am 24.12.2015Lesedauer: 6 Min.
Toni Schumacher sieht den 1. FC Köln noch nicht fürs internationale Geschäft gerüstet.Vergrößern des BildesToni Schumacher sieht den 1. FC Köln noch nicht fürs internationale Geschäft gerüstet. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)
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Fast 15 Jahre lang war Harald "Toni" Schumacher Stammtorhüter des 1. FC Köln und galt in den Achtzigern als einer der besten Keeper der Welt. Heute lenkt der 61-Jährige als Vizepräsident die sportlichen Geschicke des Vereins.

Im Interview mit t-online.de spricht Schumacher unter anderem über die Entwicklung und Ambitionen des FC, das Verhältnis zwischen Traditions- und Werksklubs, Kölns Torhüter Timo Horn und den Videobeweis.

Herr Schumacher, der 1. FC Köln ist so gut wie seit 19 Jahren nicht in die Saison gestartet, hat dann Probleme bekommen, aber mit einem furiosen Sieg gegen Dortmund das Jahr beendet. Wie bewerten Sie die Hinrunde des FC?

TONI SCHUMACHER: Da, wo wir jetzt stehen, wollten wir vor der Saison stehen. Nach dem guten Start haben manche vielleicht schon andere Pläne geschmiedet, wir aber nicht. Sicher wäre es nach einer Hinrunde mit 26 oder sogar mehr Punkten schwieriger geworden zu sagen: Wir wollen weiter nur drin bleiben. Aber in unserer Planung würde Europa noch zu früh kommen.

Dennoch liegt man nur drei Punkte hinter den Europa-League-Plätzen.

Das stimmt. Aber wir sind ja erst wieder im zweiten Bundesliga-Jahr. Und wir sind auch nicht in nur zwei Jahren in die damalige Misere hineingeraten. Deswegen kann man nicht erwarten, dass wir in zwei Jahren schon wieder aus allem raus sind. Wir durchbrechen in dieser Saison die 100-Millionen-Euro-Umsatzmarke. Vor zwei Jahren waren es, wenn auch in der 2. Liga, nur 53 Millionen. Wir machen schon Riesen-Schritte. Das Tempo, das im Klub abgeht, ist nicht selbstverständlich. Deswegen versuchen alle Verantwortlichen in der Öffentlichkeit etwas auf die Bremse zu treten.

Der 1. FC Köln gehört zu den Klubs, die mit viel Tradition im Rücken arbeiten. In der DFL wurde nun das Verhältnis zwischen Traditions- und Werksklubs diskutiert. Wie stehen Sie dazu?

Ich finde, man kann einen Verein doch nicht besser behandeln, weil dieser Tradition hat, und andere schlechter, weil sie weniger Tradition haben.

Und was ist mit dem Wettbewerbsvorteil, den andere Klubs haben, weil ihre Etats von vorne herein durch einen Konzern gedeckt werden?

Dann müsste man die Regeln ändern und sagen: Es dürfen keine Werksklubs mehr in der Bundesliga spielen. Aber das wird nicht passieren. Wenn man Klubs wie beispielsweise RB Leipzig die Lizenz erteilt, dann darf man sich nicht wundern, dass solche Diskussionen auf den Tisch kommen.

Was bedeutet das für einen Klub wie den FC?

Für uns wird es schwerer, künftig an die internationalen Töpfe zu kommen. Die Bayern sind Lichtjahre voraus, auch Dortmund ist weg. Dahinter kommen Wolfsburg und Leverkusen. Nächstes Jahr kommt RB Leipzig hoch, Hoffenheim müsste man eigentlich auch dazu zählen. Das heißt: Wenn du nicht so unglaublich viel richtig machst wie Gladbach in den letzten Jahren, musst du dir im Klaren sein, dass im Normalfall nur die Plätze zwischen 8 und 12 drin sind.

Oder man öffnet sich für Investoren.

Da habe ich mich schon zu geäußert und wiederhole es gerne: Wir werden uns nicht verkaufen. Das steht fest, solange wir hier das Sagen haben. Irgendwann werden wir vielleicht über strategische Partner nachdenken wie der FC Bayern mit Audi oder adidas. Aber wir müssen anderweitig Erfolg haben, indem wir zum Beispiel noch mehr Horns, Gerhardts und Hectors entwickeln. Das ist die Antwort, die wir geben können.

Glauben Sie nicht, dass die 50+1-Regel irgendwann fallen wird?

Ich hoffe nicht. Wo liegt denn die Chance für einen Klub, wenn er sich verkauft? Dann kommt einer, schaut sich das an und sagt ein paar Jahre später wieder Tschüss. Dann kommt der nächste... Wenn man einen seriösen Partner hat, der schon lange als Sponsor dabei ist und sagt, er beteiligt sich am Klub, ist das okay. Sonst holt man sich nur Probleme ins Boot. Außer, man ist ein Klub wie RB Leipzig, in dem es keine Mitglieder gibt. Aber hier in Köln gehört der Klub den Mitgliedern.

Das bedeutet, dass Sie auf die Entwicklung – und den Verkauf – Ihrer Talente angewiesen sein werden. So wie Timo Horn, der eine starke Saison spielt und eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag hat.

Heute ist das anders als früher. Ich wollte damals meine Karriere beim 1. FC Köln beenden, auch, wenn ich das dann nicht durfte. Heute ist das eine andere Welt. Sicher spielen die Berater hierbei auch eine gewisse Rolle. Sie tun alles dafür, dass so ein großartiger Junge nicht nur einmal wechselt, sondern zwei- oder dreimal, um ebenfalls davon zu profitieren. Ich habe in Köln mal einen Sechs-Jahres-Vertrag unterschrieben. Meine Motivation war immer: Ich bin hier und will hier bleiben. Heute sind Ausstiegsklauseln das Normalste auf der Welt.

Horn wird also nicht zu halten sein?

Wir können es ihm nur so schwer wie möglich machen. Die gesamte Entwicklung muss ihm zeigen, was hier möglich sein könnte, wenn er bleibt. Aber wenn ein guter Verein kommt und Interesse bekundet, müssen wir uns mit ihm zusammensetzen. Denn wenn ein Verein die Ablöse zahlen will und ihm noch mehr Geld bietet, habe wir kaum eine Chance, das Rad aufzuhalten.

Sollte Timo Horn wechseln, sagen wir mal hypothetisch zum FC Liverpool...

...dann würde Timo wenigstens weiter in den gleichen Farben spielen...

...und er wäre mit Manuel Neuer, Marc-Andre ter Stegen, Kevin Trapp und potentiell Ralf Fährmann und Bernd Leno einer von sechs deutschen Champions-League-Torhütern.

Das ist doch herrlich. Früher war das ja undenkbar. Da haben Klubs keine Torhüter gekauft. Damals hat man Stürmer gekauft. Ich hätte auch gerne mal in der Premier League gespielt. Aber glauben Sie, da hätte mal einer angefragt? Die wollten nur Stürmer, die wollten Tore sehen. Heute hat sich das gedreht, ein Torhüter wird viel hochwertiger gesehen als früher.

Dass die deutschen Torhüter immer mehr in alle Richtungen verstreut in der Königsklasse spielen, ist für Sie also...

...eine logische Entwicklung. Das ist ein Gütesiegel für die Ausbildung unserer Torhüter. Darin waren wir schon früher den Engländen um Galaxien voraus. Damals sind in England einzelne Leute noch von Klub zu Klub gefahren und haben die Torhüter trainiert. Ich hatte damals schon meinen eigenen Torwarttrainer.

Ist das eine Entwicklung, die dem Fußball auch noch auf den anderen Positionen bevorsteht?

Möglich. Wir haben mittlerweile ja schon Athletik- und Rehatrainer. Warum nicht auch für Abwehrspieler, für das Mittelfeld und den Angriff?

Ein ganz anderes Thema, das nicht nur in Köln omnipräsent ist: Die Schiedsrichter.

Wir diskutieren viel über die Schiedsrichter, nicht nur in Köln, das stimmt. Das hat zugenommen und macht es nicht leichter. Nicht den Schiedsrichtern, aber auch nicht den Spielern und Trainern. Aber was sollen wir machen? Die sind ja schon zu viert auf dem Platz. Sollen wir noch mehr auf den Platz schicken wie in der Europa League? Diese Torrichter würden mich als Keeper wahnsinnig machen.

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Die Lösung wäre der Videobeweis.

Das habe ich doch schon in meinem Buch vor 30 Jahren geschrieben. In meiner ganzen Karriere kann ich mir nur an eine einzige Szene erinnern, in der wir diskutiert haben: Tor oder nicht Tor. Und dafür machen wir heute so einen Aufstand mit dem Hawk Eye.

Anstatt von vorne herein den kompletten Videobeweis einzuführen.

Natürlich! Es ist doch nur eine Frage der Zeit. Es gibt ja schon Testläufe. Nehmen wir doch das Handtor von Leon Andreasen. Das ganze Stadion hat es gesehen, alle Spieler haben es gesehen…

Immer häufiger wird diskutiert: Soll der Schiri den Spieler fragen oder nicht?

Ganz sicher nicht bei Eckbällen oder Einwürfen. Aber bei einem Tor oder einem Elfmeter? Solange wir keinen Videobeweis haben, hätte im Fall Andreasen beispielsweise der Schiri doch nur gewinnen können.

Viele sprechen bei Fehlentscheidungen immer wieder davon, dass sich am Ende einer Saison alles ausgleichen würde.

Diese Theorie halte ich für unsinnig. Michael Schade (Geschäftsführer Bayer 04 Leverkusen) hat mal gesagt: Wenn am Ende der Saison ein Punkt entscheidet über Europa League und Champions League, kostet das den Klub 20 Millionen Euro. So etwas gleicht sich nicht mehr aus. Es geht doch heute um viel zu viel. Alleine der FC ist ein mittelständisches Unternehmen mit 100 Millionen Euro Umsatz. Die Bayern machen eine halbe Milliarde. Das kann man doch nicht abtun mit "Das gleicht sich wieder aus".

Wie lautet also Ihre Prognose?

Der Videobeweis macht Sinn und ist aus meiner Sicht nicht aufzuhalten.

Das Interview führte Marc L. Merten.

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