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Reiner Calmund: "Was ich von Stuttgart und 96 in der Bundesliga erwarte"


Calmund über das Saisonfinale
VfB und 96 sind keine typischen Aufsteiger

t-online, Reiner Calmund

Aktualisiert am 22.05.2017Lesedauer: 4 Min.
Alexandru Maxim feiert den Bundesliga-Aufstieg des VfB Stuttgart.Vergrößern des BildesAlexandru Maxim feiert den Bundesliga-Aufstieg des VfB Stuttgart. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die Rettung des HSV, die Kölner Europa-Rückkehr und die Aufstiege von Stuttgart und Hannover: Reiner Calmund schreibt in seiner t-online.de-Kolumne über das spektakuläre Saisonfinale und erklärt, was er von den Bundesliga-Rückkehrern erwartet. Und er sagt, dass der HSV von seinen großen Zeiten so weit entfernt ist wie Calli von einer Ballerina-Figur.

Die Kolumne von Reiner Calmund bei t-online.de

Das letzte Bundesliga-Wochenende dieser Saison zeigte eines ganz deutlich: Der Fußball in Deutschland verfügt über eine Strahlkraft, mit der wohl kein anderes gesellschaftliches Ereignis in unserem Land mithalten kann.

HSV-Stimmung gigantischer als zu großen Zeiten

Wer die Szenen der Begeisterung aus Köln, Hamburg, Hannover oder Stuttgart sah, der konnte sich ein Bild davon machen. Hunderttausende euphorisierte Menschen feierten Titel, Nicht-Abstiege, Aufstiege und Europacup-Qualifikationen. Auch wenn es in Dortmund oder München etwas „routinierter" zuging – auch hier waren viele Tausend Menschen in Sachen Fußball unterwegs. Ich gestehe, dass die Bilder der Fans, die Kopf an Kopf auf den Rasen strömten, mir ein wenig Unbehagen bereiten. Zum Glück ging alles stimmungsvoll und friedlich zu.

Die Rettung der Hamburger durch das Tor des bis Samstag den meisten Menschen völlig unbekannten Luca Waldschmidt bescherte gleichzeitig Wolfsburg die Relegation. Und Hamburg zeigte, zu welcher Begeisterung die nüchternen Hanseaten fähig sind. Diese Explosion der Freude nach dem 2:1 war auch daheim am Bildschirm zu spüren, hören und fühlen. Die Stimmung war gigantischer als zu den größten Zeiten des HSV in den 1960er und 80er Jahren. Nicht auszudenken, wenn solch ein Erfolg noch einmal gefeiert werden dürfte.

HSV von großen Zeiten entfernt wie ich von Ballerina-Figur

Doch davon ist der Dino so weit entfernt wie ich von der Ballerina-Figur. Damals stimmte alles. Ein Top-Manager mit Günter Netzer, Weltklasse-Trainer wie Branco Zebec und Ernst Happel. Dazu internationale Top- und Weltklassespieler wie Uli Stein, Manni Kaltz, Ivan Buljan, Ditmar Jakobs, Holger Hieronymus, Peter Nogly, Jimmy Hartwig, Caspar Memering, Thomas van Heesen, Jürgen Milewski, Felix Magath, Willi Reimann, Kevin Keegan, Lars Bastrup, Horst Hrubesch und der aktuelle Klubmanager Bernd Wehmeyer, die in den 80er Jahren mit drei Meistertiteln und dem Europacup der Landesmeister (heute Champions League) die HSV-Fans verzauberten.

Oder im April 1961, als ich als kleiner Fußball-Fan, nach dem Ausscheiden des HSV gegen den FC Barcelona sehr traurig war. Der HSV mit Horst Schnoor, Jochen Meinke, Jürgen Kurbjuhn, Jürgen Werner, Klaus Stürmer, Gert Dörfel und Uwe Seeler musste nach einem 0:1 in Barcelona in der 90. Minute das 2:1 Gegentor des spanischen Meister im Volksparkstadion schlucken und verpasste dadurch das Finale der Meister.

Hannover und Stuttgart sind keine typischen Aufsteiger

Für die heutige Generation um Vorstandsboss Heribert Bruchhagen, Sportdirektor Jens Todt und Trainer Markus Gisdol kann es nur darum gehen, bei der dringend nötigen Analyse die richtigen Schlüsse zu ziehen und Schritt für Schritt die Rückkehr ins Bundesliga-Mittelfeld anzustreben. Dank der großzügigen Unterstützung von Klaus-Michael Kühne genießen die Hamburger einen unschätzbaren Vorteil. Er hat den Klub am Leben gehalten. Ich bin sicher, er wünscht sich nichts mehr als einen sportlichen Aufschwung – den er genauso sicher begleiten wird.

Allerdings: Es wird nicht einfacher in der kommenden Saison. Weil Klubs wie Leverkusen, Schalke oder Mönchengladbach alles daran setzen werden, wieder nach oben zu kommen. Und weil die beiden Aufsteiger alles sind – aber keine typischen Aufsteiger. Mit Stuttgart und Hannover kommen zwei Klubs zurück, die für die zweite Liga tolle Zugpferde waren, aber auch ein paar Nummern zu groß.

Wenn Gladbach um Terodde mitbietet, wird es eng für den VfB

Die Strukturen stimmen, das Knowhow ebenso, die Basis ist da, die Kohle ebenfalls, weil nach den teuren Abstiegen sinnvoll gewirtschaftet wurde. So musste sich der VfB von guten, aber zu teuren Profis wie Timo Werner, Kostic, Harnik, Didavi, Rupp, Schwaab oder Niedermayer trennen, so erlöste man aber nach dem Abstieg auch einen Transferüberschuss von rund 20 Millionen Euro. Beide Klubs sehen den Abstieg als Betriebsunfall und werden sich neu aufstellen.

Für Präsident Martin Kind ist klar, dass Hannover in die Mannschaft investieren muss, um einen erneuten Abstieg zu verhindern. Auch für Stuttgart geht es in erster Linie darum, zunächst den Abstieg zu verhindern. Der VfB will den Kader ausgeglichen aufstellen und mögliche Abgänge (Stuttgarts Top-Stürmer Terodde liegen Angebote vor) sinnvoll zu ersetzen. Sportvorstand Jan Schindelmeiser versprach zwar, „alles zu tun, um Terodde zu halten“, doch wenn Klubs wie Mönchengladbach mitbieten, dann kann es eng werden.

Ich habe mich extrem gefreut für Schindelmeiser und Wolf

Während Hannovers André Breitenreiter nach Paderborn und Schalke sein drittes Bundesliga-Abenteuer beginnt, ist es für den jungen VfB-Trainer Hannes Wolf ein Neuanfang. Ich bin gespannt, wie sich der junge Mann auf der großen Bühne präsentiert. Mit Schindelmeiser hat er einen erfahrenen Manager an seiner Seite, für ihn – der berufliche und private Rückschläge hinnehmen musste – habe ich mich sehr gefreut, als ich das Jubelbild der beiden am Sonntag sah.

Womit ich wenig anfangen kann, ist die ständig strapazierte Aussage. „Klub XY gehört einfach in die Bundesliga.“ Das ist nicht okay. In die Liga gehört, wer die nötigen Punkte holt. Dies gelang im vergangenen Jahr Ingolstadt und Darmstadt, deshalb durften sie bleiben, Hannover und Stuttgart nicht.

Womit ich mich identifizieren kann, ist die Aussage, dass diese Traditionsklubs der Liga guttun. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Und die Bilder vom Wochenende belegten dies. Begeisterung pur bei Millionen Menschen. Aber wer glaubt, dass dies das Recht ableitet, in der Bundesliga spielen zu dürfen, der irrt sich. Dort zählt nur harte, ehrliche, akribische und erfolgreiche Arbeit. Wenn die nicht geleistet wird, dann kann es sein, dass bei denen, die am Wochenende Freudentränen flossen, in einem Jahr wieder Trauer angesagt ist.

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