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EM 2021 | Effenberg: Diese Spieler muss Jogi Löw beim England-Spiel opfern


Klassiker gegen England
Es ist Zeit für Veränderungen – und zwar folgende

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

25.06.2021Lesedauer: 4 Min.
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Leon Goretzka (v.l.), Kevin Volland und Jamal Musiala feiern den erlösenden Treffer zum 2:2 gegen Ungarn. Stefan Effenberg würde nach der Fast-Blamage personelle Veränderungen vornehmen.Vergrößern des Bildes
Leon Goretzka (v.l.), Kevin Volland und Jamal Musiala feiern den erlösenden Treffer zum 2:2 gegen Ungarn. Stefan Effenberg würde nach der Fast-Blamage personelle Veränderungen vornehmen. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Nach dem Beinahe-Aus in der EM-Vorrunde muss Bundestrainer Löw Konsequenzen ziehen und zwei Spieler opfern. Dann gibt es Hoffnung. Denn England ist der bisher leichteste Gegner.

Das 2:2 gegen Ungarn: Dieses Spiel ist nicht schönzureden. Aber: Wenn die Nationalmannschaft im Achtelfinale gegen England weiterkommt, interessiert das niemanden mehr. Und: Diese Fast-Blamage hat wichtige Erkenntnisse gebracht, die nun im weiteren Turnierverlauf helfen werden.

Erkenntnis 1: Joachim Löw darf Leroy Sané nicht mehr von Beginn an bringen

Der Bundestrainer hat den Bayern-Stürmer gegen Ungarn zum ersten Mal in die Startaufstellung berufen und sogar 90 Minuten durchspielen lassen. Der hat sich bemüht, allerdings über die gesamte Spielzeit einen unglücklichen Eindruck gemacht. Es gab diverse Szenen, an denen man das festmachen kann. Nur ein Beispiel: Sein Eckball in der 60. Minute, der direkt im Toraus landete. Sané hat versucht, nach hinten zu arbeiten – und hätte auch hier in der 61. Minute fast einen Elfmeter verschuldet, wenn das Handspiel ein paar Zentimeter weiter hinten gewesen wäre. So kam er mit Gelb davon.

Für mich ist ganz klar: Sané ist immer noch nicht angekommen in der Nationalmannschaft. Bis heute. Und Löw darf Leroy Sané in dieser Form bei der EM nicht mehr von Beginn an aufstellen. Er tut der Mannschaft damit keinen Gefallen, aber auch Sané selbst nicht. Ihm fehlt das Selbstbewusstsein – und das führt dazu, dass er seine eigentlich fantastischen Fähigkeiten nicht einbringen kann. Sein Teamkollege von Bayern, Jamal Musiala, kam gegen Ungarn in der 82. rein und war in den verbliebenen acht Minuten an mehr gefährlichen Situationen beteiligt als Sané insgesamt. Das führt zu:

Erkenntnis 2: Löw darf Musiala auf keinen Fall zurück auf die Tribüne schicken

Musiala ist erst 18 Jahre alt und hat einen großen Vorteil: Er war bei dem frühen Turnieraus 2018 in Russland nicht dabei – und tritt nun entsprechend unbekümmert auf. Gegen Ungarn waren bei der deutschen Mannschaft durchaus Parallelen zum 0:2 gegen Südkorea und dem damit verbundenen WM-Ausscheiden spürbar. Und die älteren Spieler hatten das ganz sicher im Hinterkopf. Musiala dagegen juckte das überhaupt nicht.

Dass er in seinem Alter kaum Erfahrung hat? Geschenkt! Denn die haben andere.

Ich erinnere mich an das Champions-League-Finale 2001, das wir mit dem FC Bayern nach Elfmeterschießen gegen Valencia gewonnen haben. Da wurde im Vorfeld auch darüber diskutiert, ob Ottmar Hitzfeld als Trainer wirklich auf den damals 20-jährigen Owen Hargreaves setzen sollte neben mir im Mittelfeld. Hitzfeld hat sich gesagt: Die Erfahrung hat Stefan, dazu setze ich auf Hargreaves. Und er hat damit alles richtig gemacht.

Ich möchte damit nicht fordern, dass Musiala von Anfang an spielt – sondern nur, dass er auf jeden Fall in den Kader gehört. In den K.o.-Spielen braucht die deutsche Nationalmannschaft seine Unbekümmertheit unbedingt.

Erkenntnis 3: Ohne Mats Hummels und Thomas Müller wären wir raus

Vor dem Turnier wurde die deutsche Mannschaft als Wundertüte angesehen – und hat dieses Vorurteil bislang komplett bestätigt. Das Spiel gegen Frankreich (0:1) war okay, das gegen Portugal (4:2) sehr gut und das gegen Ungarn (2:2) sehr schwach. Wenn es Spieler gab, die eine gewisse Stabilität vermittelt haben, dann waren das vor allem die Rückkehrer. Hummels hat ungeachtet seines Eigentors gegen Frankreich einen sehr guten Gesamteindruck hinterlassen, Müllers Fehlen in der Startelf gegen Ungarn hat sich extrem bemerkbar gemacht – und er hat anschließend mit seiner Präsenz dazu beigetragen, dass die Nationalelf noch die Kurve bekommen hat.

Erkenntnis 4: Jetzt ist die Zeit für Veränderungen – zumindest punktuell

Was mittlerweile in jedem Spiel der deutschen Mannschaft auffällt: Es fehlt ein echter Mittelstürmer – gegen Ungarn noch mehr als zuvor gegen Frankreich und Portugal. Gerade gegen einen tief stehenden Gegner tun sich die ballgewandten, aber eher kleineren Spieler sehr schwer. Sie können ihr Tempo überhaupt nicht ausspielen und bleiben in den engen Räumen stecken. (Lesen Sie hier die Kolumne: Das größte Problem im deutschen Fußball wird Löw nicht mehr lösen)

Löw kann keinen Mittelstürmer herbeizaubern – aber zumindest auf körperlich größere und robuste Spieler setzen.

Die Antwort auf die Frage, ob Kai Havertz oder Leon Goretzka spielen sollte, muss deshalb lauten: Es müssen Havertz UND Goretzka spielen. Löw sollte vor der Dreierabwehr und den beiden offensiven Außenverteidigern Robin Gosens und Joshua Kimmich auf ein Mittelfeld mit Toni Kroos, Leon Goretzka und Kai Havertz setzen. Der hat bewiesen, dass er nach hinten arbeiten kann. Und im Angriff muss der Bundestrainer Thomas Müller und Serge Gnabry aufstellen. Goretzka hat gegen Ungarn gezeigt, was er mit seiner Wucht und Torgefahr anrichten kann. Die hilft übrigens auch bei Standards.

Es ist Zeit für Veränderungen. Zumindest punktuell. Und es muss Schluss sein mit Experimenten, weil es jetzt um alles oder nichts geht. Neben Sané muss Löw dafür Ilkay Gündogan opfern, der im Nationaltrikot leider nicht die Leistung bringt, die er in der abgelaufenen Saison bei Manchester City auf den Platz bekommen hat.

Erkenntnis 5: England ist der bisher leichteste Gegner für Deutschland

Fans und Experten blicken zu Recht kritisch auf die deutschen Spiele in der Vorrunde. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Gegner Weltmeister Frankreich und Europameister Portugal waren – sowie die extrem starken Ungarn. Sie hatten gegen Deutschland fast so viele Chancen wie die Nationalelf und haben sie genau wie die Franzosen an den Rand einer Niederlage gebracht. In einer anderen Gruppe wären sie wahrscheinlich weitergekommen.

Deshalb behaupte ich: England ist der bisher einfachste Gegner für die deutsche Mannschaft. Wir brauchen keine Angst zu haben. Im Gegenteil. Natürlich haben die absolute Topspieler aus der Premier League, aber sie haben ihre volle Leistung auch noch nicht ausgespielt. Dazu ist der Druck auf England im Londoner Wembleystadion extrem – und die Stimmung angespannt. Der eigentliche Toptorjäger Harry Kane hat noch kein Tor erzielt und wird viel kritisiert – ebenso Trainer Gareth Southgate, weil er auf den Dortmunder Jadon Sancho weitgehend verzichtet. Natürlich kann England jederzeit explodieren – aber das kann Deutschland auch. Und nachdem wir die Gruppe überstanden haben, können wir nur noch glänzen.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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