FC Bayern: Sportdirektor spricht über Zukunft von Joshua Kimmich

Tagelang wurde über Joshua Kimmich und seine Rolle beim FC Bayern diskutiert. Der Spieler selbst schwieg – und antwortete mit Leistung.

Aus der Allianz Arena berichtet Julian Buhl

Joshua Kimmich hat beim 2:1-Sieg des FC Bayern gegen Galatasaray Istanbul mal wieder fast alle Aufgaben selbst übernommen. Sogar das Zubinden der Schuhe erledigte er vor einem Freistoß in der 13. Spielminute für Leon Goretzka. Dieser muss nach seinem Mittelhandbruch eine Armschiene tragen und kann dies nicht selbst tun, weshalb er kurzerhand seinen Mittelfeldpartner um Hilfe bat.

Und der erfüllte den Job zufriedenstellend, wenn auch nicht ganz so gut wie Fitnesschef Professor Dr. Holger Broich, der ihm derzeit vor dem Fußballspielen die Schnürsenkel bindet, wie Goretzka verriet. Der habe sich "da herauskristallisiert", sagte er und fügte lachend hinzu: "Der macht die Schuhe am besten zu."

Abgesehen davon zeigte sich Goretzka sehr zufrieden mit der Seilschaft mit seinem Mittelfeldpartner Kimmich. "Ich fühle mich immer wohl neben ihm auf dem Platz", sagte Goretzka auf Nachfrage von t-online über das Zusammenspiel der beiden Nationalspieler im Zentrum: "Er hat er auch ein gutes Spiel gemacht, von daher sind alle zufrieden mit ihm." Mit einem süffisanten Lächeln verwies Goretzka noch auf Kimmichs Tor, das er "mit einem seiner viel kritisierten Standards" vorbereitet hatte.

Kapitän Manuel Neuer, der bereits vor der Partie ein Plädoyer pro Kimmich gehalten hatte, bestätigte das. "Das war der Jo, so wie wir ihn auch kennen", sagte Neuer zu t-online. Deshalb sei es richtig, einander zu unterstützen. "Wie ich über ihn gesprochen habe, war einfach ganz natürlich. Und er hat es heute bestätigt."

Es werde immer viel diskutiert, hatte Neuer schon auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gesagt, "aber wenn ich mir die Mannschaft aussuchen kann und der Jo steht zur Verfügung, will ich immer mit Jo spielen." Er sei "ein Fan von ihm", so Neuer weiter. "Er ist ein Leader. Jemand, der, wenn er auf dem Platz steht, den unbedingten Willen hat, die Spiele zu gewinnen."

Der Fixpunkt im Mittelfeld zieht die Fäden

Anlass für Neuers Brandrede war eine ziemlich steile These gewesen, die Experte Dietmar Hamann am Sonntag bei "Sky90" in den Raum stellte. "Nach gestern musst du sagen: Ist es ohne Kimmich eine bessere Mannschaft?", sagte Hamann. Am Samstagabend hatte Bayern ohne den rotgesperrten Kimmich mit 4:0 in Dortmund gewonnen. Eine Antwort auf seine brisante Frage wagte Hamann selbst aber nicht zu geben.

Die lieferte ihm Kimmich nun auf dem Platz. Gegen Galatasaray war er nämlich gleich der spielbestimmende Akteur der Bayern auf dem Platz, als der er sich im Zentrum des Spiels selbst auch versteht.

Wie es sein Trainer Thomas Tuchel angekündigt hatte, zog er als "Fixpunkt" im Mittelfeld die Fäden, hatte mit 110 Ballkontakten die meisten der Spieler auf dem Platz. 90 seiner insgesamt 98 Pässe kamen an. Er spielte auch die von seinem Coach in seiner Abwesenheit vermissten Chip- und Diagonalbälle, wovon 12 seiner 13 Versuche auch bei seinen Mitspielern landeten. Mit einem davon leitete er bereits Harry Kanes Pfostentreffer ein (53.). Per Freistoß bereitete er dessen wichtigen Kopfballtreffer zum 1:0 dann direkt vor.

Unter anderem deshalb hatte auch Sportdirektor Christoph Freund gegen Galatasaray ein "sehr, sehr gutes Spiel" von Kimmich gesehen. "Er ist sehr wichtig für uns. Ein absoluter Führungsspieler, der über Jahre Topleistung bringt", sagte Freund in den Katakomben der Arena im Gespräch mit t-online.

Warum Kimmich zumindest in der deutschen Öffentlichkeit trotzdem immer wieder in die Kritik gerät? Der 28-Jährige habe bereits über viele Jahre auf "extrem hohem Level gespielt", sagte Freund dazu. Die Anforderungen an ihn seien sehr hoch. "Er hat auch an sich selbst sehr hohe Anforderungen", so der Österreicher weiter. "Je höher es geht, desto mehr wird auf einen geschaut, desto mehr Licht kommt drauf."

Dass es auf diesem hohen Niveau "auch mal den ein oder anderen Fehler" gebe, sei normal. Den mache "jeder auf der Welt".

Der negative Höhepunkt der bisherigen Saison

Mit gleich mehreren individuellen Patzern hatte Kimmich seinen Zweiflern eine gewisse Angriffsfläche geboten. Beim Hinspiel vor zwei Wochen in Istanbul (3:1) verursachte er ungestüm den Elfmeter zum zwischenzeitlichen Ausgleich und leistete sich kurz vor der Halbzeitpause dann noch einen haarsträubenden Ballverlust, der beinahe zu einem weiteren Gegentor geführt hätte.

In einer ähnlichen Situation sah er eine Woche später nach seiner Notbremse gegen Darmstadt bereits nach vier Minuten die Rote Karte. Das anschließende Pokal-Aus bei Drittligist Saarbrücken, bei dem seine Sperre nicht galt, markierte für Kimmich und die Bayern schließlich den negativen Höhepunkt der bisherigen Saison.

"Aber grundsätzlich ist er extrem wichtig und ein absoluter Führungsspieler für uns", stellte Freund klar. Auf die Frage von t-online nach dem Stand der Gespräche über eine mögliche Verlängerung von Kimmichs im Sommer 2025 auslaufendem Vertrag sagte Freund: "Wir haben noch nicht im Detail gesprochen, aber natürlich habe ich mit Jo schon länger gesprochen. Er weiß um seine Rolle bei Bayern München und wir auch."

"Joshua Kimmich steht für den FC Bayern"

Wie die auf dem Platz aussieht, führte Kimmich seinen Kritikern und sonstigen Beobachtern am Mittwochabend in der Allianz Arena beim Sieg gegen Galatasaray einmal mehr vor Augen.

Auch Präsident Herbert Hainer dürfte das gefallen haben. Auch er würde Kimmich nämlich zukünftig gerne weiter beim Rekordmeister sehen. "Joshua Kimmich steht für den FC Bayern – uns gefällt, dass er immer Verantwortung übernimmt und vorangeht", sagte Hainer zuletzt der "Sport Bild": "Er ist einer unserer Kapitäne und einer dieser Spielertypen, die einem Team die Richtung vorgeben. Ich würde mir wünschen, er beendet hier bei uns seine Karriere – aber das eines fernen Tages."

Zuvor wird Kimmich aber ganz sicher noch die ein oder andere Spezialaufgabe für die Münchner übernehmen. Und wenn es nötig ist, Goretzka bestimmt auch noch das ein oder andere Mal die Fußballschuhe schnüren.