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Champions League: Duell mit dem BVB ist für Zenit St. Petersburg eine große Chance


BVB-Gegner in der Königsklasse
Zenit soll das Fenster zur Welt öffnen

Von t-online
24.02.2014Lesedauer: 5 Min.
Andrei ArschawinVergrößern des BildesAndrei Arschawin ist nur einer von vielen hochbegabten Kickern bei Zenit St. Petersburg. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)
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Von Patrick Brandenburg

Der Blick nach Westen - vermutlich nirgends in Russland ist er so ausgeprägt wie in St. Petersburg. Schon Zar Peter der Große plante die Metropole vom Reißbrett als Fenster zur Welt. Er holte Handwerker aus Holland, um am Fortschritt des Kontinents anzudocken. Fußballerisch knüpfte die Stadt an dieses Prinzip an, spätestens als Zenit 2008 mit dem früheren Bondscoachs Dick Advokaat den UEFA-Cup gewann, wurde das deutlich sichtbar. Seitdem hat der mit Gazprom-Millionen aufgepumpte Klub national seine Rolle gefunden, aber in Europa läuft das Team den riesigen Ansprüchen wieder hinterher. Das Achtelfinal-Duell in der Champions League mit Borussia Dortmund bedeutet die Chance, ein neues Ausrufezeichen zu setzen.

"Meine Mannschaft lebt für diesen Wettbewerb", sagt der aktuelle Coach Luciano Spalletti vor der Auseinandersetzung mit dem deutschen Vizemeister. Für den mit sündhaft teuren Stars wie Hulk oder Axel Witsel aufgerüsteten Spitzenreiter der russischen Premjer Liga ist die Königsklasse die Gelegenheit, sich zu präsentieren. Weniger, um die Kicker für andere Topklubs interessant zu machen - wer zahlt schon besser als Zenit? - sondern vielmehr, um im größten aller Schaufenster die hohen Ablösen und exorbitanten Gehälter zu rechtfertigen. Gegenüber der Fußballwelt, aber vor allem gegenüber den eigenen Chefs. "An der Spitze des Klubs stehen sehr ambitionierte Personen", sagt der seit 2009 für Zenit verantwortliche Trainer Spalletti und reicht den Druck an seine Spieler weiter: "Wir werden gegen den BVB alles versuchen, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden."

Weil die russische Liga erst wieder Anfang März startet, arbeitet Zenit seit über zwei Monaten auf dieses Highlight in der Königsklasse hin. Das könnte sich als Nachteil erweisen, so wie bei Dortmunds Achtelfinal-Gegner der vergangenen Saison: Schachtar Donezk ging ohne Wettkampfpraxis ins Duell und zeigte sich nach einer tollen Gruppenphase noch nicht wieder von seiner besten Seite. Für Zenit dagegen kam die Pause eher zur rechten Zeit. Als schlechtester Gruppenzweiter der Geschichte der Champions League rumpelte das Team in die K.o.-Runde. Trotz einer 1:4-Pleite zum Abschluss bei Austria Wien kam der Klub mit insgesamt nur sechs Zählern weiter, während in Dortmunds Gruppe der Dritte Neapel sogar mit der doppelten Punktzahl die Segel strich.

Beiersdorfer erinnert an Liverpool

Vermutlich war der früheren Roma-Trainer und Offensiv-Verfechter Spalletti also froh, in gleich drei Trainingslagern intensiv an der Taktik feilen zu können, Spielzüge einzustudieren und vor allem, die Fehler der Vorrunde aufzuarbeiten. Von den durchwachsenen Resultaten im Testspiel-Marathon des Herausforderers sollte sich der BVB jedenfalls nicht blenden lassen. Was fünf Siege, zwei Remis und drei Niederlagen (gegen Donezk, Charkiw und Bratislava) im Vorlauf zur Champions League wert sind, wird wohl erst im Petrowski-Stadion zu sehen sein, in dem beiden Teams im Übrigen arktische Kälte erspart bleibt. Zenit-Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer warnte die Dortmunder, dass sein Team in der vergangenen Saison trotz Kaltstart den FC Liverpool aus der Europa League warf.

Allerdings muss der Klub gegen Dortmund auf einen Teil seiner Hardcore-Fans verzichten. Nach Ausschreitungen im Spiel bei der Austria bleibt der Ultra-Block auf Anweisung der UEFA geschlossen. Ins altehrwürdige Petrowski-Stadion, diesen Zwanzigerjahre-Bau mit Sowjet-Charme, passen ohnehin nur gut 21.000 Zuschauer. Auf Besserung warten die Zenit-Fans seit Jahren - und müssen sich weiter gedulden. Ein neues, hochmodernes Stadion mit ausfahrbarem Rasen und verschließbarem Dach, vergleichbar dem in Schalke, sollte eigentlich längst stehen. Doch regelmäßig werden beim Bau Fristen gerissen. Weil Russland zwischenzeitlich noch den Zuschlag zur WM 2018 erhielt, musste zudem in Sachen Kapazität größer gedacht werden, um der mit fünf Millionen Einwohnern zweitgrößten Metropole des Landes ein Halbfinale zu bescheren. Die FIFA fordert mindestens 60.000 Plätze für eine solche Partie. Wenn die künftige Gazprom-Arena dann 2017 mit sieben Jahren Verspätung endlich fertig wird, könnte sie mit Kosten bis zu einer Milliarde Euro sogar zum teuersten Stadion der Welt aufsteigen.

Geld für die Mannschaft vorhanden

Die wichtigste Baustelle ist aber das Team. Dort wird ebenso kräftig investiert, dass es einem schwindelig wird. In den vergangenen fünf Jahren hat der Klub gut 226 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben und auch nicht annähernd vergleichbar für Transfers kassiert. Von Financial Fair Play will in Petersburg noch niemand etwas hören. Denn nach dem Gewinn des dritten Meistertitels 2012 soll die Lieblingsmannschaft von Staatspräsident Wladimir Putin und Regierungschef Dmitri Medwedew endlich in Europa für Aufsehen sorgen. „Unsere Ziele sind klar vorgegeben. Trotz der starken Rivalität der Moskowiter Klubs wollen wir in Russland die dominierende Rolle spielen und uns dabei international noch wesentlich stärker profilieren“, sagte Beiersdorfer jüngst im „kicker“ und meinte damit sicher nicht den mehrsprachigen Twitteraccount des Klubs, der auch auf Deutsch zu verfolgen ist.

Um im Konzert der Großen die erwünschte Duftmarken zu setzen, durfte der Sportdirektor gleich zu Beginn seiner Dienstzeit bei Zenit auf eine irre Shopping-Tour gehen. Alleine für Brasiliens Nationalstürmer Hulk überwies der zuvor beim Red-Bull-Konzern im Geldausgeben erprobte Manager geschätzte 55 Millionen Euro an den FC Porto. Benfica Lissabon bekam 40 Millionen für Axel Witsel, seinerseits belgischer Nationalspieler. Auch in der aktuellen Winterpause hat Beiersdorfer ordentlich hingelangt. 18 Millionen Euro überwies er für den Venezuelaner Jose Rondon an den Liga-Konkurrenten Rubin Kazan, damit die eigene Offensive wieder mehr auf Touren kommt.

Erinnerungen an das Team von 2008

Dazu stehen weitere bekannte Namen im Kader. Andrei Arschawin etwa, oder Anatolij Tymoschtschuk. Das begnadete Offensiv-Ass Arschawin wurde bei Arsenal London nie glücklich und hofft nun an alter Wirkungsstätte an die Leistungen erinnern zu können, die ihn nach der EM 2008 zu einem der begehrtesten Spieler der Welt gemacht hatten. Auch der ukrainische Kapitän Tymoschtschuk kommt als Rückkehrer, nun mit dem Siegergen eines FC-Bayern-Akteurs ausgestattet. Beide spielen im Liga-Betrieb nicht die erste Geige, aber gerade bei Highlights unter Flutlicht dürfte ihre Erfahrung gefragt sein. In Alexander Kerschakow steht ein weiterer Routinier zur Verfügung. Mit 28 Treffern hat Russlands Nationalstürmer inzwischen Legende Oleg Blochin als Rekordtorschütze abgelöst: Kein Spieler aus den Staaten der frühen Sowjetrepubliken traf im Europapokal besser.

Nachdem Zenit mit zwei Meisterschaften und einem Pokalsieg in den vergangen vier Jahren in Russland voll auf Kurs liegt, soll nun auch international wieder mal ein Erfolgserlebnis her. Der unvergessliche Lauf zum UEFA-Cup-Sieg 2008 dient als Blaupause, damals spielte das Team erst Nürnberg und Leverkusen schwindelig und im Halbfinale sogar den FC Bayern. Die 4:0-Demütigung der Münchner im Rückspiel ist Legende. In der Champions League steht der Klub aus der nördlichsten Millionenstadt der Welt dagegen erst zum zweiten Mal nach der Saison 2010/2011 in der K.-o.-Runde. Bis ins Viertelfinale drang Zenit nie vor. Das soll sich nun ändern, zumal auch die anfängliche Grüppchenbildung zwischen der Russen- und Legionärsfraktion angeblich beendet ist. "Hinter uns steht eine Millionenstadt mit leidenschaftlichen Fans. Wir haben nun die Möglichkeit, ein neues Kapitel in der Geschichte des Klubs aufzuschlagen", sagt Trainer Spalletti mit ein wenig Pathos. "Dafür werden wir gegen Borussia Dortmund alles tun." In St. Petersburg geht der Blick nach Westen.

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