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Almuth Schult: "Horst Hrubesch hat die Euphorie zurückgebracht"


Almuth Schult
"Horst Hrubesch hat die Euphorie zurückgebracht"

InterviewEin Interview von Philip Seiler

07.04.2018Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Almuth Schult (M.) nach dem Sieg gegen Tschechien: Im Interview schwärmte die Nationaltorhüterin bereits vor dem Spiel von Trainer Horst Hrubesch.Vergrößern des Bildes
Almuth Schult (M.) nach dem Sieg gegen Tschechien: Im Interview schwärmte die Nationaltorhüterin bereits vor dem Spiel von Trainer Horst Hrubesch. (Quelle: DeFodi/imago-images-bilder)

Die DFB-Frauen stehen in der WM-Quali unter Druck. Torhüterin Almuth Schult spricht über den neuen Trainer Hrubesch, die Verletzung von Neuer und Hochkonjunktur beim Eier-Verkauf.

Olympiasiegerin, Europameisterin und Welttorhüterin: Almuth Schult hat mit der Frauen-Nationalmannschaft schon einiges erreicht. Zuletzt ging es bei den DFB-Frauen jedoch bergab. Bei der EM 2017 scheiterte die Mannschaft im Viertelfinale, zuletzt gab es Niederlagen gegen die USA und Frankreich beim SheBelieves-Cup. Trainerin Steffi Jones musste gehen. Mit Interimscoach Horst Hrubesch soll es nun wieder nach oben gehen. Im Interview mit t-online.de spricht die Nationaltorhüterin über die anstehenden WM-Qualifikationsspiele wie das heutige Duell mit Tschechien in Halle an der Saale (16.15 Uhr), den neuen Trainer – und sie verrät, was sie ihren Teamkolleginnen regelmäßig in die Kabine mitbringt.

t-online.de: Frau Schult, wie ist es, in der Nationalmannschaft plötzlich von einem Mann trainiert zu werden?

Almuth Schult (27): (lacht) Das bin ich ja aus dem Verein gewohnt. Grundsätzlich macht es für mich keinen Unterschied, von einem Mann oder einer Frau trainiert zu werden, weil man daran keine Kompetenz festmachen kann. Es ist immer vom Typ und Umgang abhängig.

Wie ist Ihr erster Eindruck von Horst Hrubesch?

Horst Hrubesch macht das bislang in den ersten Trainingseinheiten sehr gut und ich habe das Gefühl, dass die Mädels neuen Mut fassen und dass wir auf die beiden WM-Qualifikationsspiele gegen Tschechien und Slowenien (10. April, Anm. d. Red.) gut vorbereitet sind.

Wie hat der Trainer Sie auf diese beiden wichtigen Spiele eingestellt?

Er hat seine Spielkonzeption vorgestellt und möchte, dass wir Ballbesitzfußball spielen und dominant auftreten. Im Training haben wir deshalb überwiegend an der Offensive gearbeitet. In der Defensive sollen wir versuchen, das Zentrum dicht zu machen. Das waren erst mal klare Ansagen, die wir hoffentlich in beiden Spielen gut umsetzen können.

Was macht Horst Hrubesch anders als seine Vorgängerin Steffi Jones?

Man kann das nicht vergleichen. Horst Hrubesch hat seine eigene, direkte Art. Er äußert sofort Kritik, wenn etwas nicht gut funktioniert. Das kann zum Beispiel ein Pass oder eine taktische Ordnung im Training sein. Dann unterbricht er sofort und schreitet ein. Aber trotzdem vermittelt er auch Spaß und Euphorie. Das ist genau das, was wir momentan brauchen. Man merkt einfach, dass er die Mannschaft gepackt bekommt.

Das müssen Sie erklären. Wie genau bekommt er die Mannschaft „gepackt“?

Er hat unheimlich viel Erfahrung und hat sehr viel erlebt – ob als Spieler oder Trainer. In jeder Situation kann er ein Beispiel bringen, was passieren könnte oder was vielleicht in der Vergangenheit schon einmal passiert ist. Er zeigt uns aber auch, dass er keine Scheu hat, hart durchzugreifen. Ich bin mir sicher: Wenn ihm etwas nicht passt, hat er kein Problem damit, jemanden nach zehn Minuten auszuwechseln. Damit rüttelt er die Mannschaft auch wach. Und durch die Detailversessenheit im Training schafft er ein anderes Bewusstsein für unser Spiel, was im jeweiligen Moment wichtig ist.

Horst Hrubesch hat auch Dinge abseits des Trainings verändert, zum Beispiel die Tischordnung aufgehoben. Spielerinnen und Betreuer sitzen nicht mehr getrennt. Ist die Mannschaft seit der Trennung von Steffi Jones wieder näher zusammengerückt?

Das ist das, was der Trainer damit bezwecken will. Er möchte uns ins Bewusstsein rufen, wie viel Arbeit im Team hinter dem Team steckt. Und er möchte, dass wir uns abseits des Platzes auch mal mit anderen Dingen beschäftigen, um unseren Kopf nicht nur voll mit Fußball zu haben. Der Körper muss sich ja auch mal entspannen. Das finde ich bisher sehr positiv. Horst Hrubesch zeigt uns: Es kann auch mal locker sein, aber im richtigen Moment muss es ernsthaft zugehen. Vielleicht kann er damit noch ein paar Prozentpunkte verbessern.

Gibt es zwischen Horst Hrubesch und seiner Vorgängerin Steffi Jones einen Klassenunterschied?

Es gibt immer verschiedene Trainertypen, allein schon aufgrund der verschiedenen Persönlichkeiten. Man konnte Silvia Neid und Steffi Jones nicht vergleichen, man kann Steffi Jones und Horst Hrubesch nicht vergleichen. Aber wir brauchten einen neuen Impuls, der die Euphorie zurückgebracht hat und eine andere Konzentration in der Mannschaft.

Warum war diese Euphorie unter Steffi Jones zuletzt nicht mehr vorhanden?

Wir haben unter Steffi Jones auch erfolgreiche Spiele bestritten. Wir haben unter ihr aber auch einen anderen Spielstil angenommen als unter Silvia Neid. Warum es am Ende nicht so erfolgreich war, das wissen wir als Spielerinnen selbst nicht genau. Wir hätten bei der EM im vergangenen Jahr auch einfach ein paar Torchancen mehr reinmachen können. Dann wären wir vielleicht Europameister geworden. Wenn aber das Glück ausbleibt, die Leistung nicht stimmt, ist es schwer, da wieder rauszufinden.

Horst Hrubesch ist bislang nur als Interimslösung vorgesehen, hat aber nicht ausgeschlossen, im Notfall noch etwas länger zur Verfügung zu stehen. Würden Sie diese Lösung befürworten?

Das ist nach wenigen Tagen schwer zu beantworten und liegt im Ermessen des DFB. Ich freue mich jetzt zunächst auf die Zusammenarbeit in den nächsten Wochen.

Welche Art von Trainer wäre Ihre langfristige Wunschlösung? Eher der Typ Ralf Kellermann oder der Typ Martina Voss-Tecklenburg?

(lacht) Da möchte ich mich nicht festlegen. Ich habe schon unter vielen Trainern erfolgreich gespielt und der Erfolg hängt nicht nur vom Trainer, sondern auch von den Spielern, vom Betreuerteam und vielen anderen Faktoren ab.

Ihr männliches Pendant in der Nationalmannschaft, Manuel Neuer, ist seit sechs Monaten verletzt. Wäre es bei den Frauen undenkbar, so lange auf einen Torwart zu warten wie die Männer auf ihn?

Es ist in der Praxis noch nicht vorgekommen, aber mit Sicherheit denkbar. Ich bin vor zwei Jahren knapp drei Monate wegen eines Mittelfußbruchs ausgefallen. Als ich wieder fit war, habe ich dennoch das erste Spiel in der Nationalmannschaft gemacht und war sehr glücklich über das Vertrauen der Trainer.

Neuer hat am Donnerstag erstmals wieder mit Ball trainiert. Wie viel Spielpraxis braucht man als Torhüter, um bei 100 Prozent zu sein und eine WM zu spielen?

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Das kommt darauf an, wie sicher man sich beim ersten Mal auf dem Platz fühlt. Man kann sich als Torhüter im Training sehr gut auf die Spielpraxis vorbereiten. Es gibt Torhüter, die brauchen anschließend nur ein Spiel, um wieder drin zu sein. Andere brauchen vielleicht etwas mehr. Aber bei Manuel Neuer haben wir schon gesehen, dass er eine überragende Qualität hat. Vor der vergangenen WM hatte er auch eine Schulterverletzung und konnte im Vorfeld nicht viel trainieren und spielen. Dennoch war er dann topfit zum Turnier.

Sollte Neuer also als Nummer eins zur WM fahren, auch wenn er bis dahin kein Bundesliga-Spiel gemacht hat?

Wenn Manuel Neuer bis zur WM spielfähig ist, sollte man ihn auch ohne Bundesliga-Einsatz mitnehmen. Allein schon, weil er der Kapitän ist. Zwischen dem Saisonende der Bundesliga und dem WM-Start ist ja auch noch etwas Zeit. Im Trainingslager müssen Bundestrainer Jogi Löw und Torwarttrainer Andreas Köpke dann gemeinsam mit ihm entscheiden, ob es reicht. Manuel Neuer würde sich aber ohnehin immer in den Dienst der Mannschaft stellen und nur spielen, wenn er wirklich bei 100 Prozent ist. Und wenn er 100-prozentig fit ist, ist er der beste Torwart der Welt. Und dann braucht man ihn auch als Rückhalt.

Sie sind auf dem Land, genauer gesagt auf dem Bauernhof Ihrer Eltern im 120-Einwohner-Dorf Lomitz aufgewachsen. Wie leben Sie mittlerweile?

(lacht) Mittlerweile lebe ich immer noch relativ ländlich. Unter der Woche wohne ich zwar in einer Wohngemeinschaft in Wolfsburg. Aber mein Hauptwohnsitz ist weiterhin in Lomitz. Ich bin mit der Heimat immer noch fest verwurzelt und habe dort viele Freunde und Verwandte. Und dort tanke ich gerne Kraft für meine Aufgaben.

Stimmt es, dass Sie Eier und Milch vom Bauernhof Ihrer Eltern in der Kabine verkaufen?

(lacht) Ja, das ist richtig. Vor allem das Eier-Thema ist sehr aktuell. Die Mädels lieben die Eier von den freilaufenden Hühnern. Darum bringe ich öfter eine Kühlbox mit nach Wolfsburg.

Wie kamen Sie damals eigentlich zum Fußball?

Ich habe drei ältere Geschwister. Mein jüngster Bruder hat damals mit dem Fußball begonnen. Und dann habe ich auch angefangen mit fünf Jahren in der Mannschaft bei den Jungs zu spielen. Erst mit 16 bin ich zu in einer wirklichen Frauen-Mannschaft (Hamburger SV, Anm. d. Red.) gewechselt.

Hätten Sie sich damals erträumt, einmal die deutsche Nummer eins zu werden?

Jedes Kind hat Träume. Und wenn man dann zum ersten Mal in einer U-Nationalmannschaft gespielt hat, träumt man auch davon, irgendwann in der A-Nationalmannschaft zu spielen. Dieser Traum war ab diesem Zeitpunkt allgegenwärtig und dafür habe ich hart gearbeitet.

Über Bad Neuenahr kamen Sie 2013 zum VfL Wolfsburg. Mit dem Verein haben Sie zwei Meistertitel, dreimal den DFB-Pokal und einmal die Champions League gewonnen. Was bleiben da eigentlich noch für Ziele?

(lacht) Immer die gleichen. Jeder Titel ist anders und ein Meilenstein, den man in einer anderen Zusammenstellung erreicht hat. Deswegen will ich noch mal Deutscher Meister, noch mal Pokalsieger und noch mal Champions-League-Sieger werden. Außerdem bin ich Perfektionist und gewinne am liebsten auch jedes Trainingsspiel. Selbst wenn ich zuhause mit meinen Eltern Skat spiele und nicht gewinne, ärgere ich mich. Ich hasse es, zu verlieren.

Was passiert denn, wenn Sie beim Skat spielen verlieren?

(lacht) Früher als Kind war ich oft sehr böse. Da konnten schon mal die Karten fliegen oder die Türen knallen. Mittlerweile habe ich mich da besser im Griff. Aber im Fußball kann mich ein Torwartfehler auch mal Wochen oder Monate beschäftigen. Da muss meine Familie dann auch manchmal sagen: „Mensch Almuth, komm mal runter“

Sie haben Ihren Vertrag kürzlich bis 2022 verlängert. Werden Sie bis zur Rente in Wolfsburg spielen?

Ich weiß noch nicht, wann das Rentenalter bei mir eintritt. Manche hören mit 27 auf, manche mit 37. Wenn mein Vertrag endet, bin ich 31. Dann schauen wir mal, wie es weitergeht. Ich fühle mich hier sehr wohl. Die Nähe zur Heimat ist mir sehr wichtig. Und Wolfsburg ist ein international erfolgreicher Verein mit tollen Bedingungen.

Mit der Nationalmannschaft waren Sie bereits Europameisterin und Welttorhüterin. Bleibt noch der WM-Titel, oder?

Ja, der ist noch offen. Ich habe zwar mit der U20 eine WM gewonnen. Aber das ist nicht das gleiche. Mit der A-Nationalmannschaft bin ich einmal im Viertelfinale und einmal im Spiel um Platz drei gescheitert. Ich hoffe, dass dieser Traum dann 2019 in Frankreich wahr wird.

Was muss bis dahin noch passieren, um bei der WM eine realistische Chance zu haben?

Der erste Schritt ist die Qualifikation. Danach beginnt eine neue Phase mit viel harter Arbeit. Wir müssen zum Turnier topfit sein, eine eingespielte Mannschaft haben und den nötigen Teamgeist entwickeln. Und wir brauchen auch die nötige Breite im Kader und müssen den Titel einfach mehr wollen als alle anderen Mannschaften.

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