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Simon Ollert von der SpVgg Unterhaching ist taub - und Fußballprofi


Fußballprofi trotz Handicap
"Beim Elfmeter mache ich die Hörgeräte aus"

Von t-online
Aktualisiert am 26.12.2014Lesedauer: 4 Min.
Simon Ollert von der SpVgg UnterhachingVergrößern des BildesSimon Ollert von der SpVgg Unterhaching lässt sich von seinem Handicap nicht unterkriegen. (Quelle: Buthmann/imago-images-bilder)
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Das Interview führte Marc L. Merten

Simon Ollert ist 17 Jahre alt und ein ganz normaler Nachwuchsfußballer der SpVgg Unterhaching. Er geht noch zur Schule und hat in dieser Saison den Sprung zu den Profis geschafft. Mit seinem Debüt in der Dritten Liga hat er sich einen Traum erfüllt. Einen Traum, der vor einigen Jahren noch fast unmöglich erschien. Denn Ollert ist taub. Der Youngster ist nach Stefan Markolf erst der zweite Fußballer in Deutschland, der es trotz einer körperlichen Behinderung in den Profifußball geschafft hat.

t-online.de traf den jungen Mann vor dem Abschlusstraining Unterhachings vor dem letzten Spiel des Jahres gegen Regensburg (3:2). Es ist ein Freitagmorgen, Ollert hat schulfrei und kann so mit der Mannschaft von Trainer Christian Ziege trainieren. Auch, wenn er es an diesem Tag nicht in den Kader schaffen wird, sagt der in Schongau geborene 17-Jährige: „Ich will zeigen, dass Menschen mit Handicaps sich nicht verstecken brauchen.“

t-online.de: Simon, Du bist von Geburt an taub. Wie ist es möglich, dass wir beide uns trotzdem gerade normal unterhalten können?
Simon Ollert: Ich trage spezielle Hörgeräte. Mit denen kann ich circa 70 Prozent von dem hören, was Du sagst. Die letzten dreißig Prozent lese ich von Deinen Lippen ab. Aber es stimmt, ohne Hörgeräte würde ich gar nichts hören. Null Prozent.

Jetzt sitzen wir hier in Ruhe in der Geschäftsstelle Deines Vereins zusammen. Diese Ruhe hast Du auf dem Platz aber nicht. Und die Chance, von den Lippen Deiner Mitspieler abzulesen, auch nicht.
Klar, je lauter es wird, desto schwieriger ist es für mich zu verstehen und desto mehr muss ich auf andere Dinge achten. Meine Augen sind dann das wichtigste. Ich muss viel beobachten, versuchen Lippen zu lesen und in Zeichensprache mit meinen Mitspielern zu kommunizieren. Ich bin sehr auf das angewiesen, was ich sehe und welche Signale mir meine Mitspieler geben. Wenn jemand hinter mir Kommandos ruft, höre ich das nicht. Deswegen muss ich immer doppelt schauen.

Was auch von Vorteil sein kann, weil Du so immer weißt, was um Dich herum passiert.
Ich glaube, das ist es auch, was mich so weit gebracht hat und wodurch ich viel gelernt habe. Ich muss immer das ganze Spielfeld im Blick haben. Fußballerisch habe ich auf diese Weise auch viel gelernt. Ich habe immer Spiele geschaut und beobachtet, was die Besten gemacht haben und dann versucht es nachzuahmen.

Kannst Du die Hörgeräte immer beim Fußball tragen?
Fast immer. Ein Problem gibt es nur, wenn es regnet. Ein bisschen Regen ist kein Problem. Ich schwitze ja auch. Das ist ähnlich und macht den Hörgeräten nichts aus. Aber wenn es sehr stark zu regnen beginnt wie letztens gegen Duisburg, muss ich die Hörgeräte rausnehmen. Dann höre ich gar nichts mehr. Dann nehme ich alles nur noch durch Beobachtung wahr.

Machst Du sie manchmal auch bewusst aus?
(lacht) Ja, manchmal schalte ich sie während des Spiels einfach aus. Wenn die Atmosphäre zu laut wird. Oder zum Beispiel beim Elfmeterschießen. Dann mache ich die aus – zack – und kann mich vollkommen konzentrieren. Das ist echt von Vorteil.

Du hast Dein Debüt im September gegen Bielefeld gegeben. Da hast Du sie sicher nicht abgelegt.
Nein. Dass ich auf den Platz durfte und das erste Mal Dritte Liga spielen durfte, war wie eine Erleichterung. Es war toll. Obwohl wir verloren haben und der Rahmen dadurch nicht so schön war, habe ich die Atmosphäre genossen, die Rufe der Fans, die Anfeuerung. Eigentlich ist es doch ein echtes Privileg hören zu können.

Seitdem hast Du fünf Spiele gemacht. Auf Deinen ersten Treffer wartest Du aber noch.
Ja, getroffen habe ich noch nicht. Aber eine Vorlage habe ich schon gegeben. In der U19 habe ich diese Saison neun Tore geschossen. Bei den Profis kommt das erste Tor bestimmt auch bald. Schließlich spiele ich im Sturm, weil ich gerne Tore schieße. (lacht)

Was sind Deine Stärken?
Meine Übersicht, klar. Die habe ich, weil ich mich ständig umschauen muss. Ich glaube, ich habe auch einen guten Torriecher. Und ich bin sehr ehrgeizig. Ich renne jedem Ball hinterher, selbst wenn er an der Eckfahne ins Aus kullert und schon zu weit weg scheint.

Kommt dieser Ehrgeiz auch daher, dass Du schon als Kind mehr zu kämpfen hattest als andere?
Ja, sicherlich auch. Ich möchte allen zeigen, dass man es auch mit Handicaps schaffen kann und dass alles möglich ist.

Und was ist für Dich möglich?
Natürlich träume auch ich von der Bundesliga. Aber ich habe Unterhaching sehr viel zu verdanken. Sie haben mir eine große Chance gegeben. Das will ich dem Klub zurückgeben. Ich habe noch viel zu lernen.

Gab es eigentlich schon einmal Probleme mit Schiedsrichtern?
Nein, entweder ich oder mein Trainer sagen dem Schiedsrichter vor dem Spiel Bescheid, dass ich schwerhörig bin. Nicht, dass der Schiri mir eine Gelbe Karte gibt, weil ich weiterspiele, nur weil ich den Pfiff nicht gehört habe. Das wäre ärgerlich, wenn ich einmal wegen so etwas Gelb-Rot bekommen würde.

Hast Du das Gefühl, Vorbild zu sein?
Das möchte ich gerne. Ich will zeigen, dass Menschen mit Handicaps sich nicht verstecken brauchen, sondern kämpfen müssen. Was hinten dabei raus kommt, das weiß man nie. Aber man sollte am Ende sagen können, man hat es versucht.

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