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Ehrmann über Pollersbeck: "Julian hat einfach eine Bärenruhe"


Pollersbeck-Entdecker Gerry Ehrmann exklusiv
"Julian als Nationaltorwart? Ja, warum nicht?"

t-online, Benjamin Zurmühl

30.06.2017Lesedauer: 5 Min.
Julian Pollersbeck jubelt über den entscheidenden gehaltenen Elfmeter gegen England.Vergrößern des BildesJulian Pollersbeck jubelt über den entscheidenden gehaltenen Elfmeter gegen England. (Quelle: Contrast/imago-images-bilder)
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Unter den Torwarttrainern ist Gerry Ehrmann eine absolute Legende. Der Lauterer ist für die Ausbildung von Keepern wie Roman Weidenfeller, Tim Wiese oder Kevin Trapp verantwortlich. Sein neuester Zögling ist Julian Pollersbeck, der im Halbfinale der U21-EM zum Held avancierte.

Im Interview mit t-online.de spricht Gerry Ehrmann über die Stärken von Julian Pollersbeck, dessen Wechsel zum HSV und Kevin Trapps schwere Zeit in Paris.

t-online.de: Herr Ehrmann, Sie haben mit Kevin Trapp, Tim Wiese etc. schon viele großartige Torhüter ausgebildet. Was macht Julian Pollersbeck im Vergleich so besonders?

Zu seinen Stärken zählen natürlich seine Größe und seine Beidfüßigkeit. Was ihn aber besonders hervorhebt, ist nunmal seine Ruhe, seine Unbekümmertheit, trotz seines jungen Alters und der geringen Erfahrung.

Wäre Julian Pollersbeck aus langer Sicht auch einer für die Nationalmannschaft?

Ja, warum nicht? Wenn einer in seinem Jahrgang die Nummer Eins in der U21 ist, heißt das, dass er außergewöhnliche Fähigkeiten hat. Es kommt dann immer darauf an, dass er mit der Aufgabe wächst und seine Persönlichkeit weiterentwickelt. Wenn er die Spielpraxis hat, sind da viele Dinge möglich. Wichtig ist, dass er nicht die Bodenhaftung verliert und abhebt.

Sehen Sie da bei ihm eine Gefahr?

Ich denke nicht. Es ist aber auch entscheidend, wie er reagiert, wenn mal ein Tief kommt. Erst dann sieht man, wie stark die Psyche wirklich ist. Bisher hat er noch kein richtiges Tal durchlebt. Julian muss dann den Ehrgeiz haben, sich zurückzukämpfen. Wenn es gut läuft, dann wird einem von überall auf die Schulter geklopft und man wird gelobt, aber es gibt eben auch die andere Seite. Das musst du vorher wissen.

Haben Sie ihm das auch bei seinem Wechsel gesagt?

Das sage ich meinen Jungs allgemein immer. Herz und Seele sind das Wichtigste. Die Wahrheit liegt auf dem Platz, da muss man seinen Mann stehen. Es kommt darauf an, eine Persönlichkeit und Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Der Theoriekram ist auch viel wischi-waschi, das ist alles relativ. Es gibt natürlich gewisse Sachen, die man für die körperliche Entwicklung machen muss, aber ich lege viel Wert auf die Praxis und auf das Wesentliche.

Was sagen Sie zu seiner Leistung gegen England?

Hervorragend, besser geht es ja eigentlich kaum für ihn. Vor allem in der kurzen Zeit. Er hat ja schließlich nur ein Jahr in der zweiten Liga hinter sich und spielt jetzt schon bei solch einem Turnier. Dass er so eine Leistung abruft, ist ein Verdienst seiner sehr guten Psyche. Julian geht mit so einer Situation sehr gut um.

Wie bewerten Sie die Leistungssteigerung im Hinblick auf das erste Spiel gegen Tschechien, wo er zwei kleine Wackler hatte?

Seine Leistung in dem Spiel war ja nicht so schlecht, wie sie oft dargestellt wurde. Der erste Rückpass war ohnehin etwas eng und beim zweiten Ball hat ihm einfach die Handlungsschnelligkeit gefehlt, sowas kann passieren. Das waren kleine Unsicherheiten, aber er geht damit gut um.

Nach dem Spiel sagte Pollersbeck: „Ich habe einfach nicht nachgedacht, so wie fast immer.“

Ja, das ist seine Art. So ist er. Das ist das bayrische in ihm (Pollersbeck stammt aus Altötting, 100km östlich von München, Anm. d. Red.), dass er sich nicht so verrückt macht (lacht). Das ist eine seiner großen Stärken. Er bringt natürlich noch mehr mit, aber es gibt viele Torhüter, die zwar sehr gut sind, aber psychische Schwächen zeigen, wenn sie mal einen Fehler machen. Julian hat da einfach eine Bärenruhe.

Also hatten Sie keine Sorge, dass er ein bis zwei Elfmeter halten wird?

Naja, Elfmeterschießen ist auch immer eine Glückssache. Meine Prämisse für meine Jungs ist immer: Wenn man fünfmal in die gleiche Ecke springt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man ein bis zwei Elfmeter hält. Es ist fast nie der Fall, dass alle Elfmeter in die andere Ecke geschossen werden. Alles andere mit der Zettelschreiberei oder so, das ist doch alles nur ein Alibi. Die Schützen wissen doch genau, dass du als Torhüter weißt, in welche Ecke sie am liebsten schießen. Das ist doch heutzutage mit all den Analysen und Aufzeichnungen kein Geheimnis mehr. Deshalb kommt es auf Intuition und Glück an.

Nun wechselt er nach nur einem Jahr in der zweiten Liga zum HSV. Kommt der Schritt vielleicht etwas zu früh?

Nein, das würde ich nicht sagen. Manche gehen mit 18 in die Bundesliga und spielen sofort, manche gehen erst mit 25 oder 26 Jahren. Das kann man deshalb im Vorhinein schwer sagen. Es gibt nur gute und schlechte Torhüter. Er wird mit der Aufgabe wachsen, so wie er es immer tut. Wenn er in der ersten Liga mehr Tore kassiert, zerstört ihn das nicht. Ganz im Gegenteil: Das motiviert ihn eher. Ich glaube nicht, dass ein Wechsel zu früh kommt. Er muss sich jetzt aber der Konkurrenz und der neuen Situation stellen. Er hat da ein neues Umfeld und einen neuen Torwarttrainer. Ich habe ihm hier immer den Rücken freigehalten, wenn er mal einen Fehler gemacht hat. und ich hoffe, das ist in seinem neuen Verein ebenso.

Sie haben bekanntlich ein sehr enges Verhältnis zu ihren Torhütern. Haben Sie den Kontakt auch nach den Wechseln noch gehalten?

Selbstverständlich, wir haben immer Kontakt.

Haben Sie auch Kevin Trapp während seinem Tief in Paris geholfen?

Ja, da haben wir auch telefoniert und geschrieben. Er hat mir dann Aufzeichnungen und Analysen seiner Fehler geschickt und da haben wir uns dann auch ausgetauscht. Ich bin für die Jungs Trainer, Freund und Psychologe. Die können mich mitten in der Nacht anrufen, wenn sie wollen. Das ist ein Geben und ein Nehmen.

Verfolgen Sie auch den Confed Cup, auch wenn Kevin Trapp noch keinen Einsatz hatte?

Ja, klar. Ich habe auch Kontakt mit ihm. Er hat mir letztens ein Foto geschickt von ihm mit Kerem Demirbay und Amin Younes, die ich auch noch aus Kaiserslautern kenne. Ich war ja nicht nur für die Torhüter da, sondern auch für die Feldspieler. Das sind alles gute Jungs, da freut es mich immer, wenn man was von denen hört. Das ist ja auch das, was mir an der Arbeit so Spaß macht.

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