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Bastian Schweinsteiger: Der WM-Held von 2014 – Eine Zeitreise


Der WM-Held von 2014
Bastian Schweinsteiger: Niederlagen machten aus ihm einen Anführer


Aktualisiert am 09.10.2019Lesedauer: 6 Min.
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Für den FC Bayern und die Nationalmannschaft: Bastian Schweinsteiger war für seine Teams immer eine Stütze.Vergrößern des Bildes
Für den FC Bayern und die Nationalmannschaft: Bastian Schweinsteiger war für seine Teams immer eine Stütze. (Quelle: Pressebildagentur/imago-images-bilder)

Bastian Schweinsteiger beendet nach 17 Jahren seine Karriere als Fußball-Profi. In dieser Zeit entwickelte sich der langjährige Bayern-Star vom "Schweini" zum Anführer der Weltmeister-Mannschaft. Eine Zeitreise.

In der Isarvorstadt erzählen sie sich bis heute die Anekdoten über ihren Bastian. Wie der damalige Stratege des FC Bayern nach jedem Bundesliga-Wochenende an den Gärtnerplatz in München kam, einem grün bewachsenen Kreisverkehr unweit des Flußes, der dem Stadtviertel seinen Namen gibt.


Hier lebte Bastian Schweinsteiger jahrelang, während viele seiner Bayern-Kollegen die Ruhe des Villen-Viertels Grünwald vorzogen und vorziehen, oder die Idylle des Tegernsees im Süden der bayerischen Landeshauptstadt. Mitten unter den wuselig umhereilenden oder lässig flanierenden Münchnern frühstückte der Fußballstar Schweinsteiger dagegen stets, trank einen Espresso, grübelte darüber, was kurz zuvor in einem der Fußballstadien Deutschlands passiert war. So tat er es auch in jenem Mai 2012 nach dem "Finale dahoam".

Im Endspiel der Champions League hatte der Oberbayer in seinem Wohnzimmer, der Allianz Arena, im Elfmeterschießen als vierter Münchner Schütze verschossen und dem FC Chelsea damit den Weg zum Sieg in der Königsklasse frei gemacht. "Damit musst du erstmal fertig werden. Es wird ein paar Tage dauern, aber er wird das wegstecken. Große Enttäuschungen gehören zum Fußballerleben dazu wie Siege und Titel", sagte sein damaliger Trainer Jupp Heynckes.

In einer Reihe mit Lahm und Matthäus

Bilder eines fassungslosen Schweinsteigers, weinend auf dem Rasen liegend, gingen um die Welt. Es war seine größte Niederlage, eine, die ihn tatsächlich stärkte, wie alle weiteren in seinem Fußballerleben. Es ist die Geschichte eines der größten deutschen Spieler, der seine Karriere nun beendet hat – und sich einreiht unter Namen wie Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus und Philipp Lahm.

Besagte Geschichte begann behütet, in Rosenheim, wenige Kilometer von seinem Heimatort Kolbermoor entfernt. Dort, vor dem imposanten Hintergrund des Kaisergebirges, erlernte Basti, wie ihn seine Freunde bis heute nennen, das Fußballspielen. Mehr Oberbayern geht nicht.

"Schweini", ein echter Lausbub

Später sollte er beim FC Bayern durch diese Herkunft viel Identität stiften und zum Publikumsliebling werden, zum "Fußballgott", wie es aus der Südkurve tönt. Schon als Jugendlichen zog es ihn einst zum Rekordmeister in die Millionenmetropole. Fußball-Deutschland hatte gerade die WM 1998 ordentlich verkorkst. Anfang 2002 kam er zu den Amateuren, ehe er im November desselben Jahres seinen ersten Profivertrag an der Säbener Straße unterschrieb. "Schweini", wie ihn seine Mitspieler seinerzeit riefen, war 18 Jahre jung. Und ein echter Lausbub.

Denn: In München machte er nicht durch Fußball, sondern durch eine pikante Angelegenheit erstmals stadtweit auf sich aufmerksam. Schweinsteiger hatte sich, kaum ein halbes Jahr Profi, nachts Zutritt zum Spielertrakt des FC Bayern verschafft – in weiblicher Begleitung. Wie die "Sport Bild" damals berichtete, soll er sich gemeinsam mit der jungen Dame im Whirpool vergnügt haben, ehe Sicherheitsbeamte die beiden erwischten.

"Es war meine Cousine, der ich den Profi-Trakt zeigen wollte", soll der damalige Blondschopf mit dem frechen Gesichtsausdruck gesagt haben. Für den Münchner Boulevard war es ein Fest, auch, weil Schweinsteiger schon mal morgens um 4 Uhr in einer Münchner Disko gesichtet wurde, oder, weil er mal 150 statt der erlaubten 80 km/h fuhr. Was nicht zuletzt die Polizei dokumentierte.

"Poldi" und "Schweini" waren geboren

Geboren war das "Schweini"-Image, gepaart mit den Bedenken, er könnte nur wieder eines dieser ewigen Talente werden. Doch er brauchte nicht lange für den großen Durchbruch. Vor allem der niederländische Coach Louis van Gaal förderte ihn. "Ich bewundere ihn als Trainer", sagte Schweinsteiger später über seinen Mentor: "Er hat mich bei Bayern München als zentralen Mittelfeldspieler aufgestellt und damit maßgeblich meine sportliche Entwicklung beeinflusst." Bereits bei der (für Deutschland desaströsen) EM 2004 bestritt er alle drei Vorrundenspiele, nachdem er kurz zuvor gemeinsam mit Lukas Podolski debütiert hatte. "Poldi" und "Schweini" hallte es zwei Jahre später durch die Straßen der Republik, als er mit seinem langjährigen Kumpel während der Heim-WM Fußball-Deutschland verzückte.

Er erlebte die Enttäuschung von Dortmund, als das DFB-Team von einer riesigen Welle der Euphorie getragen, im Halbfinale an den Italienern scheiterte. Und er zwang im Spiel um Platz drei Portugal mit einer Gala-Vorstellung (zwei Tore, eine Vorlage) gefühlt im Alleingang in die Knie. Zweiter bei der EM 2008, Dritter bei der WM 2010, mit den Bayern im selben Jahr das Champions-League-Finale verloren, und schließlich tragischer Held des "Finale dahoam" 2012 sowie im Halbfinale der Europameisterschaft ausgeschieden.

Niederlagen schärften sein Profil

Niederlagen prägten Schweinsteiger, schärften sein Profil, hielten die Gier nach den ganz großen internationalen Titeln am Leben. Im Zentralen Mittelfeld führte er die Bayern wie im Rausch gegen Juventus Turin (2:0, 2:0) und den FC Barcelona (4:0, 3:0) ins Champions-League-Finale 2013, hielt nach dem Sieg gegen den BVB endlich den begehrten Henkelpott in Händen. Der nächste Pokal sollte der des Weltmeisters sein.

Doch Schweinsteiger wurde vor der WM 2014 zurückgeworfen, mal wieder. Er plagte sich monatelang mit einer Sprunggelenksverletzung herum und musste zweimal am Knöchel operiert werden. Bundestrainer Joachim Löw nahm seinen Strategen trotzdem mit nach Brasilien. Was mancher heute vielleicht nicht mehr weiß: Es war lange gar kein überragendes Turnier des Spielgestalters. Er war an nicht einem einzigen Tor unmittelbar beteiligt, nicht mal beim legendären 7:1 im Halbfinale gegen den Gastgeber.

Und doch sollten wenige Tage später wieder Bilder von ihm um die Welt gehen, wie er sich im Finale im Maracana-Stadion von knüppelharten Argentiniern, die ihn traten, zogen und schlugen, nicht niederringen ließ. Nahaufnahmen zeigten ihn nach einem Zweikampf mit blutend klaffender Wunde unter dem rechten Auge. Der Mythos vom Kämpfer, der niemals aufgibt, war spätestens in diesen Momenten geboren. Wieder lag er bitterlich weinend auf dem Rasen, diesmal aber in Rio, diesmal als Sieger. Als Gewinner, der die Argentinier tröstete, die ihn zuvor getreten, gezogen und geschlagen hatten. Weltweit genießt er seither großes Ansehen. Es war aber auch der Wendepunkt seiner Karriere. Denn: Im Klubfußball ging es seitdem für ihn bergab.

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Guardiola bedeutete sein Bayern-Aus

Schweinsteiger, mittlerweile 30, war in die Jahre gekommen, und durch schier unzählige Verletzungen geschwächt. Pep Guardiola war er beim FC Bayern nicht mehr gut genug. Er folgte dem Ruf von Mentor Louis van Gaal zu Manchester United, wurde aber von dessen Nachfolger José Mourinho aussortiert. Der Weltmeister, mittlerweile mit grauem Haar wirkte selbst in dieser Gemengelage mit sich im Reinen. Seine Beziehung zur Weltklasse-Tennisspielerin Ana Ivanovic war publik geworden, die Serbin gab ihm sichtlich Kraft.

Heimatverbunden, bodenständig, reflektiert – beiden einstigen Top-Sportlern werden dieselben Eigenschaften nachgesagt. Zuvor hatte Schweinsteiger eine Beziehung mit dem Münchner Model Sarah Brandner geführt, was viel Medienhall nach sich zog. Mit Ivanovic aber zog er sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück, dokumentiert durch eine malerische Traumhochzeit in Venedig unmittelbar nach der EM 2016.

Und das war ein Turnier wie ein letztes großes Hurra des Altstars. Als er im Auftaktspiel gegen die Ukraine (2:0) nur eine Minute nach seiner Einwechslung kurz vor Abpfiff ein Tor erzielte, rannte er frenetisch in Richtung DFB-Bank, als habe er Deutschland gerade ins Finale geschossen. Dass es nicht soweit kam, daran war auch er wieder beteiligt. Sieg und Niederlage lagen bei ihm eben schon immer ganz nah beieinander. Im Halbfinale verursachte der gealterte Mittelfeldstar den siegbringenden Handelfmeter für die Franzosen – und sagte danach: Servus, Nationalmannschaft!

Ob sie sich in Chicago, wo er seine Karriere, als Innenverteidiger umgeschult, ausklingen ließ, heute dieselben Geschichten erzählen, wie in der Isarvorstadt in München? Beide Seiten, die Bayern und Schweinsteiger, haben ein Engagement nach der Spielerkarriere nie ausgeschlossen. Dort, wo er vom "Schweini" zum Herrn Schweinsteiger reifte.



"Ich kann es kaum erwarten, welches Abenteuer als nächstes auf unsere wunderbare kleine Familie wartet", schrieb Ehefrau Ana auf Instagram. Und so verbinden viele Bayern-Fans sein Karriereende mit einer Hoffnung: Dass ihr Bastian wieder zurückkehrt. Auch an den Gärtnerplatz. Dort, wo er einst mitten unter den Münchnern seinen Espresso trank. Als einer von ihnen.

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