Premier und Europa League: Für Jürgen Klopp entscheidet sich alles

Einen Titel konnte Jürgen Klopp sich in seiner letzten Saison mit dem FC Liverpool bereits sichern. Drei weitere könnten folgen. Ob das klappt, wird sich schon bald entscheiden.

Die Szenen, die sich Ende Februar im Londoner Wembley Stadion nach dem Endspiel des englischen Ligapokals abspielten, dürften bei Fußballfans weltweit Gänsehaut ausgelöst haben. Da stand sie, die gesamte Mannschaft des englischen Top-Teams FC Liverpool, Spieler und Mitarbeiter, Arm in Arm und schunkelte nach Abpfiff vor der immer noch komplett mit Fans gefüllten Kurve hin und her. Die Anhänger reckten ihre Schals in die Höhe und sangen die Vereinshymne "You'll never walk alone" – und das Team um Trainer Jürgen Klopp sang mit.

Durch den Sieg im Ligapokal-Finale gegen den FC Chelsea (1:0 n.V.) hat sich der FC Liverpool den ersten Titel des Jahres gesichert. Für Klopp war es "die mit Abstand außergewöhnlichste Trophäe, die ich jemals gewonnen habe", wie er es nach der Partie pathetisch formulierte. Das lag vor allem daran, dass das zuletzt durch den Ausfall von zahlreichen Topstars geplagte Liverpool auf eine Reihe von Akademiespielern hatte setzen müssen, die dennoch den Titel holten.

Und auch sieben Tage später, am vergangenen Wochenende, spielten mit Bobby Clark, Conor Bradley und Jayden Danns drei Teenager für Liverpool in der Premier League auswärts gegen Abstiegskandidat Nottingham Forest. Sie erlebten hautnah mit, wie Superstar Darwin Núñez in der neunten Minute der Nachspielzeit den Siegtreffer köpfte und in der Gästekurve alle Dämme brachen.

Der Grund: Durch den Treffer geht der FC Liverpool in der Liga als Tabellenführer in die wichtigen Wochen, in denen der Klub nach dem Ligapokalsieg noch um drei weitere Titel spielt. Für Jürgen Klopp und seine Mannschaft entscheidet sich nun alles. Der Coach kann sich in Liverpool endgültig unsterblich machen.

Denn im Sommer ist Schluss an der Anfield Road für den 56-Jährigen. Das hatte er bereits im Januar verkündet. "Ich habe keine Energie mehr", so Klopp damals in einer Videobotschaft an die Fans. Sein Abschied wiegt bei Anhängern schwer. Zu tiefe Spuren hat Klopp im Klub hinterlassen, 2019 die Champions League, 2020 die Meisterschaft und 2022 Ligapokal und FA Cup mit seinem Team gewonnen.

Klopp möchte "alles aus dieser Saison herausholen"

Insbesondere der Sieg in der Premier League vor vier Jahren hat den Klopp-Kult in Liverpool noch einmal befeuert. 30 Jahre hatte der Verein zuvor auf einen Meistertitel in der Liga gewartet. Klopp stillte die Sehnsucht der Fans.

Vor seinem Abschied möchte er seinen größten Erfolg nun noch einmal wiederholen: "Lasst uns alles aus dieser Saison herausholen, damit wir in der Zukunft noch eine weitere Sache haben, auf die wir lächelnd zurückblicken können", so Klopp in besagter Videobotschaft. Für den erneuten Meistertitel muss Liverpool aber am Sonntag zunächst die aktuell wohl schwierigste Hürde im Vereinsfußball nehmen.

Die neue Rivalität an Englands Spitze

Zu Gast an der Anfield Road ist dann nämlich Manchester City. Drei Jahre in Folge hat der Scheich-Klub die Meisterschaft in der Premier League eingetütet, fünfmal in den vergangenen sechs Jahren. In der vergangenen Saison holte Star-Trainer Pep Guardiola mit seinem Team dazu noch den FA Cup und die Champions League, machte somit das historische Triple perfekt.

Zwischen den "Cityzens" und den "Reds" hat sich in der jüngeren Vergangenheit eine waschechte Rivalität entwickelt – titeltechnisch meist mit dem besseren Ende für das Team aus Manchester. Dem Ziel, der Milliardentruppe um Stars wie Erling Haaland, Kevin de Bruyne und Phil Foden in dieser Spielzeit die Meisterschaft abzutrotzen, könnte Liverpool am Wochenende ein entscheidendes Stück näher kommen. Bei einem Sieg läge die Klopp-Elf dann vier Punkte vor City.

Zurücklehnen könnte sich der FC Liverpool dann aber noch lange nicht. Denn das Titelrennen in der Liga ist in dieser Spielzeit ein Dreikampf. Der FC Arsenal, vergangenes Jahr Vizemeister, lauert momentan nur zwei Punkte hinter dem aktuellen Spitzenreiter. Gut aber für Klopp und sein Team: Ende März treffen Arsenal und Manchester City in der Premier League selbst noch aufeinander, klauen sich so gegenseitig die Punkte.

Klopps offene Rechnung

Die Wochen der Wahrheit stehen jedoch für den FC Liverpool nicht nur in der Liga an. Die Europa League ist einer der wenigen Wettbewerbe, die Jürgen Klopp noch nicht gewinnen konnte. In diesem Jahr könnte es endlich so weit sein.

Nach einer überzeugenden Gruppenphase steht Liverpool aktuell im Achtelfinale gegen Slavia Prag. Das Hinspiel gegen die Tschechen konnte das Team am vergangenen Donnerstag mit 5:1 für sich entscheiden. Das Rückspiel steht am 14. März an. Ein Weiterkommen wäre für Klopp der nächste Schritt, um eine noch offene Rechnung zu begleichen.

In seinem ersten Jahr als Liverpool-Coach erreichten sie das Endspiel von Europas zweitwichtigstem Pokalwettbewerb. Dort scheiterte er mit seiner Elf aber am FC Sevilla (1:3). Holt er den Europapokal nun ausgerechnet in seiner Abschiedssaison doch noch, würde sich der Kreis schließen.

Der noch nie zuvor da gewesene Triumph jährt sich erstmals

Abrunden würde die perfekte letzte Saison für Klopp beim FC Liverpool auch ein Sieg im prestigeträchtigen FA Cup. Der Pokalwettbewerb ist der älteste seiner Art auf der Welt. Und wie es der Zufall in diesen Wochen so will, steht auch hier in wenigen Tagen ein absolutes Top-Duell mit Liverpooler Beteiligung auf dem Plan.

Denn obwohl sich Manchester City, wie bereits erwähnt, zum ärgsten Rivalen der Klopp-Elf bei der Jagd auf Trophäen gemausert hat, bleibt die größte Fehde des englischen Spitzenfußballs weiterhin die zwischen Liverpool und Citys Stadtrivalen Manchester United.

Die "Red Devils" sind Englands Rekordmeister – seit 2011 ganz allein. Zuvor war United seit 2009 gleichauf mit dem FC Liverpool, was errungene Meisterschaften in der Premier League angeht. Momentan steht Manchester bei 20 Titeln, die "Reds" bei 19. Wird Liverpool dieses Jahr Meister, zieht der Klub wieder mit dem Rivalen gleich.

Nun treffen die Teams aber erst mal am 17. März im Pokal aufeinander. Ein Sieg gegen das ohnehin kriselnde United würde für Liverpool den Sprung ins Halbfinale des Wettbewerbs bedeuten. Gutes Omen: Vor wenigen Tagen jährte sich zum ersten Mal einer der spektakulärsten Auftritte einer LFC-Mannschaft in der Klopp-Ära – ausgerechnet gegen Manchester.

Anfang März 2023 war das Team von Trainer Erik ten Hag an der Anfield Road zu Gast. Am Ende deklassierte eine völlig entfesselte Klopp-Elf United mit 7:0. Eine Demütigung für den Rekordchampion und ein so noch nie da gewesener Triumph für den FC Liverpool. Klopp sprach im Anschluss von einem "verrückten Ergebnis" und einer "Top-Leistung, einer wirklichen Top-Leistung" seiner Mannschaft. "Die Jungs sind geflogen", sagte er über die zweite Hälfte des Spiels, in der Liverpool sechs Tore schoss.

Sieg gegen United? Weitere Pluspunkte für die Ewigkeit

Dieses Mal würde Klopp sicherlich auch ein knapperes Ergebnis mit weniger Treffern reichen. Nur das Weiterkommen zählt im Pokal. Sollte der Coach aber auf dem Weg zum FA-Cup-Sieg United mit seiner Mannschaft aus dem Weg räumen, dürfte er bei den Fans vor seinem Abgang weitere Pluspunkte für die Ewigkeit sammeln.

Für Klopp geht es nun um alles. Dem Ligapokal wird er in dieser Spielzeit noch einige Trophäen hinzufügen wollen. Es wäre das ideale Abschiedsgeschenk für Verein und Anhänger. Ist Liverpool gegen City, Prag und United erfolgreich, werden Klopp und sein Team sicherlich bald wieder Arm in Arm vor der Kurve stehen – und mit den Fans "You'll never walk alone" singen.