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Die Premier League steht am Scheideweg


Fußball international
Krise oder Verfall: Die Premier League steht am Scheideweg

Von t-online
Aktualisiert am 05.11.2012Lesedauer: 4 Min.
Nicht nur für Arsenal London (im Bild Lukas Podolski im Zweikampf mit Schalkes Marco Höger) brechen schwere Zeiten an.Vergrößern des BildesNicht nur für Arsenal London (im Bild Lukas Podolski im Zweikampf mit Schalkes Marco Höger) brechen schwere Zeiten an. (Quelle: imago-images-bilder)
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Kolumne von Jonny Giovanni

Es ist nicht ganz klar, wann eine Krise zum Abschwung wird oder gar zum Verfall – das ist im Fußball nicht anders in anderen Bereichen. Als Ausgangspunkt kann aber gelten, dass dafür eine schwache Phase nicht reicht, sondern eine oder sogar mehrere Spielzeiten herangezogen werden müssen. Darauf aufbauend wiederum lässt sich vielleicht die Frage beantworten: Wo steht der englische Klubfußball?

Dass es deutliche Krisensymptome gibt, kann niemand bestreiten, der den letzten Champions-League-Spieltag verfolgt hat. Da unterlag Meister Manchester City ebenso verdient bei Ajax Amsterdam wie Tabellenführer FC Chelsea bei Schachtjor Donezk. Vizemeister Manchester United stolperte nach 0:2-Rückstand eher zufällig zu einem 3:2-Heimsieg gegen Sporting Braga, derweil Arsenal London zuhause wohl deshalb "nur" 0:2 gegen Schalke 04 verlor, weil die Deutschen eine Halbzeit brauchten, um zu verstehen, wie wenig der renommierte Gegner an diesem Abend zu bieten hatte.

Der Glanz der Big Four verblasst

In den Rückspielen am Dienstag und Mittwoch spielt City nun schon um seine letzte Chance. Auch für Chelsea erscheint die Versetzung in die K.o.-Runde akut gefährdet. Und Arsenal käme im Falle einer weiteren Niederlage selbst in seiner einfachen Gruppe noch ins Zittern. Womöglich ergibt sich am Ende wieder das Resultat der vorigen Saison, als von vier gestarteten Premier-League-Teams nur zwei das Achtelfinale erreichten. Damals wurde das noch als Verirrung aufgefasst, eine Delle, mehr nicht. Dieses Jahr wäre es schon mehr: zumindest aber eine Krise.

Es könnte aber auch für den endgültige Beweis eines heftigen Abschwungs stehen. Der so heroisch wie glücklich ermauerte Champions-League-Titel von Chelsea im Mai maskiert ja nur einen erstaunlich rasanten Wandel. Noch 2008 und 2009 standen jeweils drei englische Mannschaften im Halbfinale, wobei der vierte Vertreter jeweils im Viertelfinale in englischen Duellen ausgeschieden war. Die "Big Four" der Insel – United, Chelsea, Arsenal und der FC Liverpool – hatten den Kontinent fest unter ihrer Knute. Sie galten insbesondere taktisch als das Nonplusultra.

Die Premier League verliert an Qualität

2010 und 2011 schafften es dann nur noch zwei Teams überhaupt bis ins Viertelfinale, ehe vorige Saison der Tiefpunkt erreicht wurde. Die beiden Klubs aus Manchester scheiterten schon in der Vorrunde, Arsenal später im Achtelfinale. Nach dem 0:4 der Londoner beim AC Milan sprach der italienische Fußball-Weise Arrigo Sacchi ein vernichtendes Urteil aus: "Das war das schlechteste Arsenal-Team der letzten zehn Jahre. Zehn? Vielleicht bin ich da zu großzügig". Arsenal sah Sacchi als stellvertretend für den "Abstieg des englischen Fußballs". Wie zum Beweis kamen wenige Tage später die Meisterschaftskandidaten City und United nicht mal in der Europa League über das Achtelfinale hinaus.

Seitdem ist Arsenal – bei aller Podolski-Folklore – nicht merklich besser geworden, und die anderen Teams auch nicht. Eine Ausnahme bildet allenfalls Chelsea. Mit seinen jungen Irrwischen Hazard und Oscar wird an der Stamford Bridge nun ein offensiverer Fußball versucht. Insgesamt hat die Premier League zwar nicht an Unterhaltungswert verloren, wohl aber an Qualität. Ein Indiz dafür sind auch die spektakulären Ergebnisse des Ligapokals vorige Woche. Das 7:5 Arsenals bei Reading und das 5:4 Chelseas gegen United steigerten den schon vorige Saison zu beobachtenden Trend zu Eishockeyergebnissen ins Absurde.

Die taktische Entwicklung in England stagniert

Allein die Verteidigungsreihen für die plötzlichen Probleme verantwortlich zu machen, wäre allerdings zu simpel. Spitzenfußball funktioniert in erster Linie über die kollektiven Mechanismen der gesamten Mannschaft, ihr System, ihre Ordnung. Das war in den goldenen Jahren auch die große Stärke der meisten Big-Four-Teams. Jose Mourinho bei Chelsea und Rafael Benitez bei Liverpool, die vielleicht besten Strategen ihrer Zeit, vermischten ihr taktisches Know-How mit der natürlichen Robustheit des Inselfußballs zu einer maschinellen Wucht, die fast jedem Gegner den Nerv raubte.

Beide Trainer sind Geschichte in England, und mit ihrem Abgang scheint auch die taktische Entwicklung stehen geblieben zu sein. Das Geld ist zwar immer noch da, die Spieler etwa bei City verdienen wahrlich nicht schlecht, dennoch wurden sie vor einigen Wochen im eigenen Stadion von Borussia Dortmund vorgeführt. Was der BVB unter Jürgen Klopp auf den Platz bringt, eine feste Spielidee, ein System, in dem ein Rädchen ins andere greift, eben das sieht man von den englischen Teams nicht mehr. Wer vermag ad hoc zu beschreiben, für was für eine Art Fußball etwa City steht? Selbst das Arsenal von Arsene Wenger hat seine Stilsicherheit verloren. Das Hochgeschwindigkeits-Kombinationsspiel, das seine Mannschaften einst unverwechselbar machte, ist höchstens noch zu erahnen.

Englands Talenten fehlt es an spielerischer Klasse

Wenger, der am liebsten Spieler aus der eigenen Jugend entwickelt, scheitert insbesondere auch daran, dass er die einheimischen Talente nicht auf das geforderte Niveau zu bringen vermag. Keine Problemanalyse kommt an den technischen wie taktischen Mängeln der englischen Spieler vorbei. Das letzte große Premier-League-Team mit prägendem Beitrag aus dem eigenen Nachwuchs war das Manchester United mit Beckham, Giggs, Scholes oder den Neville-Brüdern. Nicht umsonst stehen Giggs und Scholes mit 38 bzw. 37 immer noch in Alex Fergusons Kader.

Gute ausländische Spieler und importierte Ideen ausländischer Trainer wie Wenger, Mourinho oder Benitez konnten den Talentmangel lange übertünchen. Aber das Fundament jedes dauerhaften Erfolgs war schon zu den Hoch-Zeiten der Big Four nicht mehr gegeben. So gesehen geht die Krise schon sehr lange. Lange genug, um inzwischen tatsächlich von einem Verfall sprechen zu können.

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