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Der Boxing Day ist ein Ritual im englischen Fußball


Der Boxing Day ist ein Ritual
66 Tore an Weihnachten und Fans als Bananen verkleidet

Von t-online
Aktualisiert am 26.12.2013Lesedauer: 4 Min.
"Warum nicht mal als Banane zum Fußball gehen?", dachten sich viele Fans von Wigan Ende 2010 in Manchester.Vergrößern des Bildes"Warum nicht mal als Banane zum Fußball gehen?", dachten sich viele Fans von Wigan Ende 2010 in Manchester. (Quelle: BPI/imago-images-bilder)
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Von Marc L. Merten

Es gibt gewisse Traditionen in England, die nicht hinterfragt werden. Die Monarchie ist so eine. Der Boxing Day eine andere. Während in den meisten anderen Fußballligen Europas über Weihnachten und Neujahr pausiert wird, beginnt für die Kicker auf der Insel am 26. Dezember die stressigste Zeit der Saison. Für die Fans hingegen verspricht der zweite Weihnachtsfeiertag stets eine besondere Bescherung.

Immer, wenn im Sommer eines Jahres die Spieltage einer neuen Saison veröffentlicht werden, schauen Englands Fußballfans zuerst auf die Ansetzungen des Boxing Days. Wo spielt mein Verein an diesem außergewöhnlichen Tag? Ist es ein Derby? Daheim oder auswärts? Fragen, die schon im Sommer die Planungen für das Weihnachtsfest dominieren.

Flucht aus der weihnachtlichen Seifenblase

Am Morgen des 26. Dezembers verlassen Familien geschlossen das Haus, um ins Stadion zu fahren. Weihnachtlich beseelt, reich beschenkt, mitunter sogar mit dem Ticket für das anstehende Spiel. Für die Briten ist es ein Ritual, mit dem sie aus ihrer Seifenblase der Familienfeste, des Weihnachtsbaums, des Glitzers und Kerzenscheins ausbrechen, um bei rauen Temperaturen ihren Lieblingsverein anzufeuern.

Manchmal lassen sich die Fans sogar etwas Besonderes einfallen. Die Anhänger von Wigan Athletic sind dafür bekannt, in verrückten Kostümen zu kommen. Vor zwei Jahren beispielsweise fielen hunderte Wigan-Fans als Bananen verkleidet zum Spiel in Manchester ein.

Ältestes Derby der Welt begründet fußballerischen Boxing Day

Bevor der Boxing Day zu einer sportlichen Institution wurde, war er bereits das Synonym für eine andere Tradition. Einst schenkten Reiche an diesem Tag den Armen und Bediensteten Essen und Trinken, eingepackt in Schachteln, den "boxes". Sie gaben dem Tag seinen Namen, der schließlich im Jahr 1860 seinen fußballerischen Anfang nahm.

Dass heute noch immer am zweiten Weihnachtstag gekickt wird, geht auf das allererste Derby der Welt zurück. Sheffield FC, der älteste Fußballklub der Welt, traf am 26. Dezember 1860 auf den zweitältesten Klub der Welt, Hallam FC. Das noch heute als wahres Sheffield-Derby bezeichnete Spiel endete 2:0 für den SFC.

Derbys an Weihnachten, volles Programm an Neujahr

Das Sheffield-Derby ist ein Grund, warum auch heute noch am Boxing Day vor allem Nachbarschaftsduelle stattfinden sollen. Zum Einen, um dem besonderen Tag gerecht zu werden. Schließlich fällt die Bescherung noch ein kleines Stückchen größer aus, wenn der eigene Verein an Weihnachten den Lokalrivalen schlägt. Zum Anderen aber soll diese Regelung den Fans längere Auswärtsreisen ersparen. Das gelingt heute aber nur noch teilweise. In diesem Jahr stehen zwei Derbys auf dem Programm. Die beiden Londoner Klubs West Ham und Arsenal treffen aufeinander, dazu Manchester City und der FC Liverpool.

Doch mit den Spielen am Boxing Day ist es nicht getan. Auch am 28. und 29. Dezember und an Neujahr wird gespielt. Und am 4. Januar ist FA-Cup.

Denkwürdige 66 Tore in zehn Spielen

Dabei hat der englische Verband den Spielplan in den letzten Jahrzehnten schon etwas entzerrt. Denn bis 1957 wurde nicht nur am 26., sondern auch am 25. Dezember gespielt – Hin- und Rückspiel gegen das selbe Team. Mit verblüffenden Resultaten. So gewann Manchester United im Jahr 1955 daheim im Old Trafford mit 5:1 gegen Charlton Athletic, um tags darauf auswärts 0:3 zu verlieren.

Aber nichts toppt bis heute den denkwürdigen 26. Dezember im Jahr 1963, als in den zehn Spielen der damals höchsten Spielklasse, der First Division, unglaubliche 66 Tore fielen. Fulham zerstörte Ipswich mit 10:1, mit dem bis heute schnellsten Hattrick der Liga-Geschichte: Graham Leggat traf drei Mal in vier Minuten. Liverpool schickte Stoke mit 6:1 nach Hause, Manchester United blamierte sich 1:6 gegen Burnley, und die Blackburn Rovers gewannen 8:2 gegen West Ham. Frohe Weihnachten!

Ebenfalls bemerkenswert übrigens, dass zwei Tage später die Rückspiele anstanden. ManUnited revanchierte sich gegen Burnley mit fünf Toren, West Ham macht das 2:8 durch ein 3:1 gegen Blackburn vergessen, und die zuvor noch zweistellig gedemütigten Spieler von Ipswich schlugen Fulham mit 4:2.

Spieler klagen im Stillen

Doch beileibe nicht bei allen stößt der Boxing Day auf pure Begeisterung. Längst ist unter Reformisten in England die Diskussion ausgebrochen, ob es nicht besser wäre, dem Vorbild anderer europäischer Ligen zu folgen und den Spielern zumindest eine kleine Pause zu gönnen. Trainer würden aufatmen, um verletzten oder überlasteten Spielern Zeit für Regeneration zu geben.

Und gerade ausländische Spieler beklagen sich im Stillen seit langem darüber, dass sie die Familien in ihren Heimatländern nicht über die Feiertage besuchen können. Auch die englischen Spieler haben wenig von ihren Liebsten. Heiligabend ist Training, am ersten Weihnachtstag trifft sich das Team zur Anreise beziehungsweise zur Übernachtung im Hotel – selbst bei Heimspielen. Und am zweiten Weihnachtstag wird gespielt.

Ein deutsches Pokalspiel an Weihnachten

Hierzulande sieht der zweite Weihnachtstag anders aus. Die Tradition sieht eher den Besuch bei Tante Gertrud oder Opa Werner als den im Stadion vor.

Aber auch hier gab es schon mal ein Profi-Fußballspiel an Weihnachten. Der FC Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf hatten sich am 20. Dezember 1977 im Viertelfinale des DFB-Pokals 1:1 nach Verlängerung getrennt. Weil es damals aber noch kein Elfmeterschießen gab, wurde ein Wiederholungsspiel angesetzt – und mangels alternativer Termine auf den 26. Dezember gelegt.

"Ich dachte nur: Du lieber Gott!"

Das Spiel, das die Fortuna mit 1:0 gewann, ging als organisatorisches Chaos in die Vereins- und Pokalgeschichte ein. Düsseldorf hatte mit maximal 30.000 Zuschauern im mehr als doppelt so großen Rheinstadion gerechnet. "Dann kamen die Massen, solche Massen von Leuten", erinnerte sich der damalige Fortuna-Vizepräsident Hans Noack später. "Ich dachte nur: Du lieber Gott!" Am Ende war das Stadion proppenvoll, und viele tausend Fans waren kostenlos oder für ein freiwilliges Geld an den Ordnern vorbei ins Innere gelangt.

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