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Ghetto Boy in der Provinz | Patrick Ebert: Nach dem Durchbruch wächst die Kritik


Ghetto Boy in der Provinz
Patrick Ebert: Nach dem Durchbruch wächst die Kritik

Von t-online
22.01.2014Lesedauer: 4 Min.
Mit breiter Brust: Patrick Ebert zählt in Valladolid zu den Leistungsträgern.Vergrößern des BildesMit breiter Brust: Patrick Ebert zählt in Valladolid zu den Leistungsträgern. (Quelle: imago/Gordon-Press)
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Von Florian Haupt

Real Valladolid gilt in Spanien als das, was man in Deutschland als graue Maus bezeichnet. Ein Klub, der keine sonderlichen Emotionen auslöst, was auch damit zu tun hat, dass die Hauptstadt der Region Kastilien-León mitten im fußballerischen Niemandsland liegt, rund zwei Stunden nordwestlich von Madrid. In der weiteren Nachbarschaft gibt es das baskische Derby zwischen Athletic Bilbao und Real Sociedad San Sebastian, das galizische Derby zwischen Celta Vigo und Deportivo La Coruña, ja sogar das kleine Asturien kann die historisch gewachsene Rivalität von Sporting Gijón und Real Oviedo vorweisen. Nur Real Valladolid hat niemanden, nicht mal einen Erzrivalen.

Der Fußball aber ist so reich, dass er auch in die Beschaulichkeit der Provinz ab und an mal einen Hauch von Spektakel trägt. So vereinten sich Anfang der Neunziger Jahre unter den lila-weißen Klubfarben die schillernden Kolumbianer René Higuita, Carlos Valderrama und Trainer Francisco Maturana (die Saison endete mit dem Abstieg).

"Ebi" - so steht es auf dem Trikot

In jüngerer Vergangenheit wiederum gelang Angreifer Joseba Llorente nach 7,82 Sekunden gegen Espanyol Barcelona das schnellste Tor der spanischen Liga-Historie. Und in der vergangenen Saison trug sich ebenfalls in Valladolid eine zumindest aus deutscher Sicht erstaunliche Geschichte zu – der Durchbruch von Patrick Ebert. Beziehungsweise "Ebi", so steht es auf seinem Trikot mit der Nummer 20.

Tattoos und Frisurwechsel im Akkord

Vor anderthalb Jahren war der Mittelfeldspieler von Hertha BSC gekommen, wo er 14 Jahre gespielt und damit am längsten durchgehalten hatte von den sogenannten "Ghetto-Boys" - dem fußballerisch hochbegabten und charakterlich unangepassten Jahrgang mit den Boateng-Brüdern. Ob sie damals noch nicht reif waren für die Hertha, oder die Hertha nicht reif war für sie – man weiß es bis heute nicht so genau.

An Ebert jedenfalls erinnern weniger 109 Bundesligaspiele als ein paar abgebrochene Außenspiegel nach einer Zechtour durch Charlottenburg mit seinem Kumpel Kevin-Prince. Zahlreiche Tattoos am Körper und Frisurwechsel im Akkord: So einer passt nach Valladolid in etwa so gut wie ein Valderrama – mochte man meinen. Doch dann lieferte Ebert eine so formidable Debütsaison ab, dass ihn die Fans zum Spieler der Spielzeit wählten.

Courage hilft bei Engewöhnung

Der technische, offensiv ausgerichtete Fußball in Spanien liegt ihm. Dazu brachte Ebert seine Kreativität ein sowie ein paar eher deutsche Tugenden, die in vielen Partien den Unterschied zugunsten des Aufsteigers ausmachten: Power und exzellente Flanken über die rechte Mittelfeldseite. "Ebert ist in", vermerkte nach wenigen Wochen das Lokalmedium "El Día de Valladolid". Bald ereilte die Kunde seiner Großtaten das ganze Land, und im Frühsommer stand er kurz vor einer Verpflichtung durch den Champions-League-Klub Atlético Madrid.

Persönlichkeit und Courage – tatsächlich ist die erwähnenswerteste Episode über ihn, wie er nachts in Berlin einen Mann von einem Selbstmordversuch abhielt – halfen ihm bei der schnellen Eingewöhnung. Ebert zeigte sich offen und neugierig, selbstbewusst, aber ohne Allüren. Die Leute mochten ihn sofort, und er betonte schon bald, wie gut ihm sein neues Leben gefiel. "Außer Freunden und Familien gibt es keinen Grund nach Deutschland zurückzukehren", sagte er. Wie hervorragend er sich integriert hat, kann man auch daran erkennen, dass er auf dem Platz bevorzugt auf Spanisch flucht.

Gefährliche Flanke, leichtfertige Fehlpässe

Mit dem Wechsel zu Atlético hat es dann aber nicht geklappt. Die Ausstiegsklausel von acht Millionen Euro war den Hauptstädtern letztlich zu hoch, auch sollen ihnen Zweifel wegen seiner Verletzungsanfälligkeit gekommen sein. Seit der zweiten Saisonhälfte der vergangenen Spielzeit muss er immer wieder mit Muskelproblemen aussetzen, diese Saison hat er schon sieben Partien verpasst, denn außerdem gab es noch einen Platzverweis, eine Gelbsperre und zuletzt eine Magen-Darm-Entzündung.

Sein erstes Spiel 2014 bestritt er am Montag bei Athletic Bilbao. Ebert lief, kämpfte, schimpfte, schickte gleich in der ersten Minute eine gefährliche Flanke in den Strafraum und bereitete durch einen missglückten Schuss die überraschende Führung der Gäste vor. Aber er spielte auch ein paar leichtfertige Fehlpässe; das Ergebnis womöglich eines Überlegenheitsgefühls gegenüber vielen Mitspielern.

Valladolid hat bis auf ein paar Ausnahmen keine sonderlich vielversprechende Truppe beisammen. Mittelstürmer Javi Guerra, der Zehner Óscar, vielleicht noch Antonio Rukavina, ebenfalls Ex-Bundesligaspieler – das sind die Leistungsträger. Bester Mann in Bilbao war Torwart Diego Mariño, der in den 90 Minuten nicht weniger als 53 Flanken auf sich zukommen sah. Allein dank seines Glanztags verlor Valladolid letztlich nur mit 2:4.

Die Erwartungen ins gewachsen

Es war das vierte Auswärtsspiel in Folge mit vier Gegentoren für eine Mannschaft, die sich in der Abstiegszone wiederfindet und bislang nicht die Solidität erreicht hat, die sie vorige Saison auszeichnete. In der Presse wird für die Probleme auch Ebert verantwortlich gemacht. Weniger, weil er schlecht spielt, als weil er zu selten und nicht mehr ganz so gut spielt wie zu Beginn.

Die Erwartungen sind gewachsen. Für das Spiel in Bilbao bekam er schlechte Noten, obwohl er viel mehr auch nicht hätte ausrichten können. In der zweiten Halbzeit wechselte er von seiner üblichen Position rechts auf die linke Abwehrseite, weil Athletic über die zuvor besonders unbedrängt vor das Tor gekommen war.

Das Glück strahlt also nicht mehr ganz so hell in Valladolid. Doch im Sommer läuft sowieso sein Vertrag aus. Bereits für die Wintertransferperiode sollen sich nach jüngsten Informationen der von Bernd Schuster trainierte FC Málaga sowie ein Bundesligaklub nach Eberts Verfügbarkeit erkundigt haben. Die Provinzbühne wird letztlich wohl nur Durchgangsstation bleiben für das Kind aus Berlin.

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