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Toni Kroos gibt in Real Madrids Starensemble den Takt vor


2014: Das Jahr des Toni Kroos
Weltmeister schwingt den Taktstock in Real Madrids Starensemble

Von t-online
Aktualisiert am 28.12.2014Lesedauer: 4 Min.
Toni Kroos - hier bei der Klub-WM am Ball - ist absoluter Leistungsträger bei Real Madrid.Vergrößern des BildesToni Kroos - hier bei der Klub-WM am Ball - ist absoluter Leistungsträger bei Real Madrid. (Quelle: AFLOSPORT/imago-images-bilder)
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Von Florian Haupt

Das Jahr 2014 endete für Toni Kroos genauso wie das Jahr 2013 – er gewann mit seinem Verein in Marrakesch die Klub-Weltmeisterschaft. Zwischen diese prestigereichen, wenngleich wenig anspruchsvollen Titel jedoch passt ein dickes Buch, eines mit opulenten Bildern und einer noch aufregenderen Geschichte: Wie ein Talent zum Superstar aufstieg, ein Nebendarsteller zum Leader, ein Wanderer zwischen den Positionen zum besten zentralen Mittelfeldspieler der Welt.

Nicht dass er schon mal als solcher ausgezeichnet worden wäre. Irgendwie scheint Kroos keiner zu sein für diese Preise, die es jedes Jahr und inzwischen sogar für jeden Wettbewerb gibt. Kroos steht nicht unter den letzten Dreien beider Wahl zum Weltfußballer (Ronaldo, Messi, Neuer), er gehörte nicht zum herausgehobenen Trio der WM (Messi, Müller, Robben) und jetzt reichte es trotz entscheidender Torvorlagen nicht mal zum Podest der Klub-WM (Ramos, Ronaldo, Vicelich/Auckland). Ihm dürfte das relativ egal sein, das Understatement gehört ja sogar zum Markenkern des ruhigen Mecklenburgers. Er weiß trotzdem genau, was er kann – und was er wert ist.

Kroos hatte sogar das Selbstbewusstsein, diesen Wert gegenüber seinem Ex-Klub Bayern München zu vertreten und letztlich einen Wechsel zu Real Madrid zu wagen. 2014 wurde so für ihn zum Jahr des Coming Out. Der Mut zur Veränderung scheint ihm alles Phlegma ausgetrieben zu haben. Er begab sich aus seiner Komfortzone und setzte dadurch seine ganzen Kräfte frei.

Das oft verkannte Talent

Verfolgt man die Berichterstattung in Deutschland, wirkt es schon kurios, dass ihn viele immer noch für eine Art Entdeckung halten, und überrascht sind, dass er sich in Spanien so gut durchgesetzt hat. Warum sollte er das nicht tun? Schon zuvor bei der WM, für Deutschland, war er ja der statistisch beste Spieler aller 32 Teilnehmernationen gewesen und womöglich ein nicht weniger wichtiger Faktor für den ersehnten ersten Titel der Löw-Ära als Khediras Comeback, Schweinsteigers Heroismus, Neuers Liberospiel oder alles andere, was sich vielleicht ein wenig besser verkaufen lässt als die unaufgeregte Klasse dieses 24-Jährigen.

Andererseits stand die Presse ja nie allein mit einer gewissen Zurückhaltung. Selbst einige der besten Fachleute schienen die Talente von Kroos nicht vollumfänglich zu erfassen. "Thiago oder nix", forderte sein letzter Trainer bei Bayern, Pep Guardiola, im Sommer 2013, und gab damit zu verstehen, dass er keinen Akteur des bestehenden Kaders für ähnlich befähigt zur Spielorganisation hielt wie den damaligen Ersatzspieler des FC Barcelona. Später funktionierte er Philipp Lahm zum Mann vor der Abwehr um, derweil sie bei seinem Ex-Klub in Katalonien dem Vernehmen nach die Gelegenheit zur Akquisition von Kroos ausschlugen und lieber Ivan Rakitic verpflichteten.

Spanische Presse geizt nicht mit Lobeshymnen

Aus heutiger Sicht wirkt das alles noch absurder, als es vielleicht schon immer war. Kroos schwingt unter Real-Trainer Carlo Ancelotti den Taktstock mit einer derartigen Brillanz, dass er bei einer Bestätigung dieses Niveaus bald in eine Reihe mit den großen Spielmachern dieses Jahrtausends aufrücken dürfte, einem Xavi, einem Andrea Pirlo. Selbst seine größten Fans konnten eine so rapide Entwicklung in diesem Jahr 2014 wohl nicht erwarten: wie zuverlässig er Weltklasseleistungen für Real abruft, wie fundamental er nach wenigen Monaten schon für das Spiel ist.

"Anker" und "Leuchtturm", "Maestro" und "Professor", "König" und "Kaiser" – jede verfügbare Metapher ist in den spanischen Medien schon bis zur Ekstase durchexerziert worden, um seine Chefrolle im Spiel der derzeit besten Klubmannschaft der Welt zu illustrieren. Der vermeintlich unterkühlte Nordostdeutsche füllt den Job inzwischen geradezu lust- und gegebenenfalls auch temperamentvoll aus, wie in den ersten Minuten des Klub-WM-Finals, als er den robusten Argentiniern von San Lorenzo gleich die Brust entgegenstreckte: nach einem harten Einsteigen knöpfte er sich seinen Gegenspieler vor. Das Territorium war markiert, der Tisch bereitet, und Kroos begann zu operieren: Pass um Pass, mit der gewohnten chirurgischen Präzision.

Ein "Roboter", der "bloß nicht abgeschaltet werden darf"

Weil es im Fußball und bei den Deutschen nie ganz ohne Klischees geht, wurde er in seiner neuen Heimat auch schon als "Roboter", "Maschine" oder gar "Panzer" tituliert. Das war natürlich alles anerkennend gemeint. Während der Übertragung des letzten Ligaspiels vor Weihnachten in Almería witzelte ein Kommentator des Radiosenders "Cadena Ser", dieser Toni Kroos sei offenbar ein Apparat, der bloß nicht abgeschaltet werden dürfe – eine Anspielung darauf, dass er trotz enormer Belastung kein einziges halbwegs wichtiges Match auslässt.

1357 Minuten stand er in Reals 15 Ligaspielen auf dem Platz, wegen der Nachspielzeiten bedeutet das sogar einen Schnitt von über 90 Minuten pro Partie. Auf knapp 2200 Minuten kommt er in allen Wettbewerben, mehr als jeder andere Mitspieler, inklusive des nimmermüden Cristiano Ronaldo oder Torwart Iker Casillas. Bis auf 20 Minuten ging er auch über die volle Distanz bei allen sechs deutschen Länderspielen nach der WM. "Ich fange an müde zu werden", sagte er selbst vor ein paar Wochen.

Hohe Hürden warten im Januar

Groß erholen kann er sich zum Jahreswechsel nicht. Gleich am 4. Januar geht es in der Liga zum wiedererstarkten FC Valencia. Es folgt das Pokal-Achtelfinale, in Hin- und Rückspiel, gegen den Stadtrivalen Atlético und, im Erfolgsfall, ein Viertelfinale wohl gegen Barcelona. Auch 2015 steht Kroos vor einem großen Jahr, und die Herausforderung ist dabei nicht zuletzt körperlich: es gilt durchzuhalten.

Wie ihm das gelingt, wird auch das Schicksal von Real Madrid prägen, davon sind die Experten nach nur einem halben Jahr in der spanischen Hauptstadt bereits überzeugt. Vor allem Kroos hat den amtierenden Champions-League-Sieger seit dem Sommer noch mal auf ein spielerisch höheres Niveau gehoben und ist so auch ein zentraler Faktor der laufenden Serie von 22 Siegen am Stück. Als "Transfer des Jahres" bezeichnete ihn die Sportzeitung "Marca" gerade noch einmal inmitten der üblichen Lobeshymnen.

"Ich bin der richtige Mann"

Sollte alles so weiterlaufen, dann wird man auf dieses Real Madrid dereinst als epochale Mannschaft zurückblicken, und auf Kroos als ihren Dirigenten. Ihn selbst würde das wohl am wenigsten überraschen. Er wusste es von Anfang an. Schon bei seiner Vorstellung als Real-Spieler im Juli sagte er: "Ich bin der richtige Mann."

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