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Real Madrid zerfällt: Zidane-Effekt ist verpufft


Auch Ronaldos Denkmal wackelt
Zidane-Effekt verpufft! Real zerfällt in seine Einzelteile

Von t-online
Aktualisiert am 29.02.2016Lesedauer: 4 Min.
Der Star und sein Trainer: Cristiano Ronaldo (li.) und Zinedine Zidane.Vergrößern des BildesDer Star und sein Trainer: Cristiano Ronaldo (li.) und Zinedine Zidane. (Quelle: Image Photo/imago-images-bilder)
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Von Florian Haupt

Als die Nachspielzeit begann, forderten tausende Anhänger den Rücktritt von Präsident Florentino Pérez. Andere beschimpften die Spieler als Söldner. Wieder andere diskutierten wild untereinander. Der größte Teil allerdings hatte das Estadio Santiago Bernabéu schon verlassen. Beim Stand von 0:1 in einem Madrider Stadtderby. Als wollten die Leute mit dieser Mannschaft nichts mehr zu tun haben.

Welch’ ein Unterschied zum Bild vor knapp zwei Monaten. Selbes Estadio Santiago Bernabéu, selbes Real Madrid. Selber Zinédine Zidane an der Seitenlinie. Gegen Deportivo La Coruña feierte der ehemalige Real-Profi sein Debüt als Trainer, und alle Sorgen schienen wie weggefegt. Fünf Tore zu null, eine engagierte Mannschaft, die ihr ganzes Talent entfaltete. Auf ihrem Gang nach Hause schienen die Anhänger zu schweben. Die Madrider Presse erklärte den Glückszustand. "Zidanemania" kommentierte selbst "La Vanguardia" aus dem fernen Barcelona.

Das Ende einer Ära

Wie vor zwei Monaten gegen La Coruña windete es am Samstag im Bernabéu, und was der Wind damals verweht hatte, brachte er jetzt zurück: Eine lethargische Mannschaft. Taktisches Versagen. Unterlegenheit im Mittelfeld. Unkoordinierte Rückwärtsbewegung. Langsame Ballzirkulation. Den Eindruck vom Ende einer Ära.

Nach der hilflosen Niederlage gegen Atlético, der dritten Heimpleite nacheinander in der Liga gegen den einst verspotteten Stadtrivalen, sind die Sorgen zurück. Heftiger denn je.

Fans fordern Präsident zum Rücktritt auf

Die Rufe nach dem Rücktritt des Präsidenten, uraufgeführt beim ähnlich schlimmen 0:4 im November gegen Barcelona, hallten noch nach, als Zidane zur Pressekonferenz erschien. Der Franzose, befördert vom Trainer der zweiten Mannschaft, ist oft als letzter Trumpf von Pérez bezeichnet worden. Doch schon bald nach dem Hurra gegen La Coruña deutete sich an, dass er vielleicht doch nicht ad hoc in großem Stil stechen würde. Bei Aufsteiger Betis Sevilla gab es nur ein Remis, beim Tabellenvorletzten Granada einen späten, glücklichen Sieg, und als Real voriges Wochenende bei Mittelklasseklub Málaga mit einem weiteren Remis noch gut bedient war, sah man Zidane schon frustiert eine Wasserflasche malträtieren.

Gegen Atlético litt er mal still, mal rief er verzweifelt in die untauglichen Angriffsbemühungen seiner Mannschaft hinein. Die lasche, uninspirierte Darbietung schien ihm körperliche Schmerzen zu bereiten. Später musste er einräumen, dass die Meisterschaft jetzt unmöglich geworden ist. Bei zwei Punkten Rückstand und einem Spiel mehr als Tabellenführer Barcelona hatte er die Mannschaft von Vorgänger Rafael Benítez übernommen. Zwölf Punkte Rückstand sind es jetzt auf Barça. Und nur noch zwei Punkte Vorsprung auf den Vierten Villarreal.

Auch Zidane ratlos

"Vielleicht war es die Einstellung, ich weiß es nicht", sagte Zidane über eine "Partie, die ich so nicht erwartet habe". Dabei war Atlético erst am Donnerstagmorgen von seinem Champions-League-Spiel in Eindhoven (0:0) zurückgekehrt und sichtbar nicht in optimaler körperlicher Verfassung. Real dagegen hatte die Woche spielfrei gehabt. "Einen Gegner, der am Mittwoch gespielt hat, darfst du gar nicht erst ins Spiel kommen lassen", haderte Zidane. "Doch genau das haben sie geschafft, es war sehr bequem für sie. Man hätte mehr tun müssen, mehr laufen, mehr dazwischen gehen."

Arbeitsethos, Professionalität und körperlicher Zustand waren freilich just die Verbesserungen gewesen, die sich Zidane in den vergangenen Wochen selbst immer zugute hielt. Weil Real wegen eines Aufstellungsfehlers bereits in der ersten Pokalrunde gescheitert war, erklärte er die spielfreien Tage für eine Art Mini-Trainingslager mit entsprechendem Kraft- und Konditionsaufbau zu nutzen. "Es war keine Frage der Physis", sagte er jetzt. "Manchmal ist es auch ein bisschen der Kopf". Auch in dem ist der ganze Effekt des Trainerwechsels offenbar schon wieder verpufft.

Kein taktisches Rezept

Damit könnte der Franzose allerdings schon seiner stärksten Waffe beraubt sein. "Zidane wirkt wie ein Trainer des Typus 'Geht raus und spielt'", hatte Reals Ex-Sportdirektor Jorge Valdano schon vor dem Spiel analysiert. Die taktische Exquise, die ihm schon regelmäßige Beobachter von Reals zweiter Mannschaft während seiner anderthalb Jahre dort nie attestieren wollten, blieb er bisher schuldig. In Málaga scheiterte ein Experiment mit Isco als falschem Neuner. Und gegen Atlético – nun, da lief es mehr oder weniger, wie es in den letzten Jahren für Real eben so läuft.

Zumindest was den Beitrag des Stadtrivalen anging, war genau diese Partie nämlich sehr wohl erwartbar. Atlético präsentierte sich kompakt, solidarisch, defensivstark – wie immer, seit Diego Pablo Simeone den Verein trainiert. Gegen diesen widerspenstigen Stil haben schon Zidanes Vorgänger oft kein Rezept gefunden. José Mourinho verlor sein letztes Spiel als Real-Coach, das Pokalfinale 2013, mit 1:2 gegen Atlético, Carlo Ancelotti wurde letztlich auch wegen eines 0:4 im Estadio Vicente Calderón entlassen, Benítez gelang in seinem einzigen Derby auch kein Sieg. Den Knoten zu lösen, mit dem Simeone im Mittelfeld regelmäßig Real zuschnürt, hätte Zidane also viel Kredit verschaffen können. Doch er konnte keine entscheidenden Innovationen beitragen.

Ronaldo sorgt zusätzlich für Verdruss

Wie Benítez gegen Barcelona stellte er mehr nach Namen als nach Form auf, indem er auf die deprimierten James und Isco setzte. Weder gegen Atléticos hohes Pressing noch die Deckung für Luka Modric oder die Läufe des Torschützen Antoine Griezmann fand seine Mannschaft ein Rezept. Gegen ein Barça hätte es in dieser Verfassung locker das nächste 0:4 geben können. Wo die Spieler anfangs noch für Zidane um ihr Leben zu rennen schienen, gab es nicht mal ein echtes Aufbäumen. Derweil fiel Aushängeschild Cristiano Ronaldo nichts anderes ein, als ausgerechnet nach dieser – auch von ihm – missratenen Partie seine Kritiker zurecht zu stutzen und dabei en passant die Mitspieler anzuklagen: "Wären alle auf meinem Niveau, wären wir wohl Tabellenerster."

Auch Zidane ließ seine Zuhörer noch mit einem merkwürdigen Satz zurück: "Nächste Saison wird es Änderungen geben, vielleicht auch beim Trainer." Damit ist bei Real einerseits immer zu rechnen. Andererseits wäre es natürlich absurd, ihn nach knapp zwei Monaten für eine Malaise verantwortlich zu machen, die von viel weiter her kommt. Als Zwischenfazit lässt sich jedenfalls festhalten, dass auch "Zizou" keine Wunder vollbringen kann. Nicht mal das Feuer löschen.

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