Sport Ärzte kämpften 45 Minuten um Simoncellis Leben
Noch immer herrscht in der Motorsport-Welt Entsetzen über den Tod von Motorrad-Pilot Marco Simoncelli. Erschütternde Details werden zu dem schlimmen Unfall des Italieners beim Rennen in Sepang bekannt. So verstarb der ehemalige Weltmeister an schweren Kopf- und Nackenverletzungen.
Simoncelli war in der zweiten Runde gestürzt und von Colin Edwards und Valentino Rossi, die beide nicht ausweichen konnten, überrollt worden. Nur Stunden vor der Trauerfeier für den eine Woche zuvor tödlich verunglückten Indycar-Piloten Dan Wheldon wurde der Motorsport damit erneut von einer Schreckensnachricht erschüttert.
Reanimation bleibt erfolglos
"Als unser Ärzteteam bei ihm ankam, war Marco bewusstlos“, sagte der für die Erstversorgung zuständige Oberarzt Michele Macchiagodena. "Im Rettungswagen gab es einen Herzstillstand und wir starteten sofort mit der Reanimation." 45 Minuten kämpften die Ärzte um Simoncellis Leben. Dabei sei es auch gelungen, die Blutung im Brustkorb einzudämmen, so Macchiagodena. Aber letztlich half es nichts. "Um 16.56 Uhr mussten wir ihn für tot erklären.
Stoner: "Mir ist schlecht geworden"
Mit Bestürzung reagierten die Fahrer auf den Tod ihres Kollegen. "Das ist alles traurig, ich weiß nicht, was ich sagen soll", sagte der deutsche Top-Pilot Stefan Bradl. "Ich fühle mich wirklich schlecht. Auf der Strecke sind wir alle Brüder", sagte Ex-Weltmeister Nicky Hayden. "Als ich die Bilder gesehen habe, ist mir schlecht geworden", sagte der bereits als MotoGP-Weltmeister feststehende Australier Casey Stoner.
Fisichella: "Er wird in den Herzen aller bleiben"
Auch in Simoncellis Heimat reagierten Motorsport-Verantwortliche mit großer Bestürzung. "Es ist schwer, den Schmerz über den Verlust solch eines fröhlichen Menschen in Worte zu fassen", sagte Ferraris Formel-1-Teamchef Stefano Domenicali in einer Mitteilung. "Er war ein außergewöhnlicher Junge, allen sympathisch und ein großartiger Pilot. Er wird in den Herzen aller bleiben", meinte der Ersatzfahrer der Scuderia, Giancarlo Fisichella. "Das ist einer meiner schlimmsten Tage", sagte der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Italien, Gianni Petrucci.
Oftmals übertriebene Risikofreude
Simoncellis Lockenkopf war das Markenzeichen des in Cattolica geborenen Rennfahrers. Mit sieben Jahren sammelte er erste Erfahrungen auf einem Pocket-Bike. "Super Sic", wie der 1,83 Meter große Fahrer gerufen wurde, galt als aggressiver Pilot. Oftmals grenzte seine Fahrweise an übertriebene Risikofreude und löste bei manchen Rivalen Unmut aus. 2002 fuhr Simoncelli in Tschechien seinen ersten Grand Prix. Im selben Jahr war er Europameister der 125-Kubikzentimeter-Klasse geworden.
Als Rossi-Nachfolger gehandelt
Nach dem WM-Titel 2008 gelang ihm ein Jahr später noch ein dritter Gesamtrang bei den 250ern. Danach stieg er in die Königsklasse MotoGP um. Simoncelli wurde als möglicher Thronfolger von Motorrad-Superstar Rossi gehandelt. In dieser Saison bestätigte er die Erwartungen: Zwei Podestplätze und zwei Pole Positionen auf der eher unterlegenen Gresini-Honda untermauerten das Talent des so lebensfrohen Fahrers.
"Valentino ist fix und fertig"
Rossi stand derweil nach dem Horrorcrash unter Schock und war nicht in der Lage, einen Kommentar abzugeben. Der neunmalige Weltmeister wollte in der Stunde der Trauer alleine sein und mit niemandem sprechen. "Valentino ist fix und fertig, das geht ihm sehr nahe", sagte Ducati-Teammanager Vittoriano Guareschi, der einer der wenigen Menschen war, die Kontakt zum achtmaligen Weltmeister hatten. Erst spät abends meldete sich Rossi via Twitter kurz. "Sic war für mich wie ein jüngerer Bruder. Er war auf der Strecke stark und im normalen Leben so wunderbar. Ich werde ihn sehr vermissen", teilte er mit. Rossi wird sich unweigerlich Vorwürfe machen und eine Mitschuld geben.
Tritt Rossi jetzt zurück?
Doch die Videoaufnahmen belegen: Rossi trifft keine Schuld. Bei Tempo 200 hatte er einfach keine Chance, seinem am Boden liegenden Landsmann auszuweichen. Rossi habe einen Albtraum erlebt, denn er habe einen Freund überfahren, befand der Corriere della Sera. Dieser Tag könnte für den Italiener durchaus Konsequenzen haben, mutmaßt die Zeitung: "Jetzt könnte Rossi sogar an den Rückzug vom Motorsport denken."
Die seit 1970 tödlich verunglückten Piloten der Straßen-Weltmeisterschaft:
Jahr | Fahrer | Land | Ort |
1970 | Robin Fitton | England | Nürburgring |
1971 | Christian Ravel | Frankreich | Spa-Francorchamps |
1971 | Angelo Bergamonti | Italien | Riccione |
1971 | Günter Bartusch | DDR | Sachsenring |
1973 | Renzo Pasolini | Italien | Monza |
1973 | Jarno Saarinen | Finnland | Monza |
1974 | Billie Nelson | England | Opatija |
1975 | Rolf Thiele | BR Deutschland | Assen |
1976 | Otello Buscherini | Italien | Mugello |
1976 | Paolo Tordi | Italien | Mugello |
1977 | Ulrich Graf | Schweiz | Opatija |
1977 | Giovanni Zigiotto | Italien | Opatija |
1977 | Hans Stadelmann | Schweiz | Salzburgring |
1977 | Piers Forester | England | Brands Hatch |
1980 | Patrick Pons | Frankreich | Silverstone |
1981 | Michel Rougerie | Frankreich | Rijeka |
1981 | Sauro Pazzaglia | Italien | Imola |
1981 | Alain Beraud | Frankreich | Brno |
1983 | Michel Frutschi | Schweiz | Le Mans |
1983 | Rolf Rüttimann | Schweiz | Rijeka |
1983 | Norman Brown | Nordirland | Silverstone |
1983 | Peter Huber | Schweiz | Silverstone |
1984 | Kevin Wrettom | England | Spa-Francorchamps |
1989 | Ivan Palazzese | Venezuela | Hockenheim |
1993 | Noboyuki Wakai | Japan | Jerez |
2003 | Daijiro Kato | Japan | Suzuka |
2010 | Shoya Tomizawa | Japan | Misano |
2011 | Marco Simoncelli | Italien | Sepang |