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Leichtathletik-EM: Kampfrichter sorgen für Pleiten, Pech und Pannen


Pleiten, Pech und Pannen
Leichtathletik-Kampfrichter in der Kritik

Von t-online, dpa, sid
15.08.2014Lesedauer: 3 Min.
Die Enttäuschung steht Melanie Bauschke ins Gesicht geschrieben.Vergrößern des BildesDie Enttäuschung steht Melanie Bauschke ins Gesicht geschrieben. (Quelle: imago/Pressefoto Baumann)
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Vermessen, verguckt, verschwiegen: Nach einer Reihe eklatanter Patzer vor allem zum Nachteil der deutschen Mannschaft stehen die Kampfrichter bei der Leichtathletik-EM in Zürich in der Kritik. "Die machen doch hier ohnehin, was sie wollen", sagte Sprinter Lucas Jakubczyk - und sprach vielen Kollegen aus der Seele.

"Es ist unheimlich schade, dass bei so einer Meisterschaft diese menschlichen Fehler in dieser Häufung passieren", sagte der deutsche Cheftrainer Idriss Gonschinska: "Es gab auch Irritationen bei anderen Nationen. Kampfrichter stehen unter Stress, aber in dieser Häufung ist das natürlich unglücklich. Wir haben uns in schriftlicher Form bei der Jury eingebracht."

Bauschke: "Bin traurig und schockiert"

Am schlimmsten erwischte es aus deutscher Sicht Weitspringerin Melanie Bauschke, die am Mittwoch zu Tränen aufgelöst ihrer Bronzechance nachtrauerte. Bauschkes erster Versuch war mit 6,79 Meter gemessen worden, hätte Platz drei bedeutet. "Im letzten Durchgang kam der Kampfrichter und erklärte, dass der erste Sprung nur 6,55 weit war. Ich habe ihn angeschaut und gesagt: Ich kann das nicht glauben, habe nur noch einen Versuch", meinte Bauschke, die nicht mehr nachlegen konnte und Sechste wurde: "Ich bin traurig und schockiert. Ich habe dem Kampfgericht vertraut."

Zehnkämpfer Kai Kazmirek erlebte das genaue Gegenteil: Sein erster Weitsprung-Versuch war ungültig gegeben worden, obwohl Kazmirek vor dem Brett abgesprungen war. Nachträgliches Messen ergab absurd geringe 7,25 Meter, nach einem Protest waren es plötzlich 41 Zentimeter mehr.

Heidler nimmt es mit Humor

Betty Heidler konnte derweil das Weiten-Chaos in der Hammerwurf-Quali mit Humor nehmen: "Bei mir wird es nicht langweilig", sagte die Weltrekordlerin. Nach ihrem ersten Versuch waren 73,05 Meter angezeigt worden - exakt die Weite ihrer slowakischen "Vorwerferin" Martina Hrasnova und gleichbedeutend mit der direkten Final-Qualifikation. Heidler packte zusammen, schrieb Autogramme: "Dann wurde mir gesagt, dass ich noch einmal werfen soll, weil sie meine Weite nicht mehr hatten."

Verwirrung im 100-Meter-Finale

Sprinter Jacubczyk zürnte derweil über die Juroren beim 100-Meter-Finale. Da zuckte beim Startsignal der Brite Harry Aikines-Aryeetey im Block, der Portugiese Yazaldes Nascimento leistete sich den Fehlstart - doch disqualifiziert wurde keiner. Aikines-Aryeetey wurde verwarnt und holte Bronze. Eine zumindest sehr fragwürdige Regelauslegung.

Äußerst fragwürdig ist in Zürich auch der Umgang mit Fehlern. Sportlern und Funktionären wird wie im Fall Bauschke eine Entscheidung beiläufig und oftmals unbegründet mitgeteilt, öffentlich zumeist gar nicht kommuniziert.

Bolt kommt, die Athleten müssen warten

Die Veranstalter baten unterdessen in einem dürren Statement um Entschuldigung für Pannen aller Art - und schoben die Schuld auf das stürmische Wetter. "Der hohe Druck durch die besondere Situation hat in einzelnen Fällen leider zu menschlichem Fehlverhalten geführt", erklärte OK-Chef Patrick Magyar.

Zwei Episoden machten jedoch deutlich, wie die Organisatoren ihre Akzente auch setzen: Mitten in der Konzentrationsphase mussten Athleten schon mal warten, damit Supersprinter Usain Bolt als Stargast im Innenraum seine Botschaft loswerden oder Europas Verbandspräsident Hansjörg Wirz ein Interview geben konnte.

Harting verstaucht sich die Hand

Größte Verwirrung gab es bei den Zehnkämpfern, nachdem der Stabhochsprung witterungsbedingt für mehr als zwei Stunden unterbrochen werden musste. Die Athleten fühlten sich schlecht informiert über die Zeitplanänderung. Das Speerwerfen lief schon, als die Nachzügler im Stabhochsprung noch nicht mal fertig waren. "Es war ein Durcheinander", klagte auch 400-Meter-Läuferin Esther Cremer über überforderte Organisatoren.

"Sechs- oder siebenmal musste man sich warm machen und kam total aus dem Rhythmus", schimpfte Diskus-Europameister Robert Harting nach einer ganz schwierigen Titelverteidigung. Als er endlich zum ersten Aufwärmwurf im Ring stand, stürzte er und verstauchte sich die Hand. "Es war sauglatt und schmierig. Das war wie Schlittschuhlaufen", beschwerte sich der Olympiasieger und dreifache Weltmeister über den neuen tückischen Belag im Ring.

Den Grund für das Chaos bei den Wettkämpfen kennt die "Bild": Die 290 Kampfrichter sind Freiwillige, denen weder Übernachtung noch Essen bezahlt werden. Erfahrene Kampfrichter bleiben deshalb fern. Die sogenannten Volunteers bekamen vor der EM sechs Schulungen und wurden dann ins kalte Wasser geworfen.

Verbandschef Prokop findet deutliche Worte

Dabei waren sich die Fans und Experten sicher: Die EM in der Schweiz wird ein Erfolg. Schließlich gilt das "Weltklasse Zürich" als bestes Meeting der Welt. Doch an dieses Spektakel kommen die Titelkämpfe nicht mal ansatzweise heran. Von den ohnehin nur 20.000 Plätzen sind viele nicht besetzt. "Ich hatte eine völlig andere Erwartung", sagte 100-Meter-Hürdenläuferin Cindy Roleder. "Ich kenne das jährliche Leichtathletik-Meeting hier in Zürich. Da ist das Stadion proppevoll, und die Stimmung riesig."

Nicht nur der deutsche Verbandschef Clemens Prokop kritisierte die Politik der Gastgeber: "Möglicherweise rächt es sich am Ende, dass man mit den Ticketpreisen zu hoch eingestiegen ist." Tausende Plätze bleiben jeden Abend frei, und die "Neue Zürcher Zeitung" urteilte: "Die Titelkämpfe sind außerhalb der Leichtathletik-Familie noch nicht so richtig angekommen."

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