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Handball-EM: Torhüter überragt zum Auftakt – Andreas Wolff ist zurück


Wichtigster Mann bei EM-Auftakt
Das Phänomen zwischen den Pfosten


Aktualisiert am 11.01.2024Lesedauer: 5 Min.
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Andreas Wolff: Er war der überragende Mann beim EM-Auftaktsieg der deutschen Nationalmannschaft.Vergrößern des Bildes
Andreas Wolff: Er war der überragende Mann beim EM-Auftaktsieg der deutschen Nationalmannschaft. (Quelle: kolbert-press/Marc Niemeyer/imago-images-bilder)

Beim Auftakt in die Heim-EM zeigte Torwart Andreas Wolff eine bärenstarke Leistung. Damit lieferte er mehr als nur ein starkes persönliches Comeback.

Aus Düsseldorf berichtet Nils Kögler.

Wer sich aktuell in deutschen Wäldern aufhält, der könnte unter Umständen eine unangenehme Begegnung mit dem Wolf machen. Wer sich am Mittwochabend in der Merkur Spiele-Arena in Düsseldorf auf den Weg Richtung deutsches Tor machte, auch. Denn während die Rückkehr des Wolfes der Bevölkerung auf dem Land gerne mal einen Schrecken versetzt, war es Deutschlands Handball-Torwart Andreas Wolff, der beim EM-Eröffnungsspiel vor einer Rekordkulisse von mehr als 50.000 Zuschauern den Schweizer Torjägern das Fürchten lehrte.

Als sich Wolff in der 52. Minute bei einer deutlichen Führung in den Feierabend verabschiedete und von Ersatzmann David Späth ersetzt wurde, erhob sich die ganze Arena von ihren Sitzen, um den deutschen Schlussmann mit ohrenbetäubenden Standing Ovations zu verabschieden. Verdient hatte sich Wolff den tosenden Beifall mit einer bärenstarken Leistung: Er wehrte über 60 Prozent der Würfe auf sein Tor ab, in einer Phase blieb er ganze 15 Minuten ohne Gegentor und legte so den Grundstein für den deutlichen 27:14-Auftaktsieg gegen die Eidgenossen aus der Schweiz. Damit vollendete er persönlich aber auch ein Comeback, an dem vor wenigen Monaten noch Zweifel bestanden – und weist den Weg zu einer erfolgreichen Heim-EM.

Bandscheibenvorfall bremste Wolff aus

Vor fünf Monaten stand Wolff vor einer ungewissen Zukunft. Der 32-jährige Schlussmann vom polnischen Klub KS Kielce zog sich im August einen Bandscheibenvorfall zu und fiel ganze drei Monate lang aus. Es war alles andere als der perfekte Anlauf für die bevorstehende Heim-EM. Für die beiden Testspiele gegen Ägypten im November wurde Wolff gerade noch rechtzeitig fit und musste sich erst langsam wieder einfinden.

So durfte sich neben dem 39-jährigen Routinier Silvio Heinevetter auch Neuling David Späth über Spielzeit freuen. Der erst 21-jährige Schlussmann von den Rhein-Neckar Löwen hatte im Sommer 2023 die U21-Weltmeisterschaft gewonnen und sich die Berufung in die A-Mannschaft durch eine starke Saison im Verein verdient. So hatte er dort etwa Joel Birlehm zunehmend aus dem Tor verdrängt, der bei der WM im vergangenen Jahr noch ein eingespieltes Duo mit Wolff in der Nationalmannschaft gebildet hatte.

Vom Jungstar verdrängt?

Sollte ein ähnliches Schicksal nun auch Wolff im DHB-Tor drohen? Es schien zumindest nicht mehr ausgeschlossen. Nicht umsonst wurde die Frage nach der Chemie des Duos Wolff/Späth im Vorfeld der EM gerne gestellt. Beide Torhüter betonten jedoch stets ihr gutes Verhältnis.

Und tatsächlich: Sowohl in den Testspielen als auch nun beim EM-Auftakt feuerte Späth seinen älteren Positionskollegen leidenschaftlich an. Immer wieder steckten sie auch während der Spiele die Köpfe zusammen, um sich zu beraten.

Gíslason: "Phänomenale Leistung"

Wolff selbst fand dabei schnell zurück zu alter Form. Schon in den letzten Testspielen gegen Portugal präsentierte er sich als sicherer Rückhalt für die Nationalmannschaft. Im Eröffnungsspiel gegen die Schweiz zeigte er mit einer offiziellen Abwehrquote von 61 Prozent, dass er wieder in Topform ist. Zum Vergleich: Der Schweizer Keeper Nikola Portner wurde ebenfalls für ein starkes Spiel gefeiert – mit einer Abwehrquote von 31 Prozent.

Bundestrainer Alfred Gíslason wertete Wolffs Leistung als noch beeindruckender: "Die offizielle Statistik sagt 61 Prozent, unsere sogar 64 Prozent, wir haben noch ein, zwei Bälle mehr gesehen", sagte er nach dem Spiel und bescheinigte Wolff eine "phänomenale Leistung".

"Da können wir uns bei ihm bedanken"

Gerade zu Beginn der Partie hatte die deutsche Nationalmannschaft einen starken Wolff auch bitternötig. Denn offensiv war das Spiel der Deutschen von vergebenen Chancen geprägt und auch die Defensive stand in den Anfangsminuten noch nicht ganz sattelfest. "Die Leistung war auch phänomenal, weil viele dieser Würfe frei waren – ohne Abwehr", so Gíslason über Wolff.

Auch Kapitän Johannes Golla zollte seinem Keeper Respekt: "Man muss sagen, dass Andi uns am Anfang schon im Spiel hält." Er habe nach einer Viertelstunde schon sechs Paraden gehabt, wovon viele auch ganz freie Würfe auf das Tor gewesen seien. Mit seiner Leistung habe Wolff der Mannschaft Selbstvertrauen gegeben, um später eine bessere Defensive zu stellen. "Da können wir uns bei ihm bedanken", so Golla.

Wolff zu Scherzen aufgelegt

Angesprochen auf seine Leistung reagierte der Mann der Stunde selbst gewohnt humorvoll: "Perfekt wären 100 Prozent", sagte Wolff nach der Partie mit einem strahlenden Lächeln. Dabei wollte er den Ruhm nicht für sich alleine und lobte seine Mitspieler, die "in der Abwehr ganz fantastisch gekämpft haben und mir das Leben so sehr angenehm gemacht haben."

Wolff gestand aber auch ein, nervös gewesen zu sein. "Wir waren ein bisschen angespannt vor dem Spiel, weil sehr viel über dieses Spiel gesprochen wurde mit der Weltrekord-Kulisse. Zudem war es das erste Turnierspiel einer Heim-Europameisterschaft, bei der wir uns natürlich auch etwas vorgenommen haben", so Wolff.

Unbekümmertes EM-Debüt für Jungstars

Dann lobte er noch mal explizit die zahlreichen jungen Spieler im Kader, von denen einige am Mittwoch ihre allerersten Minuten bei einem großen Turnier absolvierten. Trotz der außergewöhnlichen Umstände hätten sie ihren Job sehr gut gemacht, betonte Wolff.

In der Tat konnten die Jungstars um Justus Fischer, Renars Uscins oder Martin Hanne vor allem in der zweiten Hälfte ebenfalls überzeugen. Das passierte jedoch auf der Grundlage einer deutlichen Führung, die Wolff durch seine Paraden erst ermöglichte. So konnten die "jungen Wilden" frei aufspielen und trotz der enormen Kulisse unbekümmerte erste Turnierminuten sammeln.

Wolff weist den Weg

Damit weist Wolff den Weg zu einer erfolgreichen EM. Denn der Mangel an wirklich erfahrenen Spielern stellt eine Besonderheit im deutschen Kader dar. Zwar können die vielen jungen Akteure ein belebendes Element sein, jedoch sind sie auch auf die Führung der erfahrenen angewiesen. Nachdem sich mit Patrick Groetzki der erfahrenste aller Nationalspieler im letzten Test vor Turnierstart verletzt hatte, war klar, dass die verbliebenen Routiniers um Wolff nun noch mehr Verantwortung tragen müssen.

Wolff wurde dieser Rolle gegen die Schweiz gerecht und führte die Jungen so langsam an den Druck eines Heimturniers heran. Mit Leistungen wie dieser kann er den Jungstars die nötige Ruhe und das Selbstvertrauen geben, um im Turnierverlauf vielleicht selbst zur großen Überraschung heranzuwachsen und den Unterschied zu einem möglichen Titelgewinn zu machen – so wie es Wolff beim EM-Titel 2016 mit seinem persönlichen Durchbruch gelang. Dass er selbst dazu immer noch in der Lage ist, hat er bewiesen – und die deutschen Gegner werden nicht ganz ohne Schaudern erkennen müssen: Der Wolf(f) ist zurück in Deutschland.

Verwendete Quellen
  • Eigenen Beobachtungen vor Ort
  • Gespräche in der Mixed Zone
  • Pressekonferenz mit Alfred Gíslason
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