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Putins Propaganda-Offensive: Wie der Kreml den Sport für sich missbraucht


Putins Sport-Propaganda
Seht her, wie stark ich bin


Aktualisiert am 11.10.2022Lesedauer: 5 Min.
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Russlands Diktator Wladimir Putin bei einem Eishockey-Match zu PR-Zwecken (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Russlands Diktator Wladimir Putin bei einem Eishockey-Match zu PR-Zwecken (Archivbild). (Quelle: Valery Sharifulin via www.imago-images.de)

Oberkörperfreie Fotos und viele Großveranstaltungen: Wladimir Putin weiß, wie er Sport für seine Zwecke nutzen kann. Eine Analyse.

Die Olympischen Winterspiele 2014, die Eishockey-WM 2016 und die WM 2018 hatten eines gemeinsam: Alle Wettbewerbe wurden in Russland ausgetragen. Auch das Champions-League-Finale 2022 und die Eishockey-WM 2023 hätten in Russland stattfinden sollen, wenn Wladimir Putin nicht im Februar 2022 den Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet hätte. Der russische Präsident nutzte diese Veranstaltungen, um der Welt ein äußerst positives Bild von Russland zu vermitteln. Außerdem demonstrierte der 70-Jährige mit der Durchführung der sportlichen Weltereignisse seine Stärke und die des Landes.

Wie wichtig Sport für ein Land und den Nationalstolz sein kann, ist auch in Deutschland bei nahezu jedem großen Fußballturnier zu beobachten. Die Autos und Häuser werden mit Fahnen geschmückt, bei Siegen gibt es Autokorsos und Fanmeilen werden gefüllt. Auch für Politiker sind große Sportereignisse eine gute Möglichkeit, um ihr Image zu verbessern. Die Menschen können sich mit einem identifizieren, der beim Sport Emotionen zeigt, fühlen sich diesem näher.

Das erfolgreiche Abschneiden der Nationalmannschaft oder der Sportler kann einer ganzen Nation Auftrieb geben, wie in Deutschland nach der WM 1954, 1990 oder 2006 zu sehen war. Außerdem nutzen Politiker die Zeit während der großen Turniere gerne, um unbeliebte Gesetzesänderungen durchzusetzen, da darüber – aufgrund der großen Ablenkung durch das Sportereignis – meistens etwas weniger als sonst berichtet wird.

Putin zeigt sich gerne oberkörperfrei

Russlands Präsident Wladimir Putin beherrscht die Kunst, den Sport subtil für seine eigene Propaganda zu nutzen, außergewöhnlich gut. Dies bewies er in den vergangenen Jahren immer wieder.

Er präsentiert sich gerne selbst als besonders sportlich und stark. Immer wieder zeigte er sich selbst bei verschiedensten Aktivitäten oberkörperfrei: beispielsweise beim Reiten, beim Judo, beim Angeln, beim Schwimmen, beim Jagen und beim Wandern. Die eindeutige Symbolik: Seht her, wie stark ich bin. Körperliche Fitness dient Putin als Ausdruck seiner Macht, er will damit präsentieren, mit welcher Stärke er sein Land führt.

Putins größte sportlichen Leidenschaften sind Judo und Eishockey. Auch beim Skifahren und Tauchen ließ er sich bereits ablichten. Mit Judo begann er bereits in seiner frühen Jugend. Dort baute er unter anderem Beziehungen zu verschiedenen Personen auf, die heute noch sein Vertrauen genießen: Oligarch Arkadi Rotenberg und dessen Bruder Boris Rotenberg und Oligarch und Rohstoffhändler Gennadi Timtschenko. Putin hat im Judo einen schwarzen Gürtel und erhielt ehrenhalber ebenfalls einen schwarzen Gürtel im Taekwondo, den ihm der Taekwondo-Weltverband wegen des Ukraine-Kriegs allerdings entzog. Seine zweite große Leidenschaft ist Eishockey. Der Präsident stand bei Showspielen einige Male selbst auf dem Eis.

Großveranstaltungen als Mittel zum Zweck

Neben den eigenen sportlichen Aktivitäten ist für Putin das Veranstalten von großen Turnieren von großer Bedeutung. Für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi gab er zwischen 30 bis 40 Milliarden Euro aus. Die Spiele waren für Russland ein voller Erfolg: Mit elf Gold-, neun Silber- und neun Bronzemedaillen belegte das Land den ersten Platz im Medaillenspiegel. Der Dopingskandal kam erst knapp ein Jahr später ins Rollen. Putin zeigte während der Wettkämpfe immer wieder in einem roten Trainingsanzug – wie ihn auch die Sportler tragen – Präsenz.

Nach dem Turnier sagte er auf der offiziellen Webseite des Präsidenten Russlands: "Die Spiele in Sotschi sollten der Welt ein erneuertes, facettenreiches und offenes Russland präsentieren. Ich glaube, ihr habt während der Olympiade oft davon gehört und darüber gesprochen, und das haben auch alle Teilnehmer und Gäste der Veranstaltungen so empfunden." Brisant: Am Ende der Winterspiele begann Russland mit der Annexion der Krim, was den Auftakt für den heutigen Krieg in der Ukraine bedeutete. Putins Zustimmungswerte in Russland schnellten nach dem erfolgreichen Großereignis und der Annexion der Krim in die Höhe.

Auch die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 wusste Putin zu seinen Gunsten zu nutzen. Insgesamt hielt er sich dort auffällig zurück und war zunächst nur beim Eröffnungsspiel der russischen Mannschaft anwesend. Die Begründung für sein Fehlen seitens des Kremls war häufig, dass er regieren müsse. Kurz vor und während der WM setzte der russische Präsident einige Gesetzesänderungen durch, die normalerweise mehr Aufsehen erregt hätten. Dazu gehörten vor allem die Erhöhung des Renteneintrittsalters (für Frauen um acht Jahre auf 63 Jahre, für Männer um fünf Jahre auf 65) sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 18 auf 20 Prozent.

"Die beste WM aller Zeiten"

Insgesamt verlief die WM nahezu ideal für Putin, die russische Mannschaft wusste zu gefallen, erreichte durch einen Sieg im Elfmeterschießen gegen Spanien im Achtelfinale sogar das Viertelfinale. Dort war gegen Kroatien erst im Elfmeterschießen Schluss. Die Gastgeber hatten für eine Überraschung gesorgt und auch darüber hinaus erreichte der russische Präsident die Ziele, die er für die WM hatte. Sie lief weitgehend ohne Proteste und Ausschreitungen ab, war gut organisiert. Russische Medien bezeichneten die WM als "die beste WM aller Zeiten".

Putin selbst war ebenfalls sehr zufrieden. Er wurde auf der offiziellen Webseite des Präsidenten Russlands so zitiert: "Natürlich können wir stolz darauf sein, wie wir dieses Turnier organisiert haben. Ich denke, dass Millionen von Menschen, egal was sie sagen, solch ein Ergebnis von unserem Team nicht erwartet haben. Wir können stolz darauf sein, dass wir einen so wunderbaren Trainer haben, und zwar einen russischen Trainer, und wir können stolz auf unser Team sein."

Auch Fifa-Präsident Gianni Infantino sparte nicht mit Superlativen. Der 52-Jährige sagte: "Seit ein paar Jahren sage ich, dass das die beste WM überhaupt sein wird. Und das kann ich heute bestätigen. Es ist die beste WM, die jemals stattgefunden hat."

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Wie Putin von erfolgreichen Sportlern profitiert

Selbst in Zeiten des aktuellen Ukraine-Kriegs, von Putin stets als "militärische Spezialoperation" bezeichnet, macht sich der russische Präsident den Sport zunutze. Immer wieder zeigt er sich mit berühmten Sportstars aus der Heimat, um zu demonstrieren, dass sie hinter ihm stehen und seine Vorgehensweise unterstützen. Das soll für höhere Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen. Das sogenannte Z-Symbol, das für die Unterstützung Putins und des Ukraine-Krieges steht, wird von Sportlern immer wieder gezeigt oder von ganzen Mannschaften geformt.

Ein spezieller Fall ist Jelena Issinbajewa. Sie war zweimal Olympiasiegerin im Stabhochsprung. Die ehemalige Spitzenathletin unterstützt Putin und ist Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Die aktiven russischen Sportler werden zum Teil durch Ausschlüsse hart bestraft, sie darf jedoch weiter dem IOC angehören. Sie wurde unter anderem als eine von 75 Personen ausgewählt, die an Putins neuer Verfassung für Russland mitarbeiten sollen. Bezeichnend war auch der Fall, als der russische Funktionär Arkadij Dworkowitsch in Zeiten des Ukraine-Kriegs an der Spitze des Schach-Weltverbandes (Fide) wiedergewählt wurde. Der Kreml gratulierte umgehend und interpretierte die Wahl so, dass sie zeige, dass "Russland in der Welt nicht isoliert ist".

Sportsoziologe erklärt: "Inszenierung von Volksnähe"

Im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärte der Politikwissenschaftler Till Müller-Schoell von der Deutschen Sporthochschule Köln, wie Putin die russischen Sportler für sich nutze. Demnach profitiere der Präsident von "ihrer Popularität, ihrem positiven Image und ihrer tendenziellen Abhängigkeit". Er sagte weiter: "Popularität und Image sind genau die Eigenschaften, die im günstigen Fall für Wladimir Putin auf ihn übertragen werden. Die Abhängigkeit reduziert das Risiko, dass doch Kritik geübt wird." Der Sportsoziologe Jan Haut von der Uni Wuppertal erklärte gegenüber dem "RND" zudem: "Wenn Politiker sich mit Sportlern zeigen, ist das immer eine Inszenierung von Volksnähe."

Fazit: Putin beherrscht es wie kaum ein anderer, den Sport für seine Zwecke zu missbrauchen: Mal etwas aktiver, wie 2014 in Sotschi, und mal etwas passiver, wie 2018 bei der WM. Durch seine eigenen sportlichen Inszenierungen und die Unterstützung erfolgreicher Sportler gelingt es dem russischen Präsidenten, den Sport so für sich zu nutzen, dass das positive Image von sportlichem Erfolg auf ihn abfärbt. Die Athleten wiederum sind von der Unterstützung des Staates abhängig und lassen sich deshalb auf Putin ein – oder stehen ihm sogar nahe, wie Jelena Issinbajewa.

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