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Special Olympics: Wie eine Kennedy die Sportwelt für immer veränderte


Kämpferin für Benachteiligte
Eunice Kennedy: Die große Frau im Schatten ihrer Brüder


Aktualisiert am 20.06.2023Lesedauer: 5 Min.
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Eunice Kennedy-Shriver mit einer geistig behinderten Sportlerin beim Skilanglauf: Mit ihrem Einsatz veränderte die Special-Olympics-Gründerin die Sportwelt. (Quelle: imago sportfotodienst)

Die Kennedys sind eine der bekanntesten Politiker-Familien der Welt. Doch ein Mitglied des berühmten Clans veränderte auch die Sportwelt nachhaltig.

Es ist einer der bekanntesten Namen der US-amerikanischen Geschichte und er steht für Macht und Einfluss: Kennedy. Schon bevor sein Sohn John Fitzgerald zum Präsidenten der USA aufstieg, hatte sich sein Vater Joseph Kennedy in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem einflussreichen Geschäftsmann und Politiker gemausert. Von seinen Kindern erwartete er nicht weniger Erfolg.

So legte neben John auch dessen jüngerer Bruder Robert eine politische Karriere hin: In der Regierung seines Bruders wurde er Justizminister, später Senator. Schließlich bewarb er sich selbst um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei, wurde dann aber ermordet. Nicht zuletzt wegen des frühzeitigen Ablebens wichtiger Mitglieder ist der "Kennedy-Clan" noch heute eine der berühmtesten Familien in den USA. Bekannt sind die Kennedy-Söhne bis heute aber auch für ihr Eintreten gegen die Rassendiskriminierung in den Vereinigten Staaten.

Im Schatten der Männer engagierte sich derweil eine Kennedy-Schwester für die Belange von Menschen, die in der Geschichte viel Leid erfahren haben. Eunice Kennedy-Shriver lag das Wohl von Menschen mit Behinderung besonders am Herzen. Mit einem kleinen Event im eigenen Garten gab sie den Anstoß für eine Entwicklung, die die Sportwelt für immer verändern sollte.

Eigene Schwester als Grund für Eunices Einsatz

Anlass für ihren Einsatz für Menschen mit geistiger Behinderung gab Eunice Kennedy-Shriver die eigene Schwester. Rosemary Kennedy litt selbst an einer leichten Form der geistigen Behinderung, die sich vor allem in einer Lernschwäche äußerte. "Sie war langsam in allem", beschrieb Mutter Rose Kennedy in ihren Memoiren den Zustand ihrer Tochter: "Und sie schien unfähig zu sein, zu lernen, wie man manche Dinge tut."

Vater Joseph, der seine Kinder zu "Gewinnern" erziehen wollte, schickte Rosemary in insgesamt fünf Lehranstalten, die ihr dabei helfen sollten, ihre Lernschwäche zu überwinden – ohne Erfolg. Im Gegenteil: Mit zunehmendem Alter kam es bei Rosemary zu gewalttätigen Übergriffen. So attackierte sie beispielsweise ihren Großvater, trat und schlug um sich. Dem Vater missfiel auch ihre Vorliebe dafür, um die Häuser zu ziehen. Dieses Denken sollte Rosemary schließlich zum Verhängnis werden.

Operation führt zu Tragödie

Aus Angst, seine Tochter könnte schwanger werden und so den Ruf der Familie beschädigen, ließ Vater Joseph schließlich bei Rosemary eine präfrontale Lobotomie durchführen. Ein Eingriff, bei dem Nervenbahnen im Gehirn durchtrennt werden und der schon damals als umstrittene Methode galt, geistige und seelische Krankheiten zu heilen. Bei Rosemary führte der Eingriff zu schwersten körperlichen Behinderungen. Der Vater, der sich für seine behinderte Tochter schämte, verbannte sie daraufhin bis zu ihrem Lebensende in ein Pflegeheim und aus den Augen der Öffentlichkeit.

So grausam das Vorgehen des Vaters war, so sehr war es doch ein Produkt seiner Zeit. Denn geistige Behinderungen waren über weite Teile des 20. Jahrhunderts immer noch mit Scham behaftet. Dass Eltern ihre Kinder mit Behinderung nicht zeigen wollten und damit ihr Leben einschränkten, war durchaus üblich.

Eigene Stiftung für Menschen mit Behinderung

Eunice Kennedy-Shriver erlebte die Dramen, die sich daraus ergeben konnten, hautnah mit – und sie erlebte bei ihrer Schwester auch, dass geistig behinderte Menschen dennoch zu einer ganzen Menge fähig waren. Sie sichtbarer zu machen und mehr in die Gesellschaft zu integrieren, wurde deshalb zu ihrer Lebensaufgabe.

Als Mittel zum Zweck benutzte sie dabei die Joseph P. Kennedy Jr. Foundation, die ihre Familie im Jahr 1946 gegründet hatte. Schon ein Jahr nach der Gründung übernahm Eunice Kennedy-Shriver als Kuratorin eine wichtige Rolle in der Organisation, die nach ihrem im Zweiten Weltkrieg gefallenen Bruder benannt wurde. Ab 1957 wurde sie dann zur Leiterin der Stiftung.

"Die Jahre der Gleichgültigkeit gehen zu Ende"

Unter ihrer Ägide investierte die Stiftung Millionensummen in die Erforschung von geistiger Behinderung. So wurde durch Kennedys Engagement unter anderem das "National Institute for Child Health and Human Development" gegründet, ein eigenes Institut zur Erforschung von geistigen Behinderungen, und das Thema hielt Einzug an den Universitäten des Landes. Zudem sorgte Eunice Kennedy-Shriver dafür, dass die Verbesserung der Lebensumstände von geistig Behinderten mit in das Regierungsprogramm ihres Bruders aufgenommen wurde. "Die Jahre der Gleichgültigkeit und Vernachlässigung, des gefühllosen Zynismus und der tief verwurzelten Vorurteile gehen zu Ende", kündigte sie im März 1962 an.

Ein Ergebnis der Forschungen: Die positiven Auswirkungen, die körperliche Aktivität auf Menschen mit geistiger Behinderung haben kann. Gelegenheit zu Bewegung gab Kennedy-Shriver den Kindern bereits 1962, als sie in ihrem eigenen Garten ihr erstes "Shriver Camp" initiierte. Das Camp sollte auch Kindern mit geistiger Behinderung die Möglichkeit geben, an Sommeraktivitäten teilzunehmen und zudem Begegnungen zwischen Kindern mit und ohne Behinderung fördern.

"Camp-Shriver" gibt den Anstoß

Neben interessierten Kindern aus der Umgebung rekrutierte Kennedy-Shriver dafür Highschool- und College-Studenten als Betreuer für ihr eigenes Sommercamp. Das Ergebnis: 34 Kinder mit und ohne geistige Behinderung sowie 26 ehrenamtliche Betreuer nahmen am ersten "Camp Shriver" in Maryland teil.

Gemeinsam schwammen die Kinder bei bestem Sommerwetter um die Wette, kickten oder warfen Bälle und ritten auf Pferden. Und nebenbei entledigten sich die jungen Betreuer ihrer Vorurteile über Menschen mit geistiger Behinderung. Kennedy-Shrivers Sohn Tim, damals drei Jahre alt, schwärmte später: "Das Besondere an Camp Shriver war, dass es Spaß gemacht hat."

Immer mehr Menschen aus der Gegend schauten sich das bunte Treiben an, auch Vertreter der Parkverwaltung und des öffentlichen Schulsystems machten sich ein Bild. "Damit begann sich das Ganze durchzusetzen", berichtete Kennedy-Shriver später.

Erste Special Olympics im Jahr 1968

In den folgenden drei Jahren wurde die Teilnehmerzahl dreistellig, ebenso die Anzahl der Betreuer. Zwischenzeitlich machte Kennedy-Shriver auch die geistige Behinderung ihrer Schwester Rosemary öffentlich. Ihr millionenfach gelesener Artikel "Hope For Retarded Children" in der "Saturday Evening Post" wurde zum Mutmacher für betroffene Eltern.

Aus dem Camp Shriver entwuchs die Idee landesweiter Sportwettkämpfe, im Sommer 1967 boten vergleichbare Tagescamps Aktivitäten für über 7.000 Kinder mit geistiger Behinderung an. Wiederum ein Jahr später ging Kennedy-Shriver dann noch einen entscheidenden Schritt weiter: Sie rief die ersten Special-Olympics-Spiele ins Leben, finanziert durch die von ihr selbst geleitete Kennedy-Stiftung.

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Los ging es am 20. Juli 1968 in Chicago. Rund 1.000 Athletinnen und Athleten mit geistiger Behinderung aus den USA und Kanada traten bei den ersten olympischen Spielen exklusiv für sie mit- und gegeneinander an. Die teils heftige öffentliche Kritik, dort würden Kinder zur Schau gestellt, legte sich schnell. Dank Unterstützung aus der Wissenschaft folgten immer mehr Bewegungsangebote für Menschen mit geistiger Behinderung.

Bewegung über nationale Grenzen hinweg

Bei einer rein nordamerikanischen Bewegung sollte es aber nicht bleiben. Kennedy-Shrivers Ehemann Sargent Shriver sorgte ab 1990 als Special-Olympics-Vorstandsvorsitzender dafür, dass das Ganze weltweite Dimensionen annahm. Ein Jahr später schwappte die Bewegung mit der Gründung von Special Olympics Deutschland auch offiziell in die Bundesrepublik hinüber.

Prominente Sportpersönlichkeiten wie Pelé oder Wayne Gretzky unterstützten die Spiele 1991 in Minneapolis, zwölf Jahre später wurden in Dublin erstmals Sommerspiele außerhalb der Vereinigten Staaten ausgetragen. Rund 7.000 Menschen traten vor über 400.000 Zuschauern in 18 Disziplinen an.

Eine inklusivere Sportwelt

Alle zwei Jahre finden die Special Olympics World Games mittlerweile statt, jeweils im Wechsel als Sommer- und Winterspiele. Die aktuelle Ausgabe der Sommerspiele läuft seit dem 17. Juni in Berlin. Sie wird ebenfalls von prominenten Sportgrößen, etwa Dirk Nowitzki, unterstützt. 7.000 Aktive aus 190 Nationen, 26 Sportarten, 3.000 Trainer und rund 15.000 Volunteers sind dieses Mal dabei. Das macht die Spiele zum größten Multisport-Ereignis in Deutschland seit den Olympischen Spielen 1972 in München.

Die Größe des Events in Berlin zeigt erneut: Eunice Kennedy-Shriver hat mit ihrem lebenslangen Engagement für die Rechte von Menschen mit geistiger Behinderung vollen Erfolg gehabt. Auch nach Kennedy-Shrivers Tod im Jahr 2009 lebt ihr Vermächtnis in Form der Spiele weiter. Besonders die Sportwelt ist durch sie inklusiver geworden.

Verwendete Quellen
  • specialolympics.org: "Out of the Shadows: Events Leading to the Founding of Special Olympics" (Englisch)
  • specialolympics.org: "Camp Shriver – The Beginning of a Movement" (Englisch)
  • specialolympics.org: "The Beginning of a Worldwide Movement" (Englisch)
  • specialolympics.org: "1968 Games" (Englisch)
  • specialoympics.org: "Eunice Kennedy Shriver's Story" (Englisch)
  • spiegel.de: "Rosemary Kennedy: 'Was haben wir dir angetan?'"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur SID
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