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DLV-Direktor: Werden die Ergebnisse bei Olympia wegen Corona schlechter?


Leichtathletik-Chef
Werden die Ergebnisse bei Olympia schlechter?

InterviewVon Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 02.04.2021Lesedauer: 5 Min.
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Idriss Gonschinska: Der Generaldirektor des DLV beobachtet die Situation seiner Athletinnen und Athleten sehr genau.Vergrößern des Bildes
Idriss Gonschinska: Der Generaldirektor des DLV beobachtet die Situation seiner Athletinnen und Athleten sehr genau. (Quelle: Chai v. d. Laage/imago-images-bilder)

Leistungssportler trainieren nahezu jeden Tag. Ihr ganzer Plan ist auf große Wettbewerbe ausgerichtet. In der Pandemie brach genau das weg und kehrte nur stückweise zurück. Ist das eine Gefahr für die Leistungen? Leichtathletik-Chef Idriss Gonschinska sieht mehrere Möglichkeiten.

In der Corona-Krise rückten zwei sportliche Großevents in den Vordergrund: die Fußball-EM und die Olympischen Spiele. Beide mussten 2020 verschoben werden, beide werden dieses Jahr nachgeholt. Doch für die vielen Athleten ist die Vorbereitung schwierig. Teamtraining ist kaum möglich, die Trainingsstätten stehen nicht wie gewohnt zur Verfügung. Eine Studie erforschte die Auswirkungen der Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie auf die Sportler und stellte klare Tendenzen fest: Die Frustration im ersten Lockdown war hoch, das Leistungsniveau sank eher ab.

Doch wie hat sich die Lage seitdem entwickelt und wie blicken die Verbände auf die bevorstehenden Spiele in Tokio? Diese und weitere Fragen beantwortete ein Mann, der sich als ehemaliger Leistungssportler, Bundestrainer und aktueller Generaldirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbands (kurz: DLV) mit der Thematik auseinandersetzen musste. Er glaubt an gemischte Ergebnisse und hofft auf einige Überraschungen.

t-online: Einer Studie zufolge sind in der Corona-Krise die Zahlen von Ausdauersportlern mit Sorgen, Ängsten und sogar Depressionen stark angestiegen. Diese Ergebnisse lassen sich auch auf andere Einzelsportler übertragen. Wie ist Ihre Wahrnehmung dazu aus der deutschen Leichtathletik?

Idriss Gonschinska (52): Es ist uns bewusst, dass die Unsicherheit eine mentale und psychische Herausforderung darstellt. Wir befinden uns in einer weltweiten Pandemie, in der wenig als normal zu beschreiben ist. Gewohnte Muster sind nicht mehr umzusetzen und das beeinflusst den Sport und damit auch die Athleten.

Sind denn einzelne Sportler schon auf Sie zugekommen und haben Sie um Rat gefragt?

Es gab schon bei einigen die Unsicherheit, ob und wie sie sich auf die Olympischen Spiele vorbereiten können. Dazu war ja im ersten Lockdown lange unklar, ob es überhaupt Wettkämpfe und Ziele in der Saison geben kann. Aber als klar war, dass es eine "Late Season", also die verspätete Saison, geben würde, hat das den Athleten Orientierung und Struktur gegeben, was ihnen sehr geholfen hat. Sonst habe ich wahrgenommen, dass die Sportler die Situation insgesamt sehr unterschiedlich verarbeiten. Manche haben die Saison abgebrochen und sich auf Regeneration und die Arbeit an Schwachpunkten fokussiert. Andere haben die "Late Season" und die sich daraus ergebene Öffentlichkeit als Motivation für sich nutzen können. Zwei Beispiele: Malaika Mihambo ist mit kurzem Anlauf sieben Meter weit gesprungen. Deniz Almas hat sich als junger Sprinter der Zehn-Sekunden-Marke genähert.

Wie ist die Lage seit dem zweiten Lockdown?

Was ich positiv über unser Athletenmonitoring wahrgenommen habe, ist die geringere Anzahl der Verletzungen, die wir sonst zu diesem Zeitpunkt haben. Auch daraus können wir etwas lernen, auch wenn es sehr individuell zu sehen ist: Eine gewisse Achtsamkeit für den eigenen Körper in verschiedenen Prozessen zu erkennen. Dazu haben unsere Sportler auch gelernt, sich noch besser den Situationen anzupassen. Wir reden hier von hochbegabten Menschen. Die Trainingsbedingungen haben sich verändert, der digitale Schwerpunkt ist größer geworden, der Kontakt mit anderen Sportlern fehlt. All das ist ihnen jetzt bewusster als im ersten Lockdown, wo die Lage viel unklarer war. Aber auch heute gilt: Jeder Sportler reagiert anders auf diese schwierige Situation.

Was den Leistungssport auch wieder menschlich macht. Dass selbst die großen Athleten aus dem Fernsehen auch mal schwächeln, können während einer Pandemie viele Fans nachvollziehen.

Wir wissen mittlerweile, dass es mehr Menschen mit Schlafstörungen und anderen Folgen der Pandemie gibt. Das nehmen wir alle wahr. Es gibt gute Tage und es gibt Tage, an denen wir unsicher oder auch im Homeoffice weniger produktiv sind. Es fehlt der direkte Austausch mit anderen Menschen. Genau das können wir auch auf Athleten übertragen.

Ein Ergebnis der Studie war auch, dass viele der befragten Sportler mehr trainieren, ohne aber eine Leistungssteigerung zu erfahren. Welchen Effekt kann das auf die Olympischen Spiele im Sommer 2021 haben?

Zu Punkt eins: Da müssen wir bedenken, dass viele Sportler auf Wettkämpfe hinarbeiten, den Trainingsplan darauf ausrichten. Doch diese Wettkämpfe gab es in der ersten Lockdown-Phase kaum. Der Anreiz fehlte.
Zu Punkt zwei: Ich möchte grundsätzlich keine Medaillen-Prognose abgeben. Aber: Zum einen habe ich nicht damit gerechnet, dass Frau Mihambo mit kurzem Anlauf über sieben Meter springt oder dass Johannes Vetter den zweitbesten Speerwurf der Geschichte hinlegt. Zum anderen haben wir einige Athleten, die Probleme haben, an ihr gewohntes Leistungsniveau heranzukommen. Deshalb fällt es mir schwer, eine pauschale Aussage zu treffen. Ich glaube, es wird alles geben. Wir werden positive Überraschungen sehen als auch Situationen, in denen es Athleten schwerfällt die eigenen Ziele zu erreichen.

Liegt das auch am Faktor Einzelsport?

Ich möchte die Situation im Mannschaftssport nicht bewerten. Aber bei uns hat der 100-Meter-Sprint andere Rahmenbedingungen als der 800-Meter-Lauf oder der Hammerwurf.

Es gab ja auch Diskussionen darüber, dass der Einzelsport im Lockdown zu Hause bleiben musste, während der Mannschaftssport, insbesondere der Fußball, wieder spielen durfte. Ist die Lobby des Einzelsports zu schwach?

Ich weiß, dass man gerne Sportarten miteinander vergleicht, aber schauen wir uns das mal genauer an. Ist es etwas anderes, ein Hygienekonzept für Mannschaften mit 20 Spielern, Ersatzspielern und einem entsprechenden Betreuerteam oder für einen Wettbewerb in einer Sportart mit 49 Disziplinen mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu entwickeln? Wir haben uns daher die Konzepte anderer Sportarten angeschaut und dabei viel gelernt und auf Basis dessen mit unserem medizinischen Kompetenzteam eins für uns entwickelt, das auch die Rahmenbedingungen für die einzelnen Trainingsstützpunkte darstellt.

Noch ist unklar, wie die Olympischen Spiele stattfinden werden. Ob Fans dabei sein können, wird angesichts der weltweiten Lage angezweifelt. Wie bereitet sich der DLV auf das Szenario Olympische Spiele ohne Zuschauer vor Ort vor?

Wir haben unter anderem zusammen mit dem Research Lab der TSG Hoffenheim und Open-SAP einen Kurs durchgeführt, wo wir über Spitzensport in Zeiten der Krise gesprochen haben. Wir wollten damit die Athleten und Trainer in dieser besonderen Phase an Bord holen und aktuelle Trends aus der Wissenschaft vorstellen. Auch haben wir Online-Beratungen durch unsere DLV-Psychologen sowie Kurse wie Yoga und Meditation angeboten. Das wird sehr intensiv in Anspruch genommen von den Sportlern. Dazu müssen Sie ja bedenken, dass im Jugendsport und auch in den ersten Jahren als Profi nicht unbedingt immer viele Fans vor Ort sind. Sie haben diese Situationen also irgendwie schon erlebt. Aber natürlich wünschen sich unsere Sportler das Publikum. Denn die Momente bei Olympischen Spielen mit Fans sind einzigartig, das wissen wir alle.

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