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Olympia gefährdet die Tradition des Wintersports


Peking statt München
Olympia gefährdet die Tradition des Wintersports

  • Melanie Muschong
Von Melanie Muschong

Aktualisiert am 12.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Die Skisprunganlage in Zhangjiakou: Abseits der Schanze liegt kein Schnee.Vergrößern des Bildes
Die Skisprunganlage in Zhangjiakou: Abseits der Schanze liegt kein Schnee. (Quelle: SNA/imago-images-bilder)

Die Orte der Winterspiele in den vergangenen Jahren zeigen ein Muster, das nicht auf Tradition setzt. Dabei wäre das ein wichtiges Signal. Das Problem spiegelt sich in der Vergabe des diesjährigen Events wider.

St. Moritz, Stockholm, Oslo und München: All diese Orte mit Wintersport-Tradition hätten die Olympischen Spiele 2022 ebenfalls ausrichten können. Dann würden die TV-Bilder weniger triste Kunstschneepisten zeigen anstelle von echten Skigebieten. Doch das Großereignis ist in China, weil Peking den Zuschlag bekam.

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Die Bewerbungen der anderen genannten Städte scheiterten am Willen der Wählerinnen und Wähler. An der Bevölkerung. Das verärgert auch Skispringer Severin Freund, der mit dem Team in Sotschi 2014 Olympiasieger wurde. "Man kann es nur anders machen, wenn man sich daran beteiligt", sagt Freund im Gespräch mit t-online. Er ergänzt: "Mit der Vergabe der Spiele in den letzten Jahren ist nicht immer alles nach den Wünschen der Sportler gegangen, auch das Finanzielle spielt eine große Rolle. Aber wenn die Spiele nicht durchgehen, weil die Bevölkerung es ablehnt, so wie auch in Innsbruck, dann wird es auch schwierig, gute Orte zu finden."

Skispringer Freund: "Das ist ziemlich bitter"

Alle vier deutschen Ausrichtergemeinden mit München, Berchtesgadener Land, Traunstein und Garmisch-Partenkirchen hatten im November 2013 gegen eine Austragung der Spiele 2022 in München gestimmt. "Ich bin damals bei der Volksabstimmung ins Wahlbüro gelaufen und war, glaube ich, der Einzige, der für Olympia in München gestimmt hat. Das ist in einer Stadt wie München, die auch heute noch im Stadtbild viel von den Sommerspielen lebt, ziemlich bitter", sagt Freund. Auch die Tiroler wollten das Großereignis 2026 nicht in ihrem Land haben, wie eine Volksabstimmung zeigte. Für Freund, der 2014 in Harrachov Skiflug-Weltmeister wurde, hat das einen bitteren Beigeschmack.

"Was mich bei dem Punkt relativ ärgert, ist, dass es so wirkt, als wäre da ein Gefühl von: 'Ja, wir bejubeln olympische Medaillen und schauen es gerne an, aber bei uns wollen wir die Spiele nicht haben.' Das ist eine große Doppelmoral." Allerdings fehlte der Stadt München damals, im Jahr 2013, auch der Rückhalt des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), an dessen Spitze Thomas Bach stand.

Der heutige IOC-Präsident? Richtig. Er hatte seit 2006 die ehrenamtliche Rolle übernommen. Zu dem Zeitpunkt der Wahl für die Winterspiele 2022 in München wollte Bach sich im September 2013 zum IOC-Präsidenten wählen lassen.

Bach nahm sich keine Zeit für Olympia in München

Sein Fokus lag weniger auf den Olympischen Spielen 2022 als auf der eigenen Agenda. Wie der "Spiegel" zuletzt berichtete, wollte der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich ein Gespräch mit dem damaligen DOSB-Präsidenten Thomas Bach über das anstehende Referendum. Doch: Das Büro stellte Friedrich einen Termin in fünf Monaten zur Aussicht. Zu spät für die Entscheidung über die Spiele.

So waren am Ende nur noch zwei Orte im Rennen: Almaty in Kasachstan und Peking in China. Beides Länder, die autoritär regiert werden. Mit 44:40 Stimmen entschied sich das IOC für den jetzigen Gastgeber der Spiele. Damit reiht sich Peking in eine Liste von Orten ein, die eigentlich keine bis wenig Wintersport-Tradition haben. Die vorletzten Spiele fanden in Sotschi in Russland statt. 2018 reisten die Sportler nach Pyeongchang (Südkorea) und nun in das Reich der Mitte.

Die Spiele, die vielen noch in besonderer Erinnerung sind, fanden 1994 in Lillehammer in Norwegen statt. Das sieht auch Skisprung-Ikone Martin Schmitt so. Er sagt im Gespräch mit t-online: "Das war ein Musterbeispiel und es kann vielleicht nicht immer so laufen. Aber natürlich hat man das Gefühl, dass es viel zu selten so läuft, dass es die Ausnahme ist und man so weit zurückgehen muss."

Norwegen? "Da stehst du und hast Gänsehaut"

Zudem fügt der heutige Experte von Eurosport hinzu: "Man muss genauer hinschauen, welchen Zweck ein Gastgeber mit den Spielen verfolgt. Da muss sich das IOC viel stärker positionieren, seine eigenen, die olympischen Werte viel stärker verteidigen und das im Vergabeprozess berücksichtigen." Eine Haltung, die auch Freund vertritt. Er selbst hat die Spiele in Sotschi miterlebt. Dort waren, obwohl es damals noch keine Pandemie gab, fast keine Zuschauer. Anders ist dies beispielsweise in Norwegen, wo unter anderem alle zwei Jahre die Skiflug-WM in Vikersund ausgetragen wird.

Freund: "An einem Ort wie Vikersund geht die Tradition in dem Moment, ab dem man an der Schanze ist, los. Der Sport lebt zu einem sehr großen Teil von der Emotion. Die Bedeutung des Wintersports in Norwegen, in Oslo, am Holmenkollen, ist bekannt. Ich stand abseits meines Wettbewerbs damals in der Zielkurve des Holmenkollen und eine Norwegerin nach der anderen ist im Langlauf eingelaufen. Es waren unzählige Leute da, die Stimmung dort war mit nirgendwo anders zu vergleichen. Da stehst du da und hast Gänsehaut."

2026 können "Spiele werden, die neue Richtung einläuten"

"Das ist für mich ein Unterschied, wenn du dann beispielsweise in Sotschi bist und bei den Einzelwettbewerben nicht wirklich Stimmung ist. In Sotschi war der Teamwettkampf anders, weil andere Sportler durch waren und angefeuert haben. Norwegen ist da besonders, weil es dort egal ist, wer weit springt, es wird jeder gute Sprung bejubelt. Und genau so ist das in Planica", erklärt Freund aus seiner Wahrnehmung. Auch Planica hat eine große Tradition im Wintersport.

Es gibt etwas, das Sportlern und Zuschauern Hoffnung macht: Die Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo. Hier finden seit Langem Weltcups statt, zudem gab es dort 1956 bereits Winterspiele. Schanzen und Anlagen können restauriert werden, sodass es nachhaltigere Spiele werden können. "Ich glaube, dass die Spiele 2026 anders werden, da auf Anlagen gesetzt wird, die regelmäßig genutzt werden und wo der Wintersport populärer ist", bilanziert Freund – und sagt: "Das können Spiele werden, die eine neue Richtung einläuten."

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Ärger um Auftritt des IOC-Präsidenten

Hier finden Sie alle weiteren Video-Highlights der Olympischen Spiele

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Severin Freund
  • Eigenes Interview mit Martin Schmitt
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