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Heftige Kritik an Superreichen: Satire gewinnt die Goldene Palme


Wichtigster Preis in Cannes
Heftige Kritik an Superreichen: Satire gewinnt die Goldene Palme

Von Aliki Rettig, Cannes

29.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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"Triangle of Sadness": Die Satire über eine Luxuskreuzfahrt hat die Goldene Palme gewonnen.Vergrößern des Bildes
"Triangle of Sadness": Die Satire über eine Luxuskreuzfahrt hat die Goldene Palme gewonnen. (Quelle: Fredrik-Wenzel / Plattform)

Zuerst fließt der Champagner in Strömen, dann bricht das Leben der Superreichen zusammen: Die schwedische Satire "Triangle of Sadness" übt heftige Kritik an unserer Gesellschaft – und holt damit die Goldene Palme beim Filmfest Cannes.

Was ist, wenn man Geld im Überfluss hat und sich alles leisten kann? Und was passiert, wenn Geld dann plötzlich keinen Wert mehr hat? Das zeigt der schwedische Regisseur Ruben Östlund in seinem Film "Triangle of Sadness" auf grandiose Weise und wurde beim Festival Cannes schnell zu einem Publikumsliebling.

Selten wurde dort im Kino so oft und so viel gelacht. Das sah die Jury offenbar ähnlich: Sie zeichnete die Satire gestern Abend mit der Goldenen Palme aus, dem wichtigsten Preis des Festivals.

"Triangle of Sadness" beginnt zunächst mit einem ordentlichen Seitenhieb auf das Modelbusiness. Dabei lernen wir auch Yaya und Carl kennen, ein Influencer- und Modelpaar, das schließlich auf eine Luxusyacht eingeladen wird. Dort nimmt der Film richtig Fahrt auf. Zuerst wird Nutella mit dem Helikopter eingeflogen, dann der Oligarchen-Gattin auch der absurdeste Wunsch erfüllt.

"Die ganze Jury war schockiert von diesem Film"

Regisseur Östlund, der 2017 bereits mit seiner Satire "The Square" über die Kunstszene die Goldene Palme gewann, zeigt nun, wie die Superreichen ihr Leben in Saus und Braus feiern und wie moralisch verkommen sie dabei sein können. Lange geht das allerdings nicht gut. Denn beim eleganten Kapitänsdinner wird der Seegang so heftig, dass den feinen Damen und Herren schon bald der Champagner oben wieder rauskommt und sie im eigenen Erbrochenen hin- und herrutschen.

Dann jagen auch noch Piraten die Yacht in die Luft und nur ein paar Gäste, darunter Iris Berben in einer Nebenrolle, können sich auf eine einsame Insel retten. "Auf der Yacht war ich die Klofrau, aber hier bin ich der Kapitän", macht die patente asiatische Angestellte den arroganten und hilflosen Schnöseln klar – und stellt ihre eigenen Regeln auf.

"Die ganze Jury war schockiert von diesem Film", sagte Jurypräsident Vincent Lindon bei der Preisvergabe. Tatsächlich kann man nicht wirklich glauben, was man da alles sieht und wie schnell sich die Ereignisse überschlagen. Denn Regisseur Östlund nimmt diese Überfluss-Gesellschaft völlig schonungslos auseinander und teilt böse gegen sie und die Folgen des Kapitalismus aus. Woody Harrelson als versoffener, marxistischer Kapitän ist da nur einer der Höhepunkte. "Wir wollten einen Film machen, der unterhaltsam ist und die Gedanken anregt", sagte der 48-jährige Östlund bei seiner Dankesrede.

Gewinnerfilme übten Gesellschaftskritik

Auch andere Gewinnerfilme übten Gesellschaftskritik. Der Japaner Koreeda Hirokazu zum Beispiel porträtierte eine ungewöhnliche Wahlfamilie: Zwei Männer, die ein Baby aus einer Babyklappe verkaufen wollen, dessen junge Mutter und ein kleiner Junge aus dem Waisenhaus, sie alle ziehen in diesem ungewöhnlichen und sehr eindringlich erzählten Drama durch Südkorea und finden aneinander Halt. Hauptdarsteller Song Kang-ho, bekannt aus der Oscar prämierten Satire "Parasite", wurde in Cannes nun als bester Schauspieler geehrt.

Die belgischen Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne wiederum, die bereits zwei Goldene Palmen gewannen, stellten zwei Flüchtlinge aus Afrika in den Mittelpunkt, die in Europa um einen Neuanfang kämpfen. Sie sind eine Schicksalsgemeinschaft: eine junge Frau und ein kleiner Junge, die in der fremden Welt nur sich haben. "Tori and Lokita" zeigt ihre Hilflosigkeit und wie sie durch die Forderungen ihrer Familien, der Menschenschmuggler und der belgischen Behörden in eine Sackgasse getrieben werden. Dieses berührende Werk wurde mit dem Spezialpreis anlässlich des 75. Festivaljubiläums ausgezeichnet.

Standing Ovations gab es bei der Preisverleihung kurz darauf für ein ganz anderes Werk: In "Close" erzählt der 31-jährige belgische Regisseur Lukas Dhont von der engen Freundschaft zweier Jungs, die dann aber zerbricht. "Seid ihr zusammen?", will eine Mitschülerin an der neuen Schule von ihnen wissen – und bringt das Duo ins Wanken. Denn was sich für Léo und Rémi bisher einfach nur schön und natürlich angefühlt hat, wird auf einmal in einem anderen Licht gesehen.

"Ich widme diesen Preis der Zärtlichkeit und dem Mut"

Die Schwierigkeiten mit dem Heranwachsen, das Verstehen der eigenen Sexualität und das furchtbare Gefühl der absoluten Einsamkeit, all das verarbeitet Dhont auf so gefühlvolle Weise, dass viele im Kinopublikum weinten. "Ich widme diesen Preis der Zärtlichkeit und dem Mut derjenigen, die die Liebe der Angst vorziehen", sagte Dhont, als er den Großen Preis der Jury annahm, den er sich zu gleichen Teilen mit der Französin Claire Denis für ihren romantischen Thriller "Stars at Noon" teilt.

Was bei dieser Preisverleihung allerdings auch auffiel: Einige Cannes-Veteranen gingen leer aus. So wie David Cronenberg, der mit "Crimes of the Future" eine düstere Zukunftsvision mit Viggo Mortensen und Kristen Stewart vorlegte. Genauso wie der Rumäne Cristian Mungiu, der für das Abtreibungsdrama "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage" einst die Goldene Palme bekam, und in "R.M.N." nun den Rassismus in unserer Gesellschaft anprangerte.

Die Auszeichnungen spiegeln zugleich aber auch den insgesamt guten Festivaljahrgang wider. Denn bei diesem Wettbewerb gab es kaum Werke, die wirklich enttäuschten. Stattdessen schien auch die Stardichte auf dem roten Teppich besonders hoch: In den vergangenen Tagen schauten Sharon Stone und Kylie Minogue, Jarvier Bardem und Tom Cruise, Tom Hanks und Julia Roberts vorbei – und sicherten Cannes einmal mehr den Ruf als das glamouröseste Filmfest.

Verwendete Quellen
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