30 Jahre Bad Boys Blue: Der Multi-Kulti-Gegenentwurf zu Modern Talking

Ein rhythmischer Beat, eine eingängige Melodie und obendrauf ein melancholisches Mundharmonikaspiel - mit diesem einfachen Rezept avancierte 1985 der Song "You're A Woman" zum Hit und machte drei bis Dato unbekannte Sänger unter dem Namen Bad Boys Blue zu Stars. Ins Leben gerufen als Multi-Kulti-Gegenentwurf zu Modern Talking, blieb das Trio aber weit hinter den Erfolgen Dieter Bohlens zurück. Interne Eifersüchteleien sorgten schon bald für wechselnde Besetzungen. Doch noch heute tritt John McInerney, der einzige noch lebende Sänger der Ursprungsformation, unter dem Namen Bad Boys Blue auf. In Osteuropa ist die Band nach wie vor schwer angesagt.

"1984 war das Jahr eines neuen, elektronischen Disco-Sounds in Deutschland", erzählt die Bad-Boys-Blue-Produzentin Karin Hartmann im Interview mit t-online.de. Zusammen mit ihrem Mann Tony Hendrik hatte sie jahrelang Hits für Wolfgang Petry produziert. Jetzt wollten sie ein Projekt ins Leben rufen, das diesen neuen Trend bedient und gleichzeitig auf den Erfolgszug des Modern-Talking-Hits "You're My Heart, You're My Soul" aufspringt.

"You're A Woman" als Antwort auf "You're My Heart, You're My Soul"

"Es ist wahrscheinlich leicht herauszuhören, dass 'You're A Woman' unsere Antwort auf diesen Song war. Wir sahen Bad Boys Blue als interessante Multi-Kulti-Antwort auf diese zwei hübschen Jungs", sagt sie.

Die Produzentin traf den amerikanischen Chorsänger Andrew Thomas und ließ ihn "You're A Woman" einsingen. Den Song hatte Karin Hartmann an Karneval 1985 geschrieben. Da das Ergebnis noch nicht den Wünschen entsprach, ließ man auch die mit Thomas befreundeten Sänger Trevor Taylor und John McInerney das Lied singen. Bad Boys Blue waren geboren.

Internationale Erfolge für Bad Boys Blue

Zu hören ist bei "You're A Woman" die Stimme des Jamaikaners Trevor Taylor. "Seine Stimme passte am besten zu dem Lied", so Hartmann. Andrew Thomas und dem Briten McInerney blieben nur die Rollen der Backgroundsänger.

Der Erfolg gab dem Produzententeam recht. "You're A Woman" landete in Deutschland auf Platz acht, in der Schweiz auf der Rang zwei und in Österreich sogar auf der Eins. 22 Wochen hielt er sich in den deutschen Charts. In den Discos sorgte er für volle Tanzflächen. Songs wie "Pretty Young Girl", "I Wanna Hear Your Heartbeat" oder "Come Back And Stay" knüpften an diesen Erfolg an. Auch in Mexiko, Südafrika und in den Ländern des damaligen Ostblocks wurden die drei Sänger zu gefeierten Stars.

Lebenslustige Truppe mit Star-Allüren

Und die Band genoss den plötzlichen Ruhm und die vielen weiblichen Fans. "Ich möchte gar nicht wissen, was in den Betten der Jungs gelaufen ist", so Hartmann. Es sei eben eine sehr lebenslustige Truppe gewesen, wenn auch mit Star-Allüren. Aber: "Wenn man Nummer eins ist und überall hofiert wird, dann bildet man sich plötzlich sonst was ein und verliert den Blick für die Realität", zeigt die Musikproduzentin Verständnis.

Auch Alkohol und Drogen spielten bei den Musikern eine Rolle. So fiel Andrew Thomas bei einem TV-Auftritt in Südafrika betrunken von der Bühne. Und als die Band in Mexiko war, musste Karin Hartmann ihnen Geld schicken, damit einer der Musiker aus dem Gefängnis freigekauft werden konnte: "Aber sie haben mir nie erzählt, was genau da vorgefallen ist."

Leadsänger stieg beleidigt aus

1988 war es dann vorbei mit den großen Erfolgen und der Harmonie. Trevor Taylor verließ die Bad Boys Blue, weil Karin Hartmann im Laufe der Zeit John McInerney zum Leadsänger gemacht hatte: "Seine Stimme und Persönlichkeit passten besser zu den neuen Songs. Natürlich hatte das Eifersüchteleien seitens Trevor zur Folge. Irgendwann war er dann richtig beleidigt und stieg aus. Ich trage somit eine Mitschuld am Auseinanderbrechen der Band."

Nachdem die Erfolge zu Beginn des neuen Jahrzehnts ganz ausblieben, trennten sich Karin Hartmann und die Bad Boys Blue 1993. "Ihr typischer Sound und die Songs waren nicht mehr zeitgemäß", so Hartmann. Außerdem hatten die Hitproduzenten mit Haddaway schon den nächsten Chartsstürmer unter Vertrag. Sänger wie er oder Dance-Projekte wie Snap machten nun mit ihrem Eurodance die Hits. Für Acts wie Bad Boys Blue - wenn auch Wegbereiter dieses Sounds - war die Zeit abgelaufen.

In Deutschland heute schnulzig und uncool

Dennoch machten McInerney und Thomas mit einem dritten, häufig wechselnden Sänger weiter. Das Album "Back", mit neuen, zeitgemäßeren Versionen von Bad-Boys-Blue-Hits, eroberte 1998 noch einmal die Charts. Ansonsten konnten die Musiker mit ihren Plattenverkäufe nie mehr an die alten Zeiten anknüpfen. Nur bei Konzerten in Osteuropa wurden sie immer noch begeistert gefeiert. "Dort mag man diese Melodien und auch die Melancholie, die in einigen Liedern steckt", erklärt die langjährige Bad-Boys-Blue-Begleiterin das Phänomen: "In Deutschland ist diese Musik heutzutage uncool und schnulzig. Hier schaut man ja immer nur nach Amerika, wenn es um Musik und Trends geht. Das ist in Osteuropa anders."

Die schwersten Schicksalsschläge in der Karriere der Bad Boys Blue ereigneten sich aber 2008 und 2009. Zuerst starb Trevor Taylor im Alter von 50 Jahren in London an den Folgen einer Hirnhautentzündung. Dann Andrew Thomas mit 63 Jahren an Magenkrebs. Seit 2011 ist John McInerney der einzige Bad Boy Blue. Der 58-Jährige lebt mit seiner Frau inzwischen in Polen. Anstatt zweier Sänger komplettieren zwei Sängerinnen die Band. McInerneys Frau Sylvia sowie Edith Miracle.

30 Jahre Bad Boys Blue mit einer "Best of"-CD

Und in dieser Besetzung feiert das Trio auch das 30-jährige Jubiläum der Bad Boys Blue. Mit einer Best-Of-CD und zahlreichen Konzerten. Für Deutschland gibt es aktuell drei Termine: 22.08. Wilthen, 04.09. Seelow, 05.12. Stralsund.