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Fettes Brot: "Alle hören jetzt Schlager: Wie kann das sein?"


Interview mit König Boris von Fettes Brot
"Alle hören jetzt Schlager: Wie kann das sein?"

t-online, Marc Thomé

Aktualisiert am 03.09.2015Lesedauer: 6 Min.
Fettes Brot (v.li.): Björn Beton, König Boris und Doc Renz.Vergrößern des BildesFettes Brot (v.li.): Björn Beton, König Boris und Doc Renz. (Quelle: Fettes Brot/Agentur von Welt)
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Fettes Brot sind gerade unglaublich produktiv. Die Urgesteine des deutschen Sprechgesangs erfreuen ihre Fans nur zwei Jahre nach "3 is ne Party" am 4. September wieder mit einem neuen Album. Wir sprachen mit König Boris über das "Teenager vom Mars" betitelte Werk, über Schlagermusik und engstirnige Mitmenschen.

t-online.de: In einigen Stücken auf dem neuen Album "Teenager vom Mars" greift ihr mit Zeilen wie "Im All wissen alle, ihr könnt Fremde hier nicht leiden" das Thema Fremdenhass auf. Findest Du, dass das Klima in Deutschland generell intoleranter geworden ist?

König Boris: Wenn man sich gerade das aktuelle Geschehen anschaut, wo Asylbewerberheime brennen, wo es Straßenschlachten mit Nazis gibt, die verhindern wollen, dass Menschen, die vor Bomben fliehen, bei ihnen im Dorf wohnen können, dann finde ich das sehr erschreckend. Und das Ganze wird dann auch noch flankiert von einer seltsamen Rückbesinnung auf 50er-Jahre-Werte, die ja auch in der Musik ihren Widerhall finden. Diese "Schlagerisierung“, wo der Mann wieder Mann sein darf und die Frau Frau, wo es nur schwarz und weiß gibt und wo ein einfaches, leicht zu verstehendes Weltbild vermittelt wird. Und das hören nicht nur ein paar versprengte Rentner im "Musikantenstadl“, sondern das verkauft sich millionenfach. Da schütteln wir schon den Kopf. Denn das ist unserer Meinung nach nicht nur ein Musiktrend, sondern das hat etwas mit einer Gesellschaft zu tun, die aus Angst oder Überforderung die Augen verschließt vor dem, was in der Welt passiert. Und die sich als Reaktion auf die Probleme, die wir haben, abkapselt und sagt, wir machen uns hier unser eigenes schönes Leben, und der Rest hat gefälligst draußen zu bleiben. Das ist meiner Meinung nach keine Haltung.

Wenn ich dich richtig verstehe, kann Schlagermusik eine gewisse engstirnige Geisteshaltung durchaus unterstützen.

Abgesehen davon, dass Schlager musikalisch nicht besonders herausfordernd ist, ist da textlich nichts drin, was an die Welt andockt, in der wir leben. Das ist ein Paralleluniversum, eine Fantasiewelt, in der es nur heiße Nächte und romantische Strandabenteuer gibt. Ich kann natürlich nachvollziehen, dass man auch mal ein bisschen Pause haben will, mal den Kopf ausschalten und sich amüsieren will. Aber wenn es nur noch das ist, wenn nur noch demonstrativ die Realität ausgebendet wird, dann finde ich das fast schon gefährlich.

Diese Thematik verarbeitet ihr auch im Song "Alle hörn jetzt Schlager“. Gab es ein bestimmtes Ereignis, das euch inspiriert hat, gerade jetzt einen solchen Song zu schreiben?

Es ist schon etwas her, dass ich den Song geschrieben habe. Aber er ist natürlich noch aktuell. Leute, die sich vor fünf Jahren zu Millionen die Peter-Fox-Platte gekauft haben, einigen sich plötzlich auf Schlager. Da frage ich mich: Wie kann das sein? Das hätte früher keiner gemacht. Heino oder Roberto Blanco: Das waren die Feinde. Das war rückständig, das war reaktionär, damit hätte man sich nicht im Keller erwischen lassen wollen. Heute tragen das alle vor sich her, manche mit einer leichten Ironisierung. Aber ich finde, das ist dann auch nur eine billige Schutzfunktion. Und da dachte ich, dagegen kann man doch mal singen.

Wenn man selbst deutsche Musik macht wie ihr, finde ich es nur immer etwas schwierig, mit so einer Pauschalkritik daherzukommen. Viele Leute, dich euch hören, haben bestimmt auch ein Best-of-Album von Helene Fischer zu Hause rumstehen. Und die Grenze zwischen Party-Schlager und dem, was ihr oder Deichkind teilweise macht, ist auch fließend.

Dessen bin ich mir vollkommen bewusst. Ich habe ja auch gar nichts gegen Gassenhauer, oder Songs, bei denen alle mitgrölen und eine schöne Party haben. Aber wenn man sich Andreas Gabalier anschaut und was da für konservative Tendenzen in den Texten auftauchen, dann steckt dahinter eine bestimmte Geisteshaltung. Da sehe ich große Unterschiede zu einem Song von uns wie zum Beispiel "Emanuela“. Es geht ja auch nicht nur um einzelne Songs, sondern um die Gesamtheit einer Band oder eines Künstlers. Da sehe ich bei uns eine völlig andere Haltung, und in unseren besten Momenten gelingt es uns vielleicht, mit unseren Texten zum Nachdenken anzuregen.

Til Schweiger geht das Thema Flüchtlinge und Fremdenfeindlichkeit auf seine ganz eigene, öffentlichkeitswirksame Art und Weise an. Wie siehst du das?

Til Schweiger findet man gut oder nicht. Aber wenn er sich klar von irgendwelchem Nazi-Gelaber auf seiner Seite distanziert, dann kann ich das nur gut finden. Deshalb muss ich jetzt ja kein "Keinohrhasen“-Fan sein. Das kann ich ganz gut trennen. Und wenn er jetzt ein Flüchtlingsheim bauen will, dann kann ich daran auch nichts Schlechtes finden. Wie das dann in der Medienlandschaft behandelt wird, steht natürlich noch einmal auf einem anderen Blatt. Aber grundsätzlich finde ich die Aktion gut.

Zurück zu eurem Album "Teenager vom Mars“: Wo kommt denn dieses Science-Fiction-, B-Movie-Konzept her?

Erst haben wir den Song "Teenager vom Mars“ geschrieben und dachten dann, dass das ein toller Titel für das Album sei. Uns hat die Perspektive daran gut gefallen. Dieses von außen Kommende, mit großen Augen Betrachtende. Außerdem fanden wir den Flachwitz gut, dass wir uns nochmal als Teenager bezeichnen.

Euer Video zu "Teenager vom Mars“ hat keine Jugendfreigabe. Nackte Frauen, Exkremente… Sehr trashig…

Vielleicht fühlen sich davon jetzt manche angegriffen, aber das ist tatsächlich das Trash-Genre: Laserstrahlen aus Brüsten, und dass wir dann am Ende Alien-Eier legen. Das ist natürlich stark überspitzt, und eine Spezialität des Regisseurs. Wir fanden es jedenfalls sehr unterhaltsam. Gleichzeitig läuft ja auch unsere Radio-Single "Von der Liebe“, zu der es auch ein Video geben wird, bei dem Björn Beton Regie führt.

Das ist dann also das Kontrastprogramm.

Genau.

Wenn ihr eure Songs schreibt, wen habt ihr als Zielpublikum im Kopf? Ist es eher das Party-Volk, oder die jüngeren Fans, oder die Fans der ersten Stunde?

Weder noch. Unser Publikum ist sehr heterogen. Von Teenagern bis zu 50-Jährigen ist alles dabei. Die Idee, irgendwelche Erwartungen erfüllen zu müssen, haben wir uns schon lange abgeschminkt. Unsere Musik funktioniert nur, wenn wir selber der Maßstab sind. Wir machen, was wir spannend finden, worauf wir Lust haben.

Ich finde, das neue Album ist wieder mehr am Hip-Hop orientiert. Oder täuscht das?

Unsere Wurzeln sind natürlich im Rap und im Hip-Hop. Wir beschäftigen uns auch sehr viel mit der Musik und hören sie gerne. Aber dass wir uns über Genregrenzen Gedanken machen, das haben wir auch aufgegeben. Wir waren ja schon immer eine Band, die Experimenten nicht abgeneigt ist. Da wurden wir oft von der puristischen Hip-Hop-Gemeinde angefeindet, und sind dann zur Band zwischen den Stühlen geworden. Aber in dieser Position fühlen wir uns mittlerweile eigentlich ganz wohl. Wir werden also nicht von dem Gedanken geleitet, wir müssten jetzt wieder mehr in Richtung Hip-Hop oder Pop gehen, sondern der jeweilige Song steht im Mittelpunkt. Und ob der Song dann eher in Richtung Pop geht wie "Von der Liebe“ oder in Richtung Rap wie zum Beispiel "Ganz schön low“, das entscheidet sich auf dem Weg dahin.

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Seit einigen Jahren ist Hip-Hop in Deutschland die musikalische Jugendkultur Nummer eins. Verfolgt ihr die Szene?

Das kriegen wir schon noch alles mit. Wir sind sehr interessiert an aktueller Musik. Aber nicht aus dem Gefühl heraus, das jetzt auch machen zu müssen. Musik ist einfach ein Teil unseres Lebens, und neue Musik zu entdecken und sich gegenseitig vorzuspielen machen wir einfach sehr gerne.

Fettes Brot macht seit fast 25 Jahren zusammen Musik. Jetzt habt ihr innerhalb von zwei Jahren gleich zwei Alben veröffentlicht, wart auf Festivals unterwegs. Geht man sich da nicht irgendwann gegenseitig auf den Keks?

Die Momente gibt’s natürlich, wo man sich gegenseitig auf den Sack geht. Das ist eben einfach so, wenn man eng aufeinander hockt und gerade auf Tour wenig Privatsphäre hat. Aber nie in dem Maße, dass uns das daran gehindert hätte, weiter gemeinsam Musik zu machen. Und wir haben auch immer so richtig Bock auf das, was wir gerade machen. Wir sind gerne im Studio und denken uns neue Sachen aus, das Touren macht uns tierisch viel Spaß. Und so lange das so ist, gibt es keinen Grund zu sagen, wir lassen das.

Aber warum habt ihr das aktuelle Album so schnell nachgezogen? Das ist für euch ja eher untypisch.

Da waren wir selbst überrascht. Das haben wir bisher nur einmal geschafft. Das war zwischen dem ersten und dem zweiten Album. Dieses Mal war es so, dass wir nach der Pause mit "3 is ne Party“ so schön im Flow waren, dass wir zu Weihnachten noch eine EP mit vier, fünf Stücken machen wollten. Und dann haben wir gemerkt, dass es läuft und wir so viele gute Stücke hatten, dass wir direkt ein ganzes Album daraus machen wollten. Deshalb mussten wir die Tour verschieben. Wir hatten erst etwas Angst, dass wir dadurch die Fans verärgern. Aber wir waren die letzten Jahre so verlässlich, dass wir es uns dann doch erlaubt haben, die Menschen auf später zu vertrösten. Dafür gibt’s dann ja auch schneller ein neues Album.

Boris, vielen Dank für dieses Interview.

Das Interview führte Marc Thomé.

"Teenager vom Mars" von Fettes Brot erscheint am 4. August.

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