Schon gehört? Michelle über "dunkle Zeiten" mit Tochter Marie Reim

t-online hat offene Ohren für die wichtigsten Alben der Woche und gibt Ihnen Musiktipps. Diese Woche mit Michelle in der Retrospektive, dem unerwarteten Comeback von My Chemical Romance und Rick Astley.

Wenn Sie mal wieder richtig Lust auf neue Sounds haben, Ihnen aber die Zeit fehlt, sich durch die Veröffentlichungen der Woche zu hören, stimmt t-online Sie mit der Rubrik "Schon gehört?" ein.

Michelle – 30 Jahre Michelle: Das war's ... noch nicht

30 Jahre Musikgeschäft, 30 Jahre weitestgehend erfolgreich – das muss man Michelle erstmal nachmachen. Songs wie "Wer Liebe lebt", "Prinz Eisenherz" oder "Idiot" hat man schon beim Lesen der Liedtitel direkt im Kopf, oder? Und jetzt blickt die 50-Jährige zurück.

Alte Songs wurden neu aufgenommen, klingen also nicht nach den schlagertypischen Tischhupen-Keyboardsounds der 90er, sondern haben Wumms, sind zeitgemäß und tanzbarer als das "ZDF Hitparaden"-Geschunkel von früher. Obendrauf gibt es zwölf neue Songs, die gewohnt Michelle sind. So wird im schmissigen "Romeo und Julian" die Anziehungskraft zweier Männer beschrieben, in "Vier Hände zwei Herzen" lädt sie Tochter Marie Reim zum Duett ein. Und ist das nicht das eigentliche Highlight aus 30 Jahren Michelle?

Nach dem großen Streit zwischen Mutter und Tochter kam es vor wenigen Monaten erst zur Versöhnung, jetzt hört man die beiden im innigen Familiensong. "Der harte Kampf hat uns gezeigt, worum's im Leben geht, und wir halten zusammen", heißt es. Schön! "Ich habe gelernt, uns zu verzeihen", attestiert Marie. Wir erinnern uns: Es gab Streit wegen eines Mannes. Der Kerl ist weg, Mama und Kind wieder vereint. "Ich will, dass du weißt, für mich dreht sich alles um uns zwei" oder "Die dunklen Zeiten liegen hinter uns" gibt sich Michelle ganz emotional und man nimmt ihr die Freude über das begrabene Kriegsbeil auch so richtig ab. Solche Geschichten von Vergebung kann nur der deutsche Schlager schreiben.

Mit Ex-Partner Matthias Reim singt die Sängerin zudem eine Neuauflage von "Idiot", einer der erfolgreichsten Singles von Michelle. Und auch hier zeigt sich wieder: Michelle ist ein Familienmensch. Auch hier wurde vor Jahren das Kriegsbeil begraben, die Wogen geglättet und man ist heute eine große Familie. Und das bestimmt auch noch in den nächsten 30 Jahren.

The Smile – A Light for Attracting Attention

"A Moon Shaped Pool", das letzte Album von Radiohead, ist mittlerweile fast sechs Jahre alt, konnte Fans und Presse 2016 begeistern. Seitdem folgten ein paar Touren und viel Pause. Immerhin melden sich Sänger Thom Yorke und Gitarrist Johnny Greenwood mit ihrer neuen Band The Smile zurück.

Deren Debütalbum "A Light for Attracting Attention" ist jetzt digital erschienen. CDs und LPs lassen noch bis zum 17. Juni auf sich warten. Und man hat ständig den Eindruck, man hört hier den verschollenen Bruder der Radiohead-LP "Hail to the Thief". Gitarrenlastiger als Yorkes Solomaterial, progressiv, leicht psychedelisch. Bereits die ersten Singles der Band, die die Radiohead-Musiker mit Sons-of-Kemet-Drummer Tom Skinner während der Pandemie gegründet haben, ließen diesen reduzierten Sound erahnen.

Das atmosphärisch sehr dichte Album ist vielleicht eines der besten Radiohead-Nebenprojekte. "A Light for Attracting Attention" wird man oft hören müssen. Eingängig ist hier nämlich so gar nichts, aber es lohnt sich.

My Chemical Romance – The Foundations of Decay

Die Emo-Könige haben sich bereits Ende 2019 aus ihrem Bandende gemeldet. Man wollte wieder touren. Musik? Vielleicht irgendwann. Irgendwann ist jetzt. Die Gruppe, die mit viel Kajal und Songs wie "I'm Not Okay (I Promise)", "Helena" oder "Welcome to the Black Parade" Millionen von CDs verkaufen konnte, löste sich nach dem vierten Album "Danger Days" auf. Die letzte neue Musik wurde 2014 veröffentlicht: "Fake Your Death" war ein unveröffentlichter Song, der auf das Best-of "May Death Never Stop You" gepackt wurde. Und jetzt ist plötzlich ein neuer Song da. Einfach so. Ohne jegliche Ankündigung.

"The Foundations of Decay" ist keine knackige Emo-Nummer in dreieinhalb Minuten. Hat nichts mit dem Glam-Punk von "Danger Days" zu tun oder der Rockoper "The Black Parade". Am ehesten kann man die Songs mit den Nummern der "Conventional Weapons"-Singles vergleichen – dem unveröffentlichten Album, welches My Chemical Romance nach "The Black Parade" aufnahmen, aber dann doch nicht veröffentlichen wollten. In sechs Minuten baut sich die Alternative-Rock-Nummer langsam auf. Sehr in den Hintergrund gerückter Gesang, seichte Gitarren und Drums, aber dann ein Refrain, der reinhaut, der Dramatik aufweist, der einen direkt wieder an die Skinny Jeans im Schrank erinnert.

Zugeben: Ja, Freude, dass die Gruppe wohl doch wieder Musik machen will, ist in hohem Maße vorhanden. Der Song ist gut, ja. Vielleicht sogar sehr gut. Aber es ist auch nicht der ganz große Wurf wie frühere Singles. Eines gilt jedoch 2022 genau wie 2004 oder 2006: My Chemical Romance sind mitreißender als viele ihrer Kollegen, die heute noch aktiv sind.

Rick Astley – Whenever You Need Somebody

Man meint irgendwie immer, Rick Astley sei mit "Never Gonna Give You Up" ein typisches One-Hit-Wonder der 80er Jahre gewesen. Und natürlich ist der Song sein musikalischer Leuchtturm, der auch in der Generation Meme Anschluss fand. Aber das Album hat sich mehrere Millionen mal verkauft, die beiden Nachfolger konnten sich auch über Gold und Platin freuen. In den USA hat Astley sogar zwei Nummer-1-Singles ("Together Forever" kam auch an die Spitze), in Deutschland war seine zweite Nummer 1 "Whenever You Need Somebody". Kennt man heute alle nicht mehr so gut wie "Never Gonna Give You Up". Seiner Zeit waren das aber Chartstürmer.

Nun wird Astleys Debüt "Whenever You Need Somebody" mit den deutschen Spitzensongs neu aufgelegt. Man fühlt sich sofort in die Zeit der Neonfarben, Seidensakkos und Schulterpolster versetzt. Das klingt natürlich ähnlich angestaubt wie andere Synthie-Popper aus der Zeit – seien es ABC, Spandau Ballett oder Ultravox. Gerade die dünnen, heute vielleicht trashig wirkenden Keyboardsounds machen den Charme dieser Musik aber einfach aus.

Die Neuauflage des 1987 veröffentlichten Werks wartet mit neuem, glasklaren Mastering auf. Hinzu kommen viele Bonustracks. Mal Remixe, mal Instrumentals, mal B-Seiten wie "Just Good Friends". Nun, wie immer gilt hier: nice to have, aber nichts Essenzielles. Jedoch wird das Album mit diesem aufgewerteten Sound ein Fest!