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Precht und Antisemitismus: ZDF duldet geistigen Tiefflug voller Gefahren


Precht und der Antisemitismus
Er wird zum Risiko

  • Steven Sowa
MeinungVon Steven Sowa

15.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Richard David Precht und der Schein: Der 58-Jährige scheint immer alles (besser) zu wissen. (Quelle: IMAGO/teutopress GmbH/imago)

Richard David Precht verbreitet antisemitische Stereotype und das ZDF bezahlt. Vom verantwortlichen Sender gibt es nur ein dünnes Bedauern. Wie fatal.

Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben. Diese alte Weisheit ist aktueller denn je. Und sie betrifft, man muss es sagen: wieder einmal, des Deutschen liebsten Erklärbär, Richard David Precht. Statt sich vornehm zurückzuhalten, macht er den Mund auf zu einem Thema, das er offenbar nicht durchsteigt. Der Fernsehphilosoph bediente antisemitische Klischees und wirkt nun wie vieles, aber ganz sicher nicht wie ein Philosoph.

Für die Reputation des Mannes, der in bestimmten Kreisen offenbar immer noch als eine Art intellektuelle Instanz wahrgenommen wird, ist das schlecht. Für das ZDF ist es ein Desaster – und daran ist auch Moderator Markus Lanz, Prechts Podcast-Partner, nicht ganz unschuldig.

Was war geschehen? In dem gemeinsamen Podcast "Lanz & Precht" berichtet Lanz von seinen persönlichen Eindrücken aus Israel und sagt über orthodoxe Juden: "Da habe ich damals auch verstanden, was Religion auch für eine Macht hat über Menschen." Die meisten von ihnen würden nicht arbeiten, weil sie sich "vollumfänglich der Religion widmen" würden, so der TV-Moderator weiter. Precht weiß daraufhin noch viel mehr zu berichten. Er will nicht nur zuhören, er sagt: Orthodoxen Juden sei es untersagt, zu arbeiten: "Diamantenhandel und Finanzgeschäfte ausgenommen." Und Lanz? Der bejaht das auch noch hörbar mit Worten wie "richtig" und "genau".

"Dann sollte man besser nichts darüber sagen"

Gefährliche antisemitische Klischees sind das Saatgut, aus dem Judenhass entspringt. Man muss das so klar sagen. Was diese zwei vermeintlichen Experten hier von sich geben, fördert Ressentiments, ist unsäglich und auf erschreckende Weise falsch. Im besten Fall ist es nur eine peinliche Bildungslücke, die der TV-Philosoph Precht offenbart, im schlimmsten Fall zeigt es, wie er über Juden denkt.

Die israelische Botschaft in Berlin kritisierte bereits am Samstag: "Lieber Richard David Precht, wenn man keine Ahnung vom Judentum hat, sollte man besser nichts darüber sagen, als uralte antisemitische Verschwörungstheorien aufzuwärmen." Wie wahr, denkt man, manchmal ist Schweigen eben Gold.

Denn natürlich dürfen Juden arbeiten, auch die Orthodoxen unter ihnen. Manche tun das nicht am Fließband oder auf der Baustelle, sie studieren stattdessen die Tora. Aber ein Berufsverbot und dann auch noch mit der Einschränkung, die dem Klischee des "geldgierigen Juden" entspricht, ist grober Unfug.

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Was sollen orthodoxe Juden wie Yossi Landau denken, wenn sie mitbekommen, wie deutsche Promi-Philosophen mit solch geistigem Tiefflug ein Millionenpublikum erreichen? t-online-Reporter Daniel Mützel traf den 55-Jährigen in Israel in diesen Tagen, sprach mit ihm über seine unfassbar belastende Arbeit: das Leichensammeln.

682 Tote hat er in der vergangenen Woche geborgen, verstümmelt und massakriert von den Hamas. Es ist einer der härtesten Jobs, die man sich nur vorstellen kann – und weit entfernt von jeglichem Glanz des von Precht insinuierten Diamanthandels.

Prechts TV-Omnipräsenz beruht auf der Annahme, er sei gebildet

Das aber ist nur das eine Precht-Problem. Das andere, viel größere, betrifft seine Sprechposition. Dieser möglichst pompöse, allumfassend anmutende Unterbau des Philosophischen. Dieses Sprechen von der Kanzel der intellektuellen Hochebene, dieses: von oben herab.

Da ist jemand, der alles weiß, der alles kennt, der alles erklären kann. So geriert sich Precht. Das ist seine Berufsgrundlage, seine Daseinsberechtigung in der Öffentlichkeit. Er wird in Talkshows geladen, verkauft Bücher mit seinem Namen, wird als sympathisches Superhirn vermarktet – und bekommt dafür auch einen Podcast vom ZDF.

Rund eine Million Euro soll sich der Sender das pro Jahr kosten lassen. Unter anderem wird der Podcast von Markus Lanz' Firma Mhoch2 produziert. Nicht erst seit heute wirft das die Frage auf, warum dieses Partnermodell überhaupt sein muss: Schließlich prangt das ZDF-Logo für alle gut sichtbar auf dem Titelbild des Podcasts. Markus Lanz und Richard David Precht hätten die Produktionskapazitäten und die Reichweite, solch ein Gesprächsformat auch in Eigenregie zu stemmen. Nun aber muss der öffentlich-rechtliche Sender dafür geradestehen.

Und tut das auch, zum Glück. Man bedauere, "dass eine Passage in der aktuellen Ausgabe von 'Lanz & Precht' Kritik ausgelöst hat", schreibt der Sender t-online auf Nachfrage. "An einer Stelle wurden komplexe Zusammenhänge verkürzt dargestellt, was missverständlich interpretiert werden konnte. Deshalb haben wir diesen Satz entfernt."

Immerhin reagiert, will man sagen. Für den Ruf des ZDF ist der Fall trotzdem desaströs. Richard David Precht konterkariert mit seiner als Hintergrundwissen verkleideten Unwissenheit die journalistisch exzellente Arbeit des Senders im Krieg um Israel und Gaza. Precht wird damit ein Risiko für die öffentlich-rechtliche Instanz, für das Prestige und die Glaubwürdigkeit zugleich. Zumal eines der prominentesten Gesichter des Senders mit in der Kreide steht: Markus Lanz, der Precht in dessen aufgesetzter Expertise unterstützt – und sich damit mitschuldig macht.

Nicht die erste Irritation durch Richard David Precht

Schlimm genug, doch nicht das erste Mal, dass der Podcast "Lanz & Precht" in der Kritik steht. Das ach so kongeniale Duo voller Kompetenz und Weltgewandtheit wirkte bereits bei der viel diskutierten "Hafermilch"-Posse seltsam aus der Zeit gefallen, weltfremd und engstirnig.

Hinzu kommt die Maskerade der Universalgelehrtheit bei Precht: Der "Schriftsteller, Germanist, Philosoph, Publizist und Moderator", wie Wikipedia ihn nennt, tritt mal als Militärstratege und Offener-Brief-Unterschreiber im Ukraine-Krieg auf und kurze Zeit später wieder als Medienfachmann und Journalismus-Kenner, wenn er mit seinem Kollegen Harald Welzer in einem Buch namens "Die vierte Gewalt" allerlei Thesen zur angeblichen Unausgewogenheit deutscher Berichterstattung verbreitet – nur um dann beim ersten Gegenwind wie ein Schuljunge klein beigeben zu müssen.

 
 
 
 
 
 
 

Apropos Schule: Vielleicht würde Precht der Blick zurück in seine einstige Schullektüre guttun, anstatt Wissen vorzugaukeln. Dann wüsste er, dass Juden einst vom Landbesitz und Ackerbau, den christlichen Kaufmannsgilden und Handwerkszünften ausgeschlossen wurden und sich unter anderem auf Geldhandel gegen Zins konzentrierten. Den Christen sollte dies hingegen aufgrund der kirchlichen Dogmatik verboten bleiben.

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"Israel bekommt jetzt eine Art Freibrief"

Das ZDF sollte sich genau überlegen, mit wem es da wirbt und zusammenarbeitet. Denn wer den ganzen Podcast hört, ist nicht nur aufgrund der unüberhörbar großen Bildungslücke Prechts irritiert. Wie so oft ist es auch die Meinung des 58-Jährigen, die mindestens diskussionswürdig anmutet: Precht habe Angst, heißt es an einer Stelle. Angst nämlich, dass Israel womöglich überreagiere. "Israel bekommt jetzt natürlich durch das enorme Unrecht und die Verbrechen, die da begangen worden sind, eine Art Freibrief. Und du weißt nicht, wofür der langfristig genutzt wird. Und da habe ich Angst vor."

Ein Freibrief, so wie Precht ihn als Sprecher beim ZDF genießt, kann nicht gemeint sein. Schließlich ist Israel durch einen völkerrechtswidrigen Angriff der terroristischen Hamas in seiner Existenz bedroht – und hat das Recht auf Gegenwehr. Relativierungen mit Blick in die Glaskugel sind also fehl am Platz. Fatal, dass das ZDF nicht auch auf derlei Unkenrufe reagiert.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Anfrage an das ZDF
  • morgenpost.de: "ZDF zahlt über eine Million Euro für Podcast 'Lanz & Precht'"
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