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Kida Khodr Ramadan im Interview: "Ich wurde aufs Übelste rassistisch beleidigt"


Kida Khodr Ramadan
"Ich wurde aufs Übelste rassistisch beleidigt"

  • Steven Sowa
InterviewVon Steven Sowa

Aktualisiert am 05.03.2020Lesedauer: 12 Min.
Interview
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Kida Khodr Ramadan: Der Schauspieler findet beim Thema Rassismus klare Worte und spricht im Interview von einem rassistischen Vorfall gegen ihn im Jahr 2018.Vergrößern des Bildes
Kida Khodr Ramadan: Der Schauspieler findet beim Thema Rassismus klare Worte und spricht im Interview von einem rassistischen Vorfall gegen ihn im Jahr 2018. (Quelle: imago-images-bilder)

Er ist ein Mann der klaren Worte und nach "4 Blocks" einer der begehrtesten Charakterdarsteller Deutschlands: Kida Khodr Ramadan. Im Interview mit t-online.de spricht er über die Schattenseiten seiner Karriere.

Dynamisch betritt er den Raum im Berliner Hotel Mandala am Potsdamer Platz und schüttelt mir die Hand: "Na, Bruder: Geht's dir gut?". Kida Khodr Ramadan, mit seiner Rolle des Clan-Chefs Tony Hamady in "4 Blocks" explosionsartig zum Star der deutschen Film- und Fernsehbranche geworden, spricht mit tiefer Stimme und eindringlichem Blick. "Wollen wir das Interview auf dem Balkon führen oder stört es dich, wenn ich drinnen rauche?", fragt der 43-Jährige und holt dabei eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche seines Jogginganzugs.

Das Interview findet drinnen statt, bei geöffneter Balkontür. Schnell hüllt sich der Raum in einen Nebel aus Zigarettenqualm. Der in Beirut geborene Ramadan macht es sich auf der Couch gemütlich und raucht. Liegend spricht er über seine neueste Rolle in der Hermann-Hesse-Verfilmung "Narziss und Goldmund", die am 12. März in den Kinos startet. Ramadan spielt den Mönch Anselm und ist vor allem für seinen Regisseur, Stefan Ruzowitzky, voll des Lobes: "Er ist für mich einer der größten Regisseure, die wir in diesem Universum haben", erzählt er im Interview mit t-online.de.

Doch die Gelassenheit, der sichtbare Stolz über seine Rolle in dem Film verschwindet schlagartig, als Kida Ramadan über ein Thema spricht, das ihm auf der Seele brennt: Rassismus. "Ich erzähle davon nie etwas, aber klar habe ich schon Rassismus in der Filmbranche erlebt", berichtet uns der Schauspieler und urteilt über die aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft: "Die braune Soße ist wieder da!"

t-online.de: Hermann Hesses wohl berühmtestes Zitat lautet: "Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen." Würden Sie das unterschreiben?

Kida Khodr Ramadan: Auf jeden Fall. Ich bin jeden Tag am kämpfen. Ich muss jeden Tag schauen, wo ich bleibe. Ich muss jeden Tag ackern, damit ich meine Kinder ernähren kann. "Nobody is perfect" – und mein Name ist Nobody.

Von Hermann Hesse stammt auch der Satz: "Wahrlich keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt." Sie haben viel durchgemacht. Was ist das Dunkel, das Sie erleben mussten?

Hermann Hesse spricht mir aus der Seele. Ich musste für meinen Beruf kämpfen. Ich kann damit jetzt meine Familie ernähren. Aber niemand hat damit gerechnet. Früher hat keiner an mich geglaubt – jetzt klopfen sie mir alle auf die Schulter dafür, wie gut ich bin, sodass meine Schulter schon wehtut, von dem ganzen Lob, das ich derzeit bekomme. Aber ich musste dafür kämpfen, jeden Tag anpacken, um dahin zu kommen, wo ich jetzt sein darf. Ich habe das "Dunkle" jeden Tag gesehen, von dem Hermann Hesse da spricht. Wissen Sie, was radikal ist?

Nein, aber Sie werden es mir gleich sagen.

In Kreuzberg gab es eine Schule – das Hermann-Hesse-Gymnasium. Ich wollte als Kind immer auf diese Schule, immer. Ich stand schon so oft vor diesem Gebäude und habe gedacht: Scheiße, ich habe es nie aufs Gymnasium geschafft. Irgendwann habe ich dann dieses Drehbuch zu "Narziss und Goldmund" bekommen und dachte: Jetzt kann ich es allen beweisen, die damals gesagt haben, ich gehöre nicht auf das Gymnasium. Jetzt bin ich derjenige, der in einer Hesse-Verfilmung eine Rolle spielt, und es allen da draußen zeigen kann. Und das ganze Gymnasium ist heute ein Fan von mir. Dafür bin ich dankbar.

War das der wahre Grund für Ihr Engagement in dem Film?

Es gab noch einen weiteren Grund und der heißt Stefan Ruzowitzky. Er ist für mich einer der größten Regisseure, die wir in diesem Universum haben.

Eine Frage noch zu dem Gymnasium: Die Schüler dort waren vermutlich weit weg von Ihrer damaligen Lebensrealität. Wie sah Ihr Alltag aus?

Auf jeden Fall Bruder, ich habe zu denen aufgeschaut. Meine Lebensrealität bestand darin, irgendwie durchs Leben zu kommen, ohne kriminell zu werden. Ich habe damals schon behauptet, ich sei Künstler. Dabei hatte ich damals noch nicht einen Zentimeter Kunst gemacht. Aber ich habe mich immer wie Cassius Clay alias Muhammad Ali hingestellt und gesagt: Ich bin der Größte. Aber wohin ich wollte? Ich hatte keine Ahnung, ich hatte nichts. Keine Tür stand mir offen. Alles war verriegelt – das Gymnasium, das Fernsehen, die große Leinwand im Kino. Alles wirkte unerreichbar für mich.

Zu Hermann Hesse haben Sie also immer aufgeschaut. Ist es deshalb für Sie eine bedeutsame Rolle, auch wenn Ihr Dialoganteil an dem Film nicht besonders groß ist?

Egal wie groß meine Rolle in diesem Film ist: Ich bin mit dieser Nationalmannschaft mit aufgelaufen – das ist, was zählt. Für mich ist das eine große Ehre.

Sie spielen einen Mönch. Eine ungewöhnliche Besetzung, die so vor einigen Jahren nicht unbedingt möglich gewesen wäre.

Ich habe großen Respekt vor dem Regisseur, der sagt: "Komm Kida, ich besetze dich für die Rolle." Sowas wird mehr gebraucht. Leute, die etwas zu entscheiden haben, müssen den Mut haben, auch Menschen mit Migrationsgeschichte andere Rollen zu geben, als immer nur den kriminellen Clan-Boss. Solch eine Entscheidung erfordert Eier. Stefan Ruzowitzky hat Eier.

Das ist tatsächlich eine überraschende Wahl. Ist es ein Zeichen dafür, dass Schablonen aufgebrochen werden? Dass sich etwas bessert in der Branche, mit Blick auf die Castingprozesse?

Dafür braucht es, wie ich schon gesagt habe, Leute mit Eiern. Ruzowitzky denkt nicht in Nationalitäten, er denkt in den Möglichkeiten, die ein Schauspieler mitbringt. In den spielerischen Facetten, die ein Mensch auf die Leinwand bringen kann. Die Herkunft spielt bei ihm keine Rolle. Ganz klar: Stefan Ruzowitzky ist ein Vorbild für mich. Der hat gesagt: Kida, du spielst den Mönch, damit wir den Leuten mal etwas anderes zeigen.

Das gilt auch für andere Rollen in diesem Film.

Ja, vollkommen richtig. Sabin Tambrea ist auch kein Bio-Deutscher, der den Abt Narziss spielt. Er ist Rumäne – beide Eltern stammen aus Rumänien, Sabin ist dort geboren. Er ist ein Flüchtling, so wie ich. Wir sind beide geflüchtet, weil es uns nicht gut ging in unserem Land. Und jetzt spielen wir in deutscher Leitkultur eine Rolle – Hermann Hesse, besetzt mit Gesichtern des heutigen Deutschlands, das ist zeitgemäß, das ist eine Romanadaption, wie sie besser nicht in unsere heutige Zeit passen könnte.

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Aber es ist nicht selbstverständlich, auch im Jahr 2020 nicht. Wie oft hatten Sie schon mit rassistischen Vorurteilen zu kämpfen?

Ich erzähle davon nie etwas, aber klar habe ich schon Rassismus in der Filmbranche erlebt. Ich wurde sogar beim Hessischen Filmpreis im Jahr 2018, als ich als Laudator geladen war, aufs Übelste rassistisch beleidigt. Dort ist jemand die ganze Zeit an mir vorbeigelaufen und hat mich "Scheiß Kanake" genannt. Ich dachte erst, der macht Spaß. Irgendwann kam er an, und hat mir vor die Füße gespuckt. Dann habe ich ihn mir geschnappt und habe ihn vor die Tür gebracht und mit den Worten "Nazis haben im Film nichts zu suchen" weggescheucht.

Wissen Sie, in welcher Funktion der Mann dort vor Ort war?

Nein, leider nicht. Ich weiß nur, dass sowas vorkommt und das ist schlimm genug. Oft hört man weg, dann geht das ins eine Ohr rein, und aus dem anderen Ohr wieder raus. Aber sobald mir jemand zu nahe kommt, dann setze ich mich zur Wehr. Ich bin jemand, der seinen Mund aufmacht. Ich bin niemand, der Angst hat – vor Niemandem in dieser Welt.

Rassismus ist – leider – aktueller denn je. Rechte Gewalttaten nehmen zu.

Die Leute verstehen es einfach nicht! Sie schreien hysterisch herum wegen des Coronavirus, aber übersehen, dass Rassismus das viel größere Problem ist. Die Leute sollen eher Angst haben vor Rassismus, als vor diesem Coronavirus. Rassismus ist ein Hurensohn. Ich sage das ganz deutlich, damit es auch alle verstehen: Dieses "Lasst uns doch mal darüber diskutieren" muss vorbei sein. Rassisten haben keinen Platz in unserer Gesellschaft – ich verachte die zutiefst.

Nach den rechtsextrem motivierten Morden in Hanau am 19. Februar dieses Jahres kann es keine Ausdrucksweise geben, die zu unflätig wäre. Das Problem muss beim Namen genannt werden. Ist das Ihre Herangehensweise?

Ganz genau. Hanau war doch nur die Spitze des Eisbergs. Schau' dir mal die Fußballer an, die mit Affenlauten bedacht werden. Kein Mensch regt sich auf. Dann wird ein weißer Milliardär als "Hurensohn" beleidigt und auf einmal ist die Aufregung riesig. Dass sich die Bayernspieler und die Hoffenheimer daraufhin eine Viertelstunde lang den Ball hin und her schieben, ist wenig nachvollziehbar.

Sie meinen also, dass Ihnen die Doppelmoral der Verantwortlichen gegen den Strich geht? Weil bei Rassismus nicht so entschieden gehandelt wird, wie bei der Beleidigung von Dietmar Hopp?

Natürlich ist das scheinheilig! Es ist eine Schande für den deutschen Fußball, dass bei Rassismus anders reagiert wird. Da sind 19-jährige Jungs, die psychologisch auf das Schärfste fertiggemacht werden, nur weil sie anderer Herkunft sind. Diese Jungs reißen sich auf dem Platz den Arsch auf, sprechen genauso deutsch, leben und arbeiten in diesem Land. Wo bleibt da der Schutz? Wo bleibt da die Solidarität? Bei Dietmar Hopp stehen plötzlich alle auf – das hätte schon viel früher passieren müssen! Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Verhältnismäßigkeit aus dem Blick verlieren. Die braune Soße ist wieder da.

Der FC Bayern München ist Ihr Herzensverein. Wie bewerten Sie die Solidaritätsbekundungen mit Dietmar Hopp beim Bundesligaspiel gegen die TSG Hoffenheim rückblickend?

Ich bin Fußballfan, weil der FC Bayern das beste ist, was es gibt im deutschen Fußball, ganz klar. Aber in diesem Fall bin ich nicht einverstanden, wie sich Spieler und Verantwortliche verhalten haben. Klar ist es nicht in Ordnung, wie Dietmar Hopp beleidigt wurde – das war geschmacklos und gehört dort genauso wenig hin, wie rassistische Auswüchse im Fußball. Aber das man in dem Fall das Spiel unterbricht und danach so ein Trara macht, ist lächerlich. Für mich als Fan entsteht der Eindruck: Die Verantwortlichen messen mit zweierlei Maß. Man hätte schon viel früher vom Platz gehen müssen – als Fußballer rassistisch beleidigt wurden. Wenn da reagiert worden wäre, wäre es das richtige Zeichen gewesen. Fußballer, die aus einem anderen Land hierherkommen und dann einen deutschen Verein repräsentieren und mit rassistischen Anfeindungen leben müssen, können keine einzige Nacht mehr ruhig schlafen. Der junge Spieler von Hertha BSC, der beleidigt wurde…

… Jordan Torunarigha.

Richtig. Der ist in Chemnitz groß geworden. Der hat es in seiner Kindheit nicht leicht gehabt, aber er hat ein großes Selbstbewusstsein. Er hat sich durch den Sport hochgearbeitet, gehört jetzt zu den besten seines Fachs. Dem Jungen muss man doch Respekt zollen, Bruder. Der kämpft für seine Mannschaft, und dann sowas? Was sind das nur für Menschen, die es wagen, im Jahr 2020 offen Rassismus in die Stadien Deutschlands zu tragen? Ich kann es nicht oft genug betonen: Die braune Soße ist wieder da! Aktuell ist das viel dramatischer als irgendein Coronavirus, ernsthaft.

In Ihrer Branche ist es nicht unbedingt an der Tagesordnung, dass sich Menschen so deutlich äußern, wie Sie es tun.

Die Leute in meiner Branche interessieren mich nicht. Die Leute sagen: "Oh, ich muss aufpassen, was ich sage, vielleicht bin ich sonst morgen arbeitslos!" Aber ich sage meine Meinung und wenn ich morgen arbeitslos bin, dann scheiße ich drauf. Ich gucke in den Spiegel und kann sagen: Ich bin mir treu geblieben. Ich bin ein ehrlicher Typ. Und wem das nicht passt in meiner Branche, der kann mich mal.

Neben Ihrer direkten Art: Was machen Sie noch anders, als der Großteil Ihrer Zunft?

Bruder, ich gehe mit Jogginganzug zur Filmpremiere und hole mit Jogginganzügen meine Grimme-Preise ab. Mich interessiert dieser Dresscode nicht, ich brauche keinen Anzug tragen, um ernst genommen zu werden. Ich lasse mir nichts vorschreiben, sage meine Meinung und habe meine Einstellung. Punkt. Aus. Fertig.

Und Sie machen dafür auch keine Ausnahmen?

Doch, ich kann mich auch unterordnen. Wenn meine Kinder oder meine Frau sagen: Mach mal dies, mach mal das, dann mache ich das. Aber sonst lasse ich mir von keinem Menschen der Welt etwas vorschreiben. Hauptsache ist, ich bin Kida Ramadan. Ich kann auch wieder in die Küche gehen und Teller waschen. Dann ist es halt so. Aber mich verbiegen, weil die Filmbranche es so will? Auf keinen Fall.

Dafür bekommen Sie auch viel Lob. Sie haben eine Menge Fans, die Sie genau deshalb so zu schätzen wissen. Ist das auch eine Art Alleinstellungsmerkmal?

Ich bin kein Fake. Ich kann in die U-Bahn einsteigen und die Leute feiern mich und sagen: "Danke für die Filme Kida!" Wenn ich nicht mein Leben lang meine Meinung gesagt hätte, wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.

Haben Sie sich schon andere finanzielle Standbeine aufgebaut, falls die Schauspielerei ins Stocken gerät? Mir fällt da beispielsweise Ihr Berliner Imbiss "Momo" ein.

Nein, den Imbiss habe ich wieder geschlossen. Ich habe total unterschätzt, wieviel Arbeit in der Gastronomie steckt. Aber ich brauche mir um meine Karriere keine Sorgen machen. Mein Terminkalender ist jetzt schon bis ins Jahr 2026 hinein gut gefüllt.

Ein volles Auftragsbuch ist sicherlich ein Segen. Ihre Rolle als Tony Hamady in "4 Blocks" wird dazu beigetragen haben. Sie selbst haben den Clan-Chef in der Serie als die "Rolle Ihres Lebens" bezeichnet. Wie schwer wiegt so ein Erbe?

"4 Blocks" ist vorbei, Tony Hamady ist beendet für mich. Das ist auch gut so, denn jetzt kann ich mich in neue Projekte stürzen. Aber natürlich gab es danach viele Anfragen. Ich habe Kopfschmerzen bekommen vom ganzen Drehbuchlesen. Ich habe damit aufgehört, musste eine Pause einlegen, weil mich diese ganzen Angebote auch belastet haben.

Sie haben sechs Kinder, müssen eine große Familie finanzieren. Hindert Sie das manchmal daran, Rollen abzulehnen?

Ich muss hinter einem Film stehen. Wenn das nicht der Fall ist, bin ich fehl am Platz. Ich bin Schauspieler und ich bin Künstler und ich will diesen Beruf auch noch machen, wenn ich 68 bin.

Wenn Sie davon sprechen, viele Rollen ablehnen zu müssen, haben Sie das Gefühl, dass auf Ihrer Schauspielmappe ein Stempel drauf ist, der Sie nur für bestimmte Rollen qualifiziert?

Inzwischen zum Glück nicht mehr. Die Leute wissen: Ich lasse mich nicht mehr für den Standard-Ali besetzen.

Sie lehnen stereotype Rollenverteilungen ab, daher lobten Sie bereits Stefan Ruzowitzky für seinen Mut, Ihnen die Rolle des Mönch Amsel in "Narziss und Goldmund" ermöglicht zu haben. Über die Filmbranche hinaus: Was kann aus solchen Entscheidungen gelernt werden?

Nicht in Länderkategorien denken, einfach Herz und Verstand einschalten. Man muss erkennen, dass Nationalitäten gar nicht wichtig sind. Man kann nicht stolz auf seine Herkunft sein, man kann nur stolz sein auf das, was man geleistet hat. Die Menschen haben einfach nur Glück oder Pech, je nach dem, wo sie geboren sind. Mehr ist es nicht: Pures Glück, wenn man den deutschen Pass hat.

Stimmt es, dass sie keine Gangsterrollen mehr spielen wollen?

Natürlich würde ich wieder einen Gangster spielen. Warum nicht? Ich habe jeden Gangster, den ich in meiner Karriere bisher verkörpert habe, anders gespielt. Aber es muss wieder etwas Cooles kommen. Ich schreibe gerade eine Geschichte, über die kann ich noch gar nicht viel verraten. Nur so viel: Sie dreht sich um drei Bankräuber. Brutal. FSK 35. Die gebe ich Stefan Ruzowitzky, der soll die verfilmen.

Vielleicht sehen wir diesen Film irgendwann auf einem großen Filmfestival. Sie sagten mir, dass es ein Traum von Ihnen ist, mal auf der Berlinale im Wettbewerb zu stehen – als Schauspieler oder als Regisseur. Nun ist die Berlinale kürzlich zu Ende gegangen. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Meiner Meinung nach hat die Berlinale dieses Jahr niemanden elektrisiert, viel weniger Menschen interessiert. Es war, als wäre Grüne Woche gewesen. Tote Hose. Dieter Kosslick wusste, welche Filme im Programm sein müssen, damit für Aufmerksamkeit gesorgt ist und ein großer Presserummel entsteht. Dieses Jahr war das leider nicht der Fall – schade für die Berlinale, schade für Berlin.

Was man schnell spürt, wenn man mit Ihnen spricht: Sie scheuen nicht davor zurück, klare Ansagen zu machen. Gibt es zu wenige Mutige in unserer Gesellschaft, die die Stimme erheben und auch mal laut werden?

Es wird besser. Schau' nur nach Münster. Dort sind die Menschen im Stadion von Preußen Münster auf einen Rassisten losgegangen und haben ihn aus dem Stadion gejagt. Richtig so. Sowas brauchen wir. Da sollen alle mit dem Finger drauf zeigen. So ein Rassist soll sich in die Ecke stellen und schämen.

Als Familienvater stellt sich auch die Frage nach Ihrer Vater-Perspektive. Machen Sie sich Sorgen, dass ihre Kinder in einem feindseligen Land aufwachsen?

Ich liebe meine Kinder über alles, das ist mein Leben. Ich beschütze sie bis zum Tod. Natürlich hat man Angst um seine Kinder in dieser aufgeheizten Stimmungslage. Aber solange ich lebe, werde ich für ihren Schutz sorgen.

Wie kann es wieder friedfertiger zugehen in Deutschland? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dass die Menschen verstehen, dass das hier auch unser Land ist, in dem wir leben. Dass es uns allen gehört: Arabern, Türken, Rumänen, Deutsche – wir sind alles Menschen. Das müssen sie verstehen.

Und mit Blick auf Film und Fernsehen?

Mehr Leute wie Stefan Ruzowitzky, die einen Libanesen als Mönch besetzen. Das wäre früher nicht möglich gewesen. Oder denken Sie, dass mir jemand "Kommissar Rex" angeboten hätte?

Naja, Tobias Moretti ist zumindest halber Italiener…

(lacht) Ja klar ist er das. Er ist auch ein super Schauspieler, ohne Frage. Aber ein Libanese mit Deutschem Schäferhund? Das glauben Sie doch selbst nicht.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Ramadan.

Rassistischer Vorfall beim Hessischen Filmpreis 2018?

Zum Vorfall beim Hessischen Filmpreis im Jahr 2018 strengte t-online.de weitere Recherchen an. Laut Aussage von Kida Ramadan habe es sich bei dem beschuldigten Mann nicht um eine bekannte Persönlichkeit oder einen offiziellen Mitarbeiter gehandelt. Auf Anfrage bei "Hessenfilm" erklärt Elena Lindenzweig, die Referentin für Kommunikation und Marketing, dass sie nicht Stellung nehmen könne.

Die Eventagentur "Barbarella Entertainment", die den Hessischen Filmpreis ausrichtet, äußerte sich auf mehrmalige Anfrage von t-online.de ebenfalls nicht. Christian Esser, der von der Agentur als verantwortlicher Ansprechpartner genannt wurde, war bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erreichbar.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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