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Schauspielerin Nilam Farooq: "Mit ausländischem Nachnamen hat man wenig Chancen"


Nilam Farooq
"Mit ausländischem Nachnamen hat man wenig Chancen"

  • Steven Sowa
InterviewVon Steven Sowa

Aktualisiert am 30.10.2021Lesedauer: 5 Min.
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Nilam Faroog: Sie zählt zu Deutschlands gefragtesten Schauspielerinnen.Vergrößern des Bildes
Nilam Faroog: Sie zählt zu Deutschlands gefragtesten Schauspielerinnen. (Quelle: Thomas Niedermueller/Getty Images)

Sie spielt sich in einem Film mit Christoph Maria Herbst in den Vordergrund: Nilam Farooq. Der Star aus "Contra" spricht mit t-online über die Hürden in der Karriereplanung – und ihren heimlichen Triumph.

Mehr als ein Jahr lang musste Nilam Farooq auf diesen Moment warten. Ihre erste große, vielleicht alles entscheidende Hauptrolle, wie sie t-online verrät, wurde wegen Corona immer wieder verschoben. Jetzt ist "Contra" im Kino gestartet – und die 32-Jährige kann einem breiten Publikum ihr Können unter Beweis stellen.

Im Interview erklärt sie, warum ihre Karriere erst so spät "in die Gänge" kommt, wie sie es ausdrückt. Und Nilam Farooq beschreibt auch, was Rassismus damit zu tun haben könnte.

t-online: Sie haben am Goethe-Gymnasium in Berlin-Wilmersdorf Ihr Abitur gemacht und spielen nun in "Contra" Naima Hamid, die auf der berühmten Goethe-Uni in Frankfurt studiert. Verbindet Sie mit Deutschlands berühmtesten Dichter eine besondere Beziehung?

Nilam Farooq: Ehrlich gesagt: Nein. Mit Goethe verbinde ich eine gewisse Verdrossenheit, denn ich war schon immer eine Kulturbanausin. Ich wurde nie wirklich warm mit den großen Dichtern und Denkern – auch wenn ich deren Bedeutung zu schätzen weiß. Aber wenn ich mich freiwillig mit Dingen beschäftigen darf, dann sind die eher moderner Natur.

Was genau heißt das?

Wenn es um Literatur geht, bin ich weniger ein Fan von alten Werken als zum Beispiel von Poetry Slams. Außerdem lese ich gerne Lebensratgeber. Und Rat finde ich bei Goethe und Co. eher nicht – da ist mir zu viel Interpretationsspielraum.

Ist das auch der Grund, weshalb Sie selbst nie studiert haben?

Ich habe früh in meinem Leben entschieden, dass ich Schauspielerin werden möchte. Das ist jetzt rund 15 Jahre her und damals gab es nicht wirklich eine Ausbildung für Schauspieler, die Film und Fernsehen machen wollten. Das war alles sehr Theater-lastig. Auch da war ich Kulturbanausin: Ich wollte nie Theater machen, sondern schon immer auf die große Leinwand oder ins Fernsehen.

Ist das so ein gewaltiger Unterschied? Es gibt doch eine beachtliche Anzahl an Schauspielern, die ihr Handwerk am Theater gelernt haben.

Für mich sind das zwei völlig verschiedene Berufe. So wie Konditor und Bäcker: Das wird auch gerne in einen Topf geworfen, doch es sind ganz andere Dinge erforderlich, die man beherrschen muss. Bei den angebotenen Ausbildungen hatte ich immer das Gefühl, ich würde etwas lernen, was ich für meinen Traumberuf später wenig brauche. Außerdem habe ich viele Menschen um mich herum erlebt, die das autodidaktisch erlernt und Coachings besucht haben.

Naima Hamid in "Contra" ist offensichtlich talentiert und bewirbt sich bei vielen Kanzleien für ein Praktikum. Dennoch hagelt es Absagen. Eine weitere Parallele zu Ihrem Leben. Auch Sie hatten schon Durststrecken und erzählten einmal, dass sie zwei Jahre lang nur Absagen bekamen. Wie hart ist so eine Zeit und wie denken Sie rückblickend darüber?

Das waren sogar mehr als zwei Jahre: Das ging komplett die ersten Jahre meiner Schauspielkarriere so. Ich wollte ganz viel und durfte ganz wenig. Das hat mich einiges gelehrt und das hat mich stärker gemacht. Rückblickend denke ich: Es war gut, dass ich kein Shootingstar wurde. Durch die Kontinuität konnte ich auf diesem langen Weg sehr viel lernen und das kommt mir heute zugute.

In Ihrem neuen Film sind die Absagen offensichtlich durch Rassismus begründet. Eine Erfahrung, die Sie auch schon durchmachen mussten?

Alltagsrassismus kenne ich sehr gut. Die Tatsache, dass ein Name dir Dinge verhageln kann, habe ich leider oft erlebt. Bestes Beispiel: Wohnungsbesichtigungen. Mit einem ausländischen Nachnamen hat man wenig Chance, eine Wohnung zu besichtigen. Wenn man aber den Namen in einen typisch deutschen Namen ändert, dann gibt es plötzlich viel mehr Möglichkeiten.

Stand Ihr Nachname auch Ihrer Karriereplanung im Weg?

Das kann gut sein. Meine Karriere kam anfangs nicht in die Gänge. Ob das mit Rassismus zu tun hat, weiß ich allerdings nicht, denn ich bekomme nur eine Absage für ein Casting und erfahre die Gründe nicht. Die Tatsache, dass ich es schwer hatte, weil ich aussehe, wie ich aussehe, ist aber unbestritten. Denn vor 15 Jahren gab es viel zu wenig Rollen in Deutschland, für die ich infrage kam und das hat meine Karriere verlangsamt.

Ist es denn besser geworden? Oder arbeitet die Film- und Fernsehbranche immer noch mit klassischen Rollenbildern und Klischees?

Es gibt immer noch zu wenige Rollen für Menschen wie mich, das stimmt. Auch wenn an dem Problem wird gearbeitet, wird in Deutschland auch heute noch viel zu wenig divers besetzt. Die Namen spielen dabei weniger eine Rolle als das Äußere. Es war damals so und es ist auch heute noch so: In der Film- und Fernsehbranche wird zu viel in Klischees gedacht.

Sie bekommen dann also Rollen als Dienstmädchen, Stewardess und Bäckereifachverkäuferin angeboten, aber die Hauptrolle geht an die Frau mit den blonden Haaren?

Genau diese drei Rollen habe ich auch schon gespielt. Ob das immer mit Haupt- oder Nebenrollen zu tun hat, weiß ich gar nicht. Viel wichtiger wäre es, Rollen diverser zu besetzen. Wir müssen dahin kommen, dass auch POCs vollkommen unkommentiert Deutsche spielen können.

Ganz konkret: Wie lautet Ihre Forderung?

Ich wünsche mir, dass Menschen mit Migrationshintergrund in ihren Rollen nicht immer erklären müssen, woher sie kommen und welcher Abstammung sie sind. Es sollte zu einer Normalität werden, dass Deutsche nicht immer blond und blauäugig sind.

Aber bei "Contra" ist das auch nicht so: Schließlich spielen Sie eine Frau mit Migrationshintergrund, die sich genau darüber in ihrer Rolle definiert.

Das stimmt, aber genau das ist in diesem speziellen Fall auch Thema des Films. "Contra" will erklären, warum rassistische Vorurteile dafür sorgen, dass Menschen mit Migrationshintergrund eine Karriere verstellt wird.

Also haben Sie keine Sekunde gezweifelt, diese Rolle anzunehmen?

Überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Ich habe fieberhaft daraufhin gearbeitet, sie zu ergattern.

Ich muss Ihnen sagen: zurecht. Ich glaube, diese Rolle könnte Ihr großer Durchbruch in Deutschland werden, Frau Farooq.

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Ich freue mich sehr, wenn Sie das so sehen. Leider macht mir die Pandemie da aktuell einen Strich durch die Rechnung. Aber ja: Ich wusste bereits beim Casting, dass dieses Projekt für mich entscheidend sein wird. Ich dachte einfach nur: Ich muss diese Rolle bekommen.

Wieso war das von Anfang so?

Zehn, zwölf Jahre lang habe ich nun im Schauspielgeschäft verbracht, aber dieses eine, entscheidende Vorzeige-Projekt war nicht dabei. Ich habe immer gesagt: Ich warte auf diese eine Rolle. Diese eine Rolle, bei der der Fokus so stark auf mir liegt, dass ich unter Beweis stellen muss, was ich kann. Ich wusste bei "Contra" sofort: Das ist diese Rolle.

Aber woran lag es, dass sie gespürt haben: Das ist ein "Vorzeige-Projekt", wie Sie es nennen?

Allein wegen der Konstellation mit Sönke Wortmann als Regisseur und Christoph Maria Herbst als Hauptdarsteller. Dann das Buch und das Thema: perfekt. Irgendetwas musste also schiefgehen, denn ohne die Pandemie wäre das alles zu schön gewesen, um wahr zu sein.

Jetzt läuft der Film ausgerechnet in einer Zeit an, in der potenziell weniger Zuschauer im Kino sein werden. Wie sehr nervt Sie das?

Mich nervt das total. Aber für mich ist es nur schade, für die Kinos ist es ein Drama.

Sie haben mir erzählt, dass Sie sich im Casting gegen eine "wesentlich prominentere Konkurrentin" durchsetzen konnten. Den Namen wollen Sie mir nicht verraten. Deshalb die Frage: Ist das ein ganz besonderer Triumph?

Es gibt mir vor allem Hoffnung in unsere Branche. Mir hat man so oft gesagt: 'Du bist spielerisch super, aber wir brauchen jemanden, der bekannter ist.' Aus diesem Muster auszubrechen, ist schwer. Die Tatsache, dass es bei "Contra" so war und nicht die bekanntere Kollegin gewählt wurde, gibt mir Hoffnung.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Nilam Farooq
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