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Patricia Schlesinger, die ARD und das Problem mit dem Ameisenhaufen


Problemfall ARD
Wieso 18,36 Euro im Monat zahlen?

  • Steven Sowa
MeinungEin Kommentar von Steven Sowa

Aktualisiert am 23.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Tom Buhrow und Karola Wille: Ob die Intendanten von WDR und MDR den Ruf der ARD retten können?Vergrößern des Bildes
Tom Buhrow und Karola Wille: Ob die Intendanten von WDR und MDR den Ruf der ARD retten können? (Quelle: IMAGO/Mike Schmidt)

Die ARD distanziert sich nach dem Schlesinger-Skandal vom RBB. Doch auch der Senderverbund insgesamt bleibt undurchsichtig.

Haben Sie sich schon einmal einen Ameisenhaufen genauer angeschaut? Von Weitem sieht er aus wie ein chaotischer Hügel aus Nadeln, Ästen und anderen Überresten des Waldes. Ein schwer durchschaubares Dickicht, für den Laien auch bei genauerem Hinsehen nur ein Gewusel aus Abermillionen Waldarbeitern. So ein Haufen kann enorme Ausmaße annehmen: Mehr als zwei Meter hoch sind die Bauten teilweise.

Womit wir bei der ARD wären. Auch sie ist längst zu einem gigantischen Konstrukt mutiert. Von Außen betrachtet besteht sie aus neun Landesrundfunkanstalten und ebenso vielen Senderchefs, Intendanten genannt. Für den Laien erschließt sich auch bei genauerem Hinsehen nur selten die exakte Struktur des Senderverbunds, seiner Gremien und Verwaltungsapparate. Die ARD, ein Ameisenhaufen. Doch die vermeintliche Parallele hat Tücken. Denn die ARD funktioniert nicht – ein für Ameisenhaufen kaum bekannter Aggregatzustand.

Senderchefs, die mehr verdienen als Olaf Scholz

Die Unterschiede häufen sich. Manch einer mag erbost sein über die gemeine Waldameise, wenn diese ihre brennende Säure über empfindliche Hautregionen ausschüttet, aber alles in allem sind wir Menschen froh, dass es die Ameisen gibt. Sie gelten als fleißige Naturschützer, organisieren das natürliche Gleichgewicht in ihrem Habitat, räumen auf und verbreiten selbstlos Pflanzensamen.

Die ARD hingegen ist vielen Menschen derzeit ein Dorn im Auge. Zwar soll sie laut Rundfunkstaatsvertrag zur Grundversorgung beitragen, die Bürger Deutschlands informieren, bilden und unterhalten, doch im Mittelpunkt der aktuellen Debatte steht sie, weil Teile der RBB-Führungsetage versagt haben.

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Noch ein anderer Unterschied fällt auf: Egal wie riesig ein Ameisenhaufen auch ist, jedes einzelne Mitglied der Gemeinschaft hat eine klare Aufgabe. In der ARD liegt genau dort das Problem. Die Aufgabenverteilung ist gescheitert, Kontrollmechanismen haben versagt. Weil offenbar bestimmte Mitarbeiter, Rundfunkräte und Mitglieder des Verwaltungsrats beim RBB nicht ihren Job gemacht haben, steht das gesamte öffentlich-rechtliche System auf dem Prüfstand.

Ein ARD-Haufen, der nicht nur von außen undurchsichtig erscheint, sondern auch im Inneren den Kompass für das richtige Handeln verloren hat, büßt seine Legitimation bei den Beitragszahlern ein. Wieso 18,36 Euro monatlich zahlen, wenn davon Bonuszahlungen und hohe Intendantengehälter finanziert werden? Warum verdienen – in der Grafik oben ist die Vergütung der Senderchefs aufgeschlüsselt – Fernsehmacher teilweise mehr als der Bundeskanzler?

ARD spricht RBB das Misstrauen aus – und jetzt?

Fragen wie diese treiben die Menschen um. Wüssten sie, dass Ameisen nur zu ihrem eigenen Wohle riesige Haufen in den Wald bauen, würden sie die Ungetüme wohl kurzerhand beseitigen. Gut also, dass die ARD dem Unmut der Menschen mit Transparenz begegnet, Besserung gelobt und sich von der RBB-Führungsriege distanziert – oder? Am Wochenende hat WDR-Boss Tom Buhrow dem RBB das Misstrauen ausgesprochen. Ein historisch einmaliger Vorgang ohne jegliche formaljuristische Konsequenz. Ein Symbolakt also – frei nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Der Ameisenkönig giftet los.

SWR-Chef Kai Gniffke versprühte ebenfalls verbale Säurenoten: "Ich habe nicht den Eindruck, dass die RBB-Geschäftsführung willens oder in der Lage ist, die Vorgänge hinreichend aufzuklären, um den Sender wieder zu stabilisieren", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Dies scheint mir aber im Interesse der Kolleginnen und Kollegen im RBB, die jeden Tag weiterhin gutes Programm unter schwierigsten Bedingungen machen, dringend geboten zu sein."

Womit wir beim Problem wären. Haufenweise Ebenen und Verantwortungsbereiche im RBB, aber auch in der ARD allgemein, machen es für Außenstehende schwer, solchen Aussagen folgen zu können. Patricia Schlesinger ist als RBB-Intendantin und ARD-Vorsitzende weg, Wolf-Dieter Wolf als Verwaltungsratsvorsitzender ebenfalls. Und jetzt? Wer ist die erwähnte "Geschäftsführung"? Wer soll da noch durchsehen? Wenn Buhrow und Gniffke ihr nicht mehr vertrauen: Wie sollen diese dann den Schaden begrenzen?

Unsere Grafik oben soll Licht ins Dunkel bringen. Hagen Brandstädter ist für Schlesinger nachgerückt, nach Wolf-Dieter Wolfs Abgang hat Dorette König den Vorsitz des Verwaltungsrats übernommen. Für die zurückgetretene Rundfunkratsvorsitzende Kirchbach gibt es bisher keinen Ersatz. Sie alle scheinen nach den jüngsten Aussagen ihrer ARD-Kollegen vor einer ungewissen Zukunft zu stehen.

Doch damit nicht genug. Wie unsere grafische Aufstellung demonstriert, gleicht die Struktur des RBB allein mit der Programmdirektion und den darunter folgenden Organen ein wenig dem Gebilde, dem Asterix wegen seines Passierscheins A38 begegnet. Im "Haus, das Verrückte macht" wird er von einer Ebene zur nächsten geschickt. Die Zuständigkeiten sind so unklar wie nun die Zukunft des RBB. Umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass es sich beim RBB um den drittkleinsten Sender der ARD handelt. Bei WDR, NDR und Co. ist das Geflecht kaum durchsichtiger.

Hat das Chaos seinen Höhepunkt erreicht?

Am Montagnachmittag wird schließlich die fristlose Entlassung Patricia Schlesingers bekannt. Der Verwaltungsrat hatte in Berlin eine Sitzung einberufen, Dorette König hat die Entscheidung verkündet. Wer die Landesrundfunkanstalt in Zukunft führen wird, ist unklar. Das Gremium spricht sich jetzt für die Berufung eines Interims-Intendanten aus. Für Hagen Brandstädter, so viel steht fest, sind das keine guten Nachrichten.

Es ist also Bewegung drin. Nicht ausgeschlossen, dass weitere Personalentscheidungen zeitnah folgen. Das emsige Treiben beim RBB erinnert an die Aktivität eines Ameisenhaufens, wenn unvorhergesehen ein Objekt von außen in seine Mitte gerät. Plötzlich ist das Gewusel groß, und für den Betrachter wirkt das Ganze noch viel chaotischer als vorher. Bleibt nur zu hoffen, dass RBB und ARD sich daran ein Beispiel nehmen. Denn das Chaos der Ameisen läuft zwar rasend schnell zur Höchstform auf, um den Schaden zu beseitigen, doch ist dieser behoben, erfolgt die Organisation anschließend wieder reibungs- wie geräuschlos.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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