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"Tatort": "Am Ende geht man nackt" - Flüchtlinge im Frankenland


Franken-"Tatort"
"Ey, keine Juden oder Christen hier!"

von Verena Maria Dittrich

Aktualisiert am 10.04.2017Lesedauer: 3 Min.
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Kommissar Voss wird mit den Schicksalen der Flüchtlinge konfrontiert.Vergrößern des Bildes
Kommissar Voss wird mit den Schicksalen der Flüchtlinge konfrontiert. (Quelle: BR/Rat Pack Filmproduktion GmbH/Bernd Schuller)

Der dritte Franken-"Tatort" wagt sich erneut an die Flüchtlingsthematik. Klingt abgedroschen, ist es aber nicht. Die Handlung überzeugt und setzt da an, wo es wehtut.

Neyla Mafany (Dayan Kodua) kommt bei einem Brandsatzanschlag in einer Bamberger Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge ums Leben. Die junge Frau aus Kamerun erstickt qualvoll. War es Mord? Gab es mehrere Täter? War es Fremdenfeindlichkeit? Hass unter den Bewohnern?

Das noch junge Team um Hauptkommissarin Ringelhahn (Dagmar Manzel) nimmt die Ermittlungen auf. Schnell führen die Spuren zum schmierigen Immobilienbesitzer Sascha Benedikt (Hans Brückner), der Kontakte in politische Kreise hat. Aber auch in der Flüchtlingsunterkunft ist nichts, wie es scheint.

Ringelhahns Kollege, Voss (Fabian Hinrichs), der gerade von einem Besuch seiner Großmutter aus Tschetschenien zurückkehrt, taucht undercover in den Flüchtlingsalltag ein. Die Begegnung mit dem 16-jährigen Syrer Basem (Mohamed Issa), lässt ihn erkennen, dass er nicht länger wegsehen darf.

Ausgegrenzte grenzen andere aus

Was wie das standardisierte Muster eines Flüchtlings-Krimis daherkommt, entpuppt sich zu einem vielschichtigen Drama. "Am Ende geht man nackt" nähert sich den Charakteren von allen Seiten und legt den Graben, der unsere Gesellschaft durchzieht, schonungslos offen.

Fremde aus vielen Nationen, die sich untereinander kaum verstehen, auf engstem Raum zusammengepfercht, in einem Land, das sie nicht will und Einheimische, die mit verkrusteten medial-geschürten Vorurteilen kämpfen, treffen voller Argwohn aufeinander. Bekommt man eine Wurst aus dem Kaukasus geschenkt, kann es nur eine Frage geben: "Ist da Esel drin?"

Polizisten schlagen sich lieber auf die Seite von blonden Schlägern, statt dem dunkelhaarigen Opfer beizustehen, das mit verstörtem Blick die Welt nicht mehr versteht. So kann ein Asylsuchender, der, obwohl er alle Kriterien erfüllt, auch schon mal fünf Jahre auf einer Warteliste stehen, weil die Akte in der zuständigen Behörde irgendwie abhandengekommen ist. Geflüchtete heißen einander willkommen mit Sätzen wie: "Ey, wir wollen keine Juden oder Christen hier". Ausgegrenzte grenzen andere aus. Das Leben steht Kopf.

"Das macht uns doch zu Brüdern"

Regisseur Markus Imboden und Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt haben es sich nicht leicht gemacht. "Am Ende geht man nackt" ist vollgepackt mit einfühlsamen Szenen verzweifelter Menschen, die versuchen, die gesamte Bandbreite der "Flüchtlingskrise" zu beleuchten. Eine schwierige, kaum zu bewältigende Aufgabe.

So gelingt es den Machern bei einer Spieldauer von 88 Minuten nicht, alle gängigen Klischees zu umschiffen. Da ist zum einen Said Gashi (Yasin El Harrouk), ein junger Araber, der in der Flüchtlingsunterkunft das Sagen hat. Wer ein neues Handy oder einen illegalen Job braucht: Said hat die "Connection". Selbstredend sind für Said Frauen "Huren", aber nur die, bei denen er abblitzt. Und dann ist da auch noch Benjamin Funk (Frederik Bott) - ein typisches Abziehbild eines deutschen Rechten, der per se alle Ausländer hasst, weil sie ihm die Arbeit wegnehmen.

Die gesellschaftliche Wunde

Aber es sind jene Momente, in denen Kommissar Voss auf seine vermeintlichen Flüchtlingsbrüder trifft, mit ihnen spricht, spielt und lacht, die die Macher mit Bravour eingefangen haben. Wenn etwa der syrische Kinderarzt Mohamed Amir (David Ali Hamade), der in Deutschland als Putzkraft arbeitet, seine Familie nur nachholen darf, wenn er ein Monatseinkommen von 10.000 Euro nachweisen kann, ist das eine Realität, die so schmerzlich wie unglaublich ist.

So stellt Amir fest: "Am Ende geht man nackt. Das macht uns doch zu Brüdern?" Ist das so? Diese Frage bleibt hängen. Es ist wie im wahren Leben. Der Brandsatzwerfer wird ermittelt, doch seine Auftraggeber sind nicht dingfest zu machen.

Unterkühlt und gereizt drückt Kommissarin Ringelhahn den Finger in die gesellschaftliche Wunde: ein baufälliges Gebäude, Versicherungsbetrug auf Kosten der Schwachen und auf Kosten von Menschenleben. Konsequenzen gibt es keine.

Beamte und Bürokratie sind überfordert. Lösungen existieren nur im Ansatz. Der 16-jährige Syrer Basem gerät in diesem System in die Gewaltspirale. Sein erster Einbruch endet für ihn tödlich. Ein pflichtbewusster Deutscher schießt ihm in den Rücken. Klischee? Ja. Realität? Leider auch ja. Am Ende gibt es ein Opfer mehr, die Schuld daran liegt bei allen.

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