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"Polizeiruf: Nachtschicht": Was vom Leben übrigbleibt - Alte als Ballast


Was vom Leben übrigbleibt - Alte als Ballast

von Verena Maria Dittrich

07.05.2017Lesedauer: 3 Min.
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Kommissar von Meuffels (Matthias Brandt) ist im Altenheim "Johannishof" mit harten Schicksalen konfrontiert. Links: Herr Toprak (Günter Spörrle).Vergrößern des Bildes
Kommissar von Meuffels (Matthias Brandt) ist im Altenheim "Johannishof" mit harten Schicksalen konfrontiert. Links: Herr Toprak (Günter Spörrle). (Quelle: BR/die film gmbh/Hendrik Heiden)

Mord im Altersheim? Eine Zeugin spricht von viel Blut. Aber niemand hat etwas gesehen. Auf der Suche nach Spuren steigt Hanns von Meuffels in gesellschaftliche Abgründe hinab und begegnet einem Mann, der nichts zu verlieren hat.

"Lassen Sie die Leute immer alleine beim Sterben?", fragt Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) den Altenpfleger Kroll (Philipp Moog), der eigentlich gar nicht zu antworten braucht, denn sein abgekämpftes übermüdetes Gesicht und die Augen, die unter tiefen dunklen Ringen liegen, sprechen für sich.

Der Kriminalhauptkommissar tigert im neuen "Polizeiruf 110" "Nachtdienst" eine ganze Nacht lang durch die Flure eines Altenheims auf der Suche nach Antworten. Kurz zuvor, während einer Feierabendkippe, war ihm die Seniorin Elisabeth Strauß (Elisabeth Schwarz) auf den Stufen des Kommissariats begegnet und hatte ihm berichtet, im "Johannishof" einen Mord beobachtet zu haben. Hanns von Meuffels, ein Gentleman der alten Schule, fährt die alte Dame, die an vaskulärer Demenz leidet, zurück ins Seniorenheim und entschließt sich, der Sache nachzugehen.

Keine Todesmitteilung vor Sonnenaufgang

Schnell stellt sich heraus, dass es an diesem Abend tatsächlich einen Toten gegeben hat: Karl Urban (Günter Mattern), Professor der Ökonomie. Doch das scheint niemanden so recht zu kümmern, schon gar nicht das überforderte Pflegepersonal und überhaupt: der Tod gehört, gerade in einem Seniorenheim, zum Alltag. Einen Totenschein gibt es auch noch nicht, und außerdem hat der Verstorbene einen Vermerk der Angehörigen in seiner Akte: keine Todesmitteilung vor Sonnenaufgang.

Von Meuffels findet sich in einem Mikrokosmos der Vergessenen wieder. Wenn er über die kärglichen Gänge streift, schaut er in Zimmer, in denen einsame ruhiggestellte, ans Bett fixierte Menschen liegen, Menschen, die nichts mehr anderes zu sein scheinen, als eine Last - für das Pflegepersonal, für ihre Angehörigen, für die ganze Gesellschaft, für sich selbst.

Vom vollwertigen Menschen zum "Wickelbubi"

"Nachtdienst" scheut sich nicht, den Blick draufzuhalten. Das Altersheim als trostlose Endstation des Lebens. Die Gesichter in den in Neonlicht gehüllten Räumen sind geisterhafte Abziehbilder einer vergangenen Jugend und von Resignation gezeichnet. Einst vollwertige Mitglieder der Gesellschaft sind die Alten heute nur noch die sogenannten "Wickelbubis" - gelandet auf dem Abstellgleis des Vergessens.

Der eigentliche Mord verkommt in diesem Szenario zum Beiwerk, denn was sich dem Zuschauer in "Nachtdienst" offenbart, ist ein Massenmord auf Zeit. Ein großer Teil unserer ach so zivilisierten Gesellschaft wird an den Rand geschoben, lebendig unter Ignoranz beerdigt und des Geldes wegen zum Dahinsiechen verurteilt.

Als Kommissar von Meuffels auf Claus Grübner (Ernst Jacobi), einen ehemaligen Angehörigen einer Polizei-Spezialabteilung trifft, keimt Hoffnung auf. Grübner gibt sich nicht geschlagen, er kämpft weiter, er schreibt Briefe an die Heimleitung. Ein Kampf gegen das Vergessenwerden, gegen eine menschenverachtende Bürokratie, die ein Leben auf die Größe einer bestimmten Summe an Euros reduziert.

Seht her: "Ihr habt euch nicht gekümmert!"

Doch Grübner ist ein Don Quijote, die Windmühlen, gegen die er aufbegehrt, reduzieren seinen Zorn auf den kleinsten Nenner. Er will den Mord an Urban auf sich nehmen, um die Pflegerin Marija Abramovic (Marina Galic), die von dem Toten sexuell belästigt wurde, zu schützen. Grübner will seinem Leben noch einmal einen Sinn geben, doch von Meufells verwehrt ihm diesen Akt der Gnade.

Am Ende setzt Grübner seinem Leben nicht nur selbst ein Ende, sondern nimmt 23 Menschen mit in den Tod. Mit seiner Waffe, der letzten "Leidenschaft", die ihm noch geblieben ist, geht er von Zimmer zu Zimmer und erschießt einen Heimbewohner nach dem anderen. Auch Kroll, der pflichtbewusste Pfleger sowie Elisabeth Strauß sind unter den Toten. Grübners perfide Idee: Durch ein "kleineres Unheil" auf ein viel größeres aufmerksam machen, denn seht her: "Ihr habt euch nicht gekümmert!"

Fazit: Hochemotionales, beklemmendes Kammerspiel, das mit dem FairFilm Award 2017 ausgezeichnet wurde und deren Schauspielriege - allen voran die betagten Bewohner des Seniorenstifts - so überzeugt, dass sie den Zuschauer bis zuletzt in ihren Bann zieht.

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