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"Lovemobil": NDR nimmt Doku aus Mediathek und distanziert sich davon


"Nachgestellt oder inszeniert"
NDR nimmt Doku aus Mediathek und distanziert sich davon

Von dpa, t-online, mbo

23.03.2021Lesedauer: 3 Min.
"Lovemobil": Der Dokumentarfilm wird aus der Mediathek genommen.Vergrößern des Bildes"Lovemobil": Der Dokumentarfilm wird aus der Mediathek genommen. (Quelle: SWR/Christoph Rohrscheidt)
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Im vergangenen Jahr gewann "Lovemobil" den Deutschen Dokumentarfilmpreis. Er blickt in die mit Lichtern behangenen Wohnmobile an Straßenrändern, die als Minibordelle herhalten. Nun wurde er vorerst aus der Mediathek genommen.

Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat wegen Unstimmigkeiten den preisgekrönten Dokumentarfilm "Lovemobil" vorerst aus der ARD Mediathek genommen und für Wiederholungen gesperrt. Das teilte der öffentlich-rechtliche Sender, der den Film mitproduziert hat, am Montag mit. Fernsehprogrammdirektor Frank Beckmann sagte, der Film entspreche nicht den Standards, die der NDR an dokumentarisches Erzählen anlege. "Er gaukelt dem Publikum eine Authentizität vor, die er nicht hat."

Der Sender beruft sich auf Recherchen für das Format "STRG_F", wonach Teile des Films frei inszeniert seien. Den NDR-Angaben zufolge soll der Film zwar auf Basis von langjährigen Recherchen der Autorin entstanden sein, zentrale Protagonistinnen des Films schilderten aber nicht ihre persönlichen Erfahrungen, "sondern spielen eine Rolle. Zahlreiche Situationen sind nachgestellt oder inszeniert".

In "Lovemobil" geht es um das Leben von Prostituierten in Wohnmobilen am Rande von Bundesstraßen in Niedersachsen. Macherin Elke Margarete Lehrenkrauss räumte nun ein, dass die Prostituierte Rita etwa in Wirklichkeit keine Prostituierte war. Milena, die in einem Wohnmobil an einer Bundesstraße in Gifhorn gefilmt wurde, kam nur für den Dreh dorthin und ein angeblicher Freier war beispielsweise ein Bekannter von Lehrenkrauss.

Lehrenkrauss: "Nichts ausgedacht, was es so nicht gibt"

Die Filmemacherin entschuldigte sich, wenn sich Menschen nun durch den Film betrogen fühlten oder wenn sie sensible Gefühle von Zuschauerinnen und Zuschauern verletzt habe. "Das war nicht meine Absicht", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe an einzelnen Stellen die mit wirklichen Prostituierten recherchierten Begebenheiten mit Darstellerinnen nacherzählt, um die Frauen zu schützen oder, weil eine Filmaufnahme am Ende nicht möglich gewesen sei. "Im Film ist nichts ausgedacht, was es so nicht gibt. Wir haben es nur mit Darstellerinnen nacherzählt." Es sei ihr darum gegangen, Wahrhaftigkeit sowie eine emotionale und spürbare Authentizität zu schaffen.

"Was natürlich ein Fehler war, war diesen Film nicht zu kennzeichnen", sagte Lehrenkrauss. Sie habe den NDR gebeten, den Film als künstlerischen Film zu kennzeichnen, das sei aber nicht geschehen. "Es hat einfach an der richtigen Etikettierung gefehlt." Es habe Schwierigkeiten bei der Kommunikation gegeben. Die Filmemacherin sprach sich dafür aus, den Film nachträglich besser zu kennzeichnen, etwa mit einem Textfeld zu Beginn oder Ende, das darauf verweist, dass Teile des Films mit Darstellerinnen realisiert worden sind.

"Verabredet war ein Dokumentarfilm, kein Hybriddokumentarfilm oder Spielfilm"

Die NDR-Dokumentarfilmredaktion begleitete den Film redaktionell und nahm ihn auch ab, wie es vom Sender weiter hieß. Die Redaktion betonte in einer Stellungnahme, dass sie sich von der Autorin "getäuscht" fühle. "Verabredet war ein Dokumentarfilm, kein Hybriddokumentarfilm oder Spielfilm. Authentizität ist essenziell für das Genre des Dokumentarfilms." Die Redaktion war nach Senderangaben während der mehrjährigen Produktionszeit zu keinem Zeitpunkt über die Inszenierungen informiert worden. Der NDR stehe mit der Aufklärung des Vorfalls noch am Anfang. Programmdirektor Beckmann betonte: "Wir müssen neben der vollständigen Aufklärung noch bessere Wege finden, wie wir uns vor solchen Irreführungen schützen können."

Der Film kam im Frühjahr 2020 in die Kinos und lief auf Festivals. Der NDR zeigte ihn im Dezember im linearen Programm. Lehrenkrauss gewann 2020 den Deutschen Dokumentarfilmpreis für "Lovemobil". Der Film ist derzeit nominiert für den renommierten Grimme-Preis. Auf dpa-Anfrage teilte Grimme-Direktorin Frauke Gerlach mit: "Die Vorwürfe sind schwerwiegend. Deshalb prüfen unsere Gremien die vorliegenden Informationen und beraten darüber, ob die Nominierung aufrechterhalten werden kann oder nicht. Das muss jetzt sehr schnell gehen."

Verwendete Quellen
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